Weltfremdheiten: Zum Leben im Maschinenraum

In seinem Abgesang auf das Industriezeit­alter erzählt der Historiker Lutz Raphael „von gestern aus“. Das Gestern wird zur Erzähl­perspektive, es gilt, seine Reichweite zu er­fassen, sein Enden zu begreifen, das Heute nicht als Vorbote eines neuen Morgen zu untersuchen, sondern als Verstummen einer Vielzahl von Akteuren, denen die einstige Gegenwart der Industrialisierung zur selbst­ verständlichen Zukunft wurde. Raphael treibt nicht die Hoffnung, dass sich das Neue an der Bruchstelle zum Alten zu erkennen gibt, er sieht in der methodischen Vorliebe für „Anfänge des Neuen in den sozialen Phänomenen der jüngsten Vergangenheit“ letztlich eine „Obsession für Fortschritts- beziehungsweise Wachstumserzählungen, während Prozesse des Schrumpfens, gar Verschwindens sozialer Gruppen oder Ge­bilde tendenziell mit Schweigen oder Des­interesse belegt werden“. Heute ist Schluss mit gestern, wir erleben stattdessen eine „Peripherisierung von Sozialräumen“ der Industriegesellschaft. Und wenn das Ges­tern aufscheint, dann als „Retrotopie“ ei­nes nostalgischen Rückzugs in das Eigene. Doch die Maschine, sie verschwindet nicht. In den neo-industriellen Visionen autono­mer Systeme und künstlicher Intelligenzen kündigt sich keinesfalls ein Abschied von der Maschine an, im Gegenteil. Die Wahr­nehmung der Gegenwart als Maschinen­zeitalter verbindet uns mit den Auseinan­dersetzungen vorheriger Zeiten. Vielleicht hilft der Vergleich, auf jeden Fall scheint es sinnvoll, unsere Erfahrung radikalen tech­nologischen Wandels nicht allein aus sich selbst heraus verstehen zu wollen. Die 1920er Jahre im internationalen Saar­gebiet stehen für eine Schlüsselphase in der Industrialisierung der Region, in der nicht zuletzt die Elektrifizierung das gesamte ge­sellschaftliche Leben erfasst. In den Ma­schinenräumen der Arbeitswelten entste­hen auch neue Lebenswelten. Die Welt öffnet sich; und sie ist fremd. Der Dialog der Momente 2020/1920 bringt nicht nur das Vertraute, nostalgisch Gerahmte wie­der in den Blick. Sondern auch das Fremde