Traum oder Schande: Nachdenken über transkulturelle Räume in den Werken Günter Grass'

In der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts hat wohl kein anderer Schriftsteller die Dringlichkeit des transkulturellen Raumes so prägnant ausformuliert wie Günter Grass. Pole und Deutscher, Düsseldorf und Paris, Danzig und Gdańsk, Bild und Wort: Seit dem Anfang seiner künstlerischen Laufbahn profiliert Grass sich als provokanter Grenzgänger zwischen den Räumen, ohne diesen eindeutig zuzugehören. Sein mobiles und vielseitiges Oeuvre ist der bevorzugte locus von Erkundungen nach dem Transkulturellen, in denen Räume nicht als statische Bildflächen, sondern als dynamische, soziale Wirkungsfelder zu verstehen sind. Anhand transkulturell geprägter Räume versucht Grass, zwischen den verschiedenen Kulturen Europas, sogar weltweit, „kulturelle Übereinkünfte“ freizulegen, die weitläufiger sind, „als die Politik heutzutage begreifen will“. Die Realität von Grenzen wird daher erst problematisch, wenn wir nicht mehr imstande sind, sie mit Hilfe der literarischen Imagination zu überspringen