Transkranielle Gleichstromstimulation zur Verbesserung des sprachlichen Gedächtnisses bei verschiedenen Altersgruppen und Personen mit mild cognitive impairment (MCI)

Balduin-Philipps LS. Transkranielle Gleichstromstimulation zur Verbesserung des sprachlichen Gedächtnisses bei verschiedenen Altersgruppen und Personen mit mild cognitive impairment (MCI). Bielefeld: Universität Bielefeld; 2022.Ein subjektiver Rückgang von Gedächtnisleistungen wird im Alterungsprozess häufig auch von gesunden Senioren empfunden. Einhergehend mit einer verlangsamten neuronalen Verarbeitungsgeschwindigkeit nehmen im Alter Probleme bei Arbeits- gedächtnisprozessen und beim episodischen Gedächtnis zu (Fraundorf et al., 2019; Hedden & Gabrieli, 2004). Da bislang keine medikamentöse Behandlung existiert, um diese neurodegenerativen Prozesse hinauszuzögern, ist die Suche nach anderen therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung altersbedingter Abbauprozesse von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird beim Rückgang von Gedächtnisleistungen die Gleichstromstimulation als therapeutisches Mittel zur lokalen Manipulation kortikaler Aktivierungen durch die Applikation eines geringen elektrischen Stroms erprobt. Eine auf der Kopfhaut angebrachte „anodale“ Stimulation führt dabei zu einer Depolarisierung neuronaler Membranen im unterliegenden neokortikalen Gewebe und bietet dadurch die Möglichkeit kognitive Prozesse zu unterstützen. In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss einer „anodalen“ transkraniellen Gleichstromstimulation auf die Wortwiedererkennungsleistung bei Personen verschiedener Altersgruppen untersucht. Es wurde überprüft, inwieweit sich die Wortwiedererkennungsleistung bei verschiedenen Altersgruppen und bei Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) mithilfe einer Gleichstromstimulation verbessern lässt. Sowohl junge Probanden (Pilotstudie 1 und 2) ohne Gedächtnisprobleme, als auch Teilnehmer über 64 Jahre mit und ohne Gedächtnis- probleme nahmen an der Studie teil (Hauptstudie). Während der Gleichstromstimulation absolvierten die Teilnehmer eine Wortwiedererkennungsaufgabe, in welcher sie zuvor auditiv präsentierte Wörter unter semantisch oder phonologisch verwandten Wörtern wiedererkennen mussten. Hierbei wurde die Entscheidungszeit mittels Tastendruck gemessen. Während der Wortwiedererkennungsaufgabe (beinhaltete sowohl Lern- als auch Entscheidungsphasen) wurde eine zwanzigminütige „anodale“ Gleichstrom- stimulation mit 1,5 mA über dem linken Temporallappen durchgeführt. Die Ergebnisse zuvor durchgeführter Pilotstudien mit Studienteilnehmern zwischen 20 und 33 Jahren zeigten tendenziell einen positiven Effekt einer solchen Gleichstromstimulation. In diesen Pilotstudien bestand jedoch die Möglichkeit, dass, bedingt durch einen ceiling- Effekt, keine signifikante Reduktion der Entscheidungszeit erreicht wurde. Die über 64- jährigen Teilnehmer zeigten hingegen unter „anodaler“ Gleichstromstimulation stets kürzere Entscheidungszeiten bei der Wortwiedererkennung. Dieser Effekt trat unabhängig von ihrer Gedächtnisleistung auf. Ähnliche Studien anderer Forschungs- gruppen zeigen, dass ältere Probanden mit Gedächtnisproblemen weniger Wörter erfolgreich wiedererkennen, als ältere Probanden ohne Gedächtnisprobleme. In der hier 1 vorliegenden Studie zeigte sich allerdings kein positiver Einfluss der Gleich- stromstimulation auf die Anzahl der Fehler in der Wortwiedererkennungsaufgabe. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ältere Teilnehmer unabhängig von ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit bereits von einer einzigen Sitzung mit „anodaler“ Gleichstromstimulation über dem linken Temporallappen profitieren. Deutlich wird dies in einer beschleunigten Wortwiedererkennung, welche auf einen erleichterten Zugang der eingespeicherten Wörter und eine verbesserte Verarbeitungsgeschwindigkeit zurückgeführt werden kann