Fundamental rights in the European Union anti-cartel enforcement : interpretation and application of the principle of the presumption of innocence

Der dramatische Anstieg der verhängten Geldbußen infolge von Verletzungen des Art 101 AEUV hat in Wissenschaft und Praxis zu Debatten geführt, welche die Adäquanz der Prozessrechte im kartellrechtlichen Verfahren der EU in Frage stellen. Diese Debatten beziehen sich auf die Fähigkeit der Europäischen Kommission sowie der EU-Gerichte, die effektive Durchsetzung der kartellrechtlichen Regelungen mit den Anforderungen des Art. 6 EMRK zu vereinbaren. Im Rahmen dieser Problematik analysiert die Autorin die rechtliche Natur des europäischen Kartellverfahrens. Sie argumentiert, dass der repressive sowie abschreckende Charakters dieses Verfahrens eine „strafrechtliche Anklage“ im Sinne der Engel-Kriterien des EGMR darstellt. Ausgehend davon, dass das kartellrechtliche Verfahren der EU an die Verfahrensgarantien der EMRK gebunden ist, reflektiert diese Arbeit die Vereinbarkeit mit der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs 2 EMRK. In diesem Kontext wird die Haftung der Muttergesellschaft für das kartellrechtswidrige Verhalten ihre Tochergesellschaft auf der Basis des Konzepts der wirtschaftlichen Einheit und der Vermutung eines maßgeblichen Einflußes kritisch beleuchtet. Die Autorin argumentiert, dass eine derartige Haftung der Muttergesellschaft auf einer unwiderlegbaren Vermutung basiert und daher im Widerspruch zum Schuldprinzip erfolgt. Die Autorin folgert daraus, dass die Annahme der Haftung der Muttergesellschaft den Prinzipien in dubio pro reo und nulla poena sine culpa und damit den Wesensbestandteilen der Unschuldsvermutung widerspricht. Ferner betrachtet die Autorin die Verpflichtung der Gesellschaften zur aktiven Mitwirkung an Untersuchungsmaßnahmen als problematisch im Sinne des Grundsatzes nemo tenetur, der ebenfalls einen Bestandteil der Unschuldsvermutung darstellt. Letzlich werden Änderungsmöglichkeiten vorgeschlagen, um den Konformitätsmangel der analysierten Probleme zu beseitigen.vorgelegt von Aistė Mickonytė, LL.M.Zusammenfassungen in Deutsch und EnglischKarl-Franzens-Universität Graz, Dissertation, 2017(VLID)335846