Das Erbe des Sklavenhandels im kollektiven Gedächtnis Gambias

Zwischen dem späten 15. Jahrhundert und bis über das 19. Jahrhundert hinaus wurden mehr als zwölf Millionen afrikanische Männer, Frauen und Kinder gegen ihren Willen von ihrem Heimatland über den Atlantik in die westliche Hemisphäre verschifft. Die westafrikanische Republik Gambia war durch ihre Lage an der Atlantikküste ein Umschlagplatz für den Handel mit Menschen und ihre Verschleppung in die Amerikas. Um die Erinnerungen an die Versklavung von Menschen zu bewahren und sie im kollektiven Gedächtnis in Gambia zu verankern, ist Gedächtnisarbeit notwendig. Dies beinhaltet die Aufbereitung von Erinnerungen an die Vergangenheit in der Gegenwart. Die Kultur der Erinnerung beinhaltet die nachträgliche Rezeption von Erinnerungen in der Gegenwart, folglich die Aufbereitung von vergangenen Ereignissen im Nachhinein. Da Erinnerungen mit dem Ableben ihres Trägers verloren gehen muss ein künstliches Gedächtnis etabliert werden, um die Erinnerungen zu speichern und so zu bewahren. Will eine Gesellschaft Elemente aus der Vergangeneheit gezielt zu Unvergänglichem machen, muss sie ein kulturelles Gedächtnis konstruieren, mithilfe dessen sie die Vergangenheit speichert. Das kulturelle Gedächtnis ist stabil und geformt. Eine Gesellschaft schafft ihre Identität durch die Konstruktion eines kollektiven künstlichen Gedächtnisses. Die drei Grundformen sind Erzählen, Ausstellen und Inszenieren. Orale Gesellschaften können ohne Speichermedien Elemente aus der Vergangenheit durch die Wiederholung von Riten und Feierlichkeiten in der Gegenwart sichtbar machen. In Form von Medien, Museen und Orten kann ein historischer Zustand in der Gegenwart mithilfe von schriftlichen oder bildlichen Quellen öffentlich rekonstruiert werden. Wichtig ist das Einsammeln von Erinnerungen, eine gezielte Auswahl durch die Mitglieder des Kollektivs, ihre Aufbereitung und ihre Aneignung durch Individuen in der Gegenwart. Ein sichtbares Erbe der Versklavung von Menschen ist in Gambia erst seit den 1990er Jahren in Form von Restaurationen historischer Ruinen, musealen Inszenierungen, kulturellen Festen, etc., zu beobachten. Kunta Kinteh Island, die ehemalige Festung Fort Bullen sowie die Orte Juffureh und Albreda und die Insel Janjanbureh sind die zentralen Erinnerungsstätten, die teilweise von der UNESCO in die Liste der Weltkulturerben aufgenommen wurden. Juffureh wurde durch Alex Haleys 1976 veröffentlichten Roman ‚Roots’ schlagartig populär und zu einem Zielort für TouristInnen. Sein angeblicher ehemaliger Vorfahre Kunta Kinteh soll hier geboren und in die Amerikas verschleppt worden sein. Es handelt sich um eine fiktionale Figur, die in Übereinkunft der Mitglieder des Kollektivs in Gambia Eingang in das nationale Gedächtnis fand. In Juffureh befindet sich ein Sklavereimuseum, das mithilfe von Bildern, Informationstafeln und Artefakten einen Teil der Vergangenheit des Sklavenhandels inszeniert. Im Archiv und im nationalen Museum in Banjul sind ebenfalls Elemente aus der Vergangenheit gespeichert. Alle zwei Jahre wird in Gambia das Roots Homecoming Festival inszeniert, das den Besuch der Erinnerungsstätten beinhaltet. Die Interpretation der Erinnerungsstätten als museale und touristische Identitätsorte zeigte, dass der Erinnerungsdiskurs zum Sklavenhandel in Gambia nur eine marginale Rolle spielt. Ehemals historische Schauplätze sowie das Sklavereimuseum in Juffureh und das Roots Festival werden vor allem für TouristInnen aufbereitet. Durch die hohen Eintrittspreise sowie Transportkosten zu den historischen Orten wird der lokalen Bevölkerung der Zugang erschwert. Mithilfe von Erinnerungsarbeit kann eine traumatische Vergangenheit anerkannt und den Opfern gedacht werden. In Gambia nützt der Staat die Erinnerungskulturen vor allem, um die Wirtschaft mithilfe von Einnahmen durch UrlauberInnen anzukurbeln. Selbst Privatpersonen nutzen die Gedächtnisorte, um finanziellen Profit daraus zu schlagen. Exkursionen mit SchülerInnen zu den relevanten Orten werden nicht finanziell unterstützt und die Eltern können die Kosten oft nicht tragen.Between the late 15th century and the late 19th century more than twelve million African men, women and children were shipped against their will from their homeland across the Atlantic to the Western Hemisphere. The Region of The Gambia was due to its location on the Atlantic coast a hub for human trafficking and their further shipping to the Americas. To preserve the memories of the enslavement of people and to anchor it in the collective memory in Gambia, memory work is necessary. This includes the processing of memories of the past in the present. The culture of memory involves the subsequent reception of memories in the present. Because memories get lost with the death of their carrier an artificial memory needs to be established to store the memories and preserve them. If a society wants to keep up memories they must construct a cultural memory, where they can store the past. Cultural memory is a stable and shaped construction. A society creates its identity through the creation of a collective artificial memory. With media, museums and places history can be reconstructed in the present with written or pictorial sources. The three basic forms are narration, exhibiting and staging. Oral companies can make elements of the past visible through the repetition of rites and festivals in the present without storage media. What is important is the collection of memories and a specific selection by the members of the collective, their preparation and their appropriation by individuals in the present. A visible legacy of the enslavement of people in The Gambia can be observed only since the 1990s in the form of restoration of historical ruins, museum productions and cultural festivals. Kunta Kinteh Island, the historical ruins of the former Fort Bullen and the villages Juffureh and Albreda as well as the island Janjanbureh are the central memorial sites, some of which were included by UNESCO in the list of world cultural heritage. Juffureh became popular by Alex Haley's novel ‘Roots’ and as a result a main destination for tourists. Haley brags that his former ancestor Kunta Kinteh was born here and deported to the Americas. It is a fictional character that is now part of the national memory in agreement of the members of the collective in The Gambia. The slavery museum located in Juffureh shows a part of the history of the slave trade through images, information boards and artifacts. In the archive and in the National Museum in Banjul elements of the past are also stored. Every two years the Roots Homecoming Festival is launched which includes a visit to the memorial sites. The interpretation of the memorials as museal and touristic identity places showed that the memory discourse on the slave trade in Gambia only plays a marginal role. Formerly historical sites and the slavery museum in Juffureh and Roots Festival are prepared especially for tourists. Due to the high ticket prices and transportation costs to the historical places access for the local people is difficult since they mostly cant’t afford it. A traumatic past can be acknowledged with memory work. Affected victims can thus be thought of. In Gambia, the state uses the memory cultures in particular to provide a boost to the economy through the profit of tourists. Even individuals use the memory locations to hit financial profit. Field trips with students to the relevant places are also not supported financially and the parents often can not bear the costs