Röntgenographische Untersuchung einer Ausscheidungsstruktur im System Tantal-Stickstoff

Es wurde eine Lösung von 5 Atom% Stickstoff in Tantal durch Abschrecken in statistischer Verteilung gewonnen. Aus dieser metastabilen Phase entwickelte sich durch Auslagern bei 6oo°K eine Ausscheidungsstruktur, die von einem Abfall des elektrischen Restwiderstands von ca. 50% des Ausgangswertes begleitet war. Die Struktur dieses geordneten Zustands wurde röntgenographisch an polykristallinen und einkristallinen Proben untersucht. Dabei ergab sich, daß nach der Ausscheidung an den ursprünglichen Punkten des reziproken Gitters kein Braggreflex mehr vorhanden war. Stattdessen wurden bei allen Reflexen je drei zu den drei Kanten der reziproken Gitterzelle des Tantals parallele linienförmig verschmierte Intensitätsstreaks beobachtet, deren Oberkreuzungspunkt am Ort des Braggreflexes vor der Ausscheidung lag. Daraus konnte gefolgert werden, daß diese Intensitätsverteilung von Gitterverzerrungen herrührte, die nur in Richtung der drei Würfelkanten der kubisch-raumzentrierten Tantalgitterzelle auftraten, und die ihre Ursache inebenen, plattenförmigen Ausscheidungen parallel zu den Würfelflächen dieser Gitterzelle hatten. Zur Deutung dieser Ergebnisse wurde ein Modell verwendet, bei dem der ganze Kristall lückenlos aus würfelförmigen Volumina gleicher Größe aufgebaut ist. Innerhalb dieser Volumina ist der Stickstoff jeweils in der Mitte in einer plattenförmigen Zone angereichert, während die beiden äußeren plattenförmigen Zonen an Stickstoff verarmt sind. Die Orientierungen der mit Stickstoff angereicherten Platten sind innerhalb des Gesamtkristalls statistisch auf alle drei möglichen Orientierungen parallel zu den Würfelflächen der Tantalgitterzelle verteilt. Es konnte eine Stickstoffverteilung gefunden werden, bei der jeweils in den zwei zueinander senkrechten Achsenrichtungen in der Ebene der Anreicherungsplatte der Gitterabstand unverändert ist, während in der dritten zur Platte senkrechten Achsenrichtung eine kastenförmige Verteilung der Gitterabstände auftritt, wobei die Verteilung so ist, daß sich an der Gesamtlänge der dritten Kante des Ausscheidungswürfels nichts ändert. Diese Verzerrungsverteilung hat in jedem Würfel eine tetragonale Vorzugsachse senkrecht zur Anreicherungsplatte. Durch eine analytische Behandlung dieses Modells und Vergleich mit den experimentellen Streuintensitäten konnten die Gesamtlänge einer Kante eines Ausscheidungswürfels zu rund 200 Gitterabständen geschätzt werden, die Dicke der Anreicherungsplatte im Innern zu etwa 80 Gitterabständen und die Abweichungen von der mittleren Verzerrung im Innen- und Außenbereich zu $\Delta E_{I} \thickapprox + 0,01 bzw. \Delta E_{II} \thickapprox -0,007.$ Eine Berechnung der Partialdichten des Stickstoffs auf den einzelnen Kantenrichtungen im Innern des Ausscheidungswürfels auf der Grundlage rein elastischer Verzerrungen, welche die in das Gitter eingebauten Stickstoffatome verursachen, ergab sowohl eine lokale Anhäufung des Stickstoffs im Anreicherungsgebiet wie auch eine teilweise Ausrichtung der elastischen Dipole des Stickstoffs im Innen- und Außengebiet senkrecht zu der Anreicherungsplatte. Es konnte gezeigt werden, daß durch diese Umverteilung des Stickstoffs eine Absenkung in der Freien Energie des Systems erfolgt, die nur zu einem Teil kompensiert wird durch eine Erhöhung aufgrund der verminderten Entropie dieses geordneten Zustands sowie durch den Aufbau von Kohärenzspannungen entlang der Begrenzungsflächen der einzelnen Ausscheidungswürfel. Die Energie der Kohärenzspannungen wurde größenordnungsmäßig abgeschätzt durch Annahme von Versetzungsringen, die um die Innen- und Außenzone jedes Würfels geschlungen werden. Es ergab sich, daß die gefundene Ausscheidungsstruktur in diesem Modell Versetzungsringen mit ganzzahligem Burgersvektor entspricht