Evaluation der Entscheidungsfindung zur Durchführung der RDS-Prophylaxe bei drohender Frühgeburtlichkeit

Zusammenfassung Das neonatale Atemnotsyndrom (neonatal Respiratory Distress Syndrome, NRDS) stellt noch immer eine der Haupttodesursachen der neonatalen Mortalität dar. Dieses begründet sich in einer pathogenetisch nicht abgeschlossenen Lungenentwicklung. Die Inzidenz des NRDS und der Frühgeborenen-Mortalität konnte seit 1972 deutlich durch eine künstliche Induktion der Lungenreife mit Steroiden gesenkt werden. Umso wichtiger ist eine effektive Handhabung dieser Steroide (Prophylaxis of NRDS), da das Outcome der Frühgeborenen maßgeblich von dessen Durchführung im vorgegebenen Zeitintervall (Timing) abhängt. Dennoch gibt es bis heute große Schwierigkeiten die zeitgerechte Therapie in der klinischen Praxis zu gewährleisten. Ziel dieser Arbeit war es zu eruieren, in wieweit bestimmte Indikationen für eine Prophylaxis of Neonatal Respiratory Distress Syndrom (PoNRDS) an der Frauenklinik Köln einen Einfluss auf das Timing hatten. Hierfür wurden im Rahmen einer retrospektiven Datenanalyse 490 Fälle von Patientinnen der Frauenklinik von Oktober 2017 bis Dezember 2020 ausgewertet. Als Einschlusskriterium galt eine Geburt vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche (SSW) sowie eine erhaltene PoNRDS. Zunächst wurde die Einhaltung des Zeitintervalls der PoNRDS ermittelt. Mit der Statistik Software SPSS erfolgte die Analyse der häufigsten Indikationen für die PoNRDS. Von den 452 eingeschlossenen Fällen wurde in 36,3 % das vorgegebene Zeitintervall für die Therapie eingehalten. In 122 Fällen wurde die PoNRDS zu spät verabreicht, in 166 Fällen zu früh. Nach Durchführung der binären univariablen logistischen Regression ergaben die Indikationen „Präeklampsie“, „Intrauteriner Growth Retardation“ und „akute Erkrankungen der Schwangeren“ signifikante Zusammenhänge mit einem korrekten/nicht korrekten Zeitmanagement. Die relative Wahrscheinlichkeit eines optimalen Timings der PoNRDS sank bei der „Zervikalen Insuffizienz“ um 58 % im Vergleich zu Patientinnen ohne diese Indikation und erfolgte signifikant häufiger zu früh. Bei externem Beginn der PoNRDS (in einem externen Krankhaus) sank die relative Wahrscheinlichkeit eines optimalen Timings um 54 % im Vergleich zu dem klinikinternen Beginn und ging signifikant häufiger mit einer zu frühen Gabe einher. Des Weiteren gab es 34 Fälle auswertbarer wiederholter Steroidzyklen (Rescue Therapien). Davon wurden 44 % im vorgegebenen Zeitintervall verabreicht. Für die vorzeitige Wehentätigkeit ergab sich ein signifikanter Zusammenhang mit einer zu spät verabreichten PoNRDS, was bei hochakuten Frühgeburtsbestrebungen oft unvermeidlich ist. Folglich lässt sich der Zeitpunkt der Frühgeburt auch an der Uniklinik der Frauenklinik Köln noch nicht verlässlich prädiktieren. Eine denkbare Optimierungsmaßnahme könnte die regelhafte Etablierung von Testinstrumenten mit einem hohen negativ prädiktivem Vorhersagewert (z.B. sonografisch gemessene Zervixlänge oberhalb 25 mm, negatives Fibronektin) darstellen, um bei negativem Ergebnis zunächst von einer PoNRDS abzusehen, sofern dies keine anderen Umstände erfordern. Um den Wissensstand des Vorhersagewertes bestimmter Indikationen zu komplementieren und eine Entscheidung gegen eine zu frühe PoNRDS wie bei Vorliegen einer Zervix-Insuffizienz zu untermauern, bedarf es weiterer klinischer Studien zu einzelnen Diagnostikmethoden