Konsistenz- und Ambiguitätseffekte bei der Betrachtung und Bewertung von Kunst

Das Ziel der aktuellen Eye-Tracking Studie war es zu untersuchen, ob Objekt-Szene- (In-)Konsistenzen und Ambiguität auch in der Kunst einen signifikanten Einfluss auf die Bewertungen von Szenen und die Augenbewegungen ausüben. Es wurde getestet, ob semantisch/syntaktisch inkonsistente und daher ambige Objekte die in surrealen Gemälden von René Magritte auftauchen, zu anderen Mustern von Augenbewegungen führen, als die selben Objekte, die in der gleichen Umgebung auftauchen, jedoch so retuschiert wurden, dass sie weder inkonsistent noch ambig waren. Es wurde untersucht, ob zwischen den inkonsistenten, ambigen und den konsistenten, nicht ambigen Bildversionen bezüglich der von den Studienteilnehmern abgegebenen Gefallens-, Interessantheits-, und Vertrautheits-Ratings der Bilder, signifikante Unterschiede beobachtet werden können. Es zeigte sich, dass inkonsistente, ambige Objekte signifikant früher (Latenzzeit bis zur ersten Fixation), länger (Totale Fixationsdauer) und häufiger (Anzahl der Fixationen) fixiert wurden, als konsistente, nicht ambige Objekte. Die inkonsistenten, ambigen Versionen der Gemälde wurden als signifikant interessanter und gefälliger bewertet, als die konsistenten, nicht ambigen Gemälde, bezüglich der Vertrautheits-Ratings konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den Versionen beobachtet werden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass (In-)Konsistenz und Ambiguität einen wichtigen Einfluss auf die Verteilung der Aufmerksamkeit in der Kunst ausüben, inkonsistente und ambige Objekte sind in der Lage kurze, aber auch längere Blicke auf sich zu ziehen (und zwar innerhalb von weniger als 558 ms) und führen auch zu einer höheren Fixationsdichte. Die signifikant früheren Fixationen inkonsistenter, unerwarteter Objekte in den Bildern lässt sich dabei am besten durch die attentional attraction-Hypothese (Hollingworth & Henderson, 2000) erklären, die signifikant längeren und häufigeren Fixationen dieser Objekte wiederum am besten durch die attentional disengagement-Hypothese (Hollingworth & Henderson, 2000). Die Ergebnisse weisen eine hohe Ähnlichkeit zu den Ergebnissen anderer Eye-Tracking Studien auf, welche realistische, naturalistische Szenen, anstelle von (surrealistischen) Gemälden verwendet haben (Becker et al., 2007; Bonitz & Gordon, 2008; Loftus & Mackworth, 1978) und man kann vermuten, dass inkonsistente, ambige Objekte sowohl in Abbildungen natürlicher Szenen der realen Welt, als auch in der (surrealen) Kunst, hoch informative Areale darstellen, welche bevorzugt betrachtet werden, um wirklich dazu in der Lage zu sein, zu verstehen was in einem Bild vor sich geht und um das Wesentliche entnehmen zu können. Die Ergebnisse dieser Studie weisen auch darauf hin, dass eben diese unerwarteten und daher informativen Areale eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung und Bewertung von Kunst spielen, inkonsistente und ambige Objekte scheinen etwas Positives, Wünschenswertes darzustellen, etwas das bei der Betrachtung von Gemälden Interesse und Gefallen weckt.The aim of the present eye-tracking study was to examine if object-scene (in-)consistency and ambiguity have a significant influence on scene-ratings and eye-movements in art. It was tested if different kinds of semantic/syntactic inconsistent and therefore ambiguous objects in surrealistic paintings of René Magritte, lead to different eye-movement patterns, than the same objects presented in these scenes, but edited in a way that they were no longer inconsistent or ambiguous in these surroundings. It was tested if there was a significant difference between the inconsistent, ambiguous and the consistent, unambiguous versions of the paintings concerning liking-, interest-, and familiarity-ratings given by the participants. It could be shown that inconsistent, ambiguous objects were fixated significantly sooner (first fixation latency), longer (total fixation duration) and more often (fixation count), than consistent, unambiguous objects. Inconsistent, ambiguous versions of the paintings were rated significantly more interesting and pleasing, than the consistent, unambiguous paintings, concerning familiarity-ratings no significant differences between the versions could be found. The results indicate, that (in-)consistency and ambiguity, also have an important influence on the allocation of attention in art, inconsistent and ambiguous objects are able to attract short glances, but also longer gazes (in less than 558 ms) and lead to a higher fixation density. The sooner fixations of inconsistent, unexpected objects in the paintings can be best explained by the attentional attraction hypothesis (Hollingworth & Henderson, 2000), the longer and more frequent fixations of these objects by the attentional disengagement hypothesis (Hollingworth & Henderson, 2000). The results are quite similar to results of other eye-tracking studies using more realistic, naturalistic scenes, instead of (surrealistic) paintings (Becker et al., 2007; Bonitz & Gordon, 2008; Loftus & Mackworth, 1978) and it might be assumed, that inconsistent, ambiguous objects represent high informative areas, which are preferably observed to be able to really understand what is going on in a picture and to extract the gist, in naturalistic representations of the real world, as well as in (surrealistic) art. The results of the current study also indicate, that these unexpected and therefore informative areas play an important role in the perception and also the appraisal of art, inconsistent and ambiguous objects seem to constitute something positive or desirable, something that arouses interest and pleasure when looking at paintings