Israel Friedenssuche im Chaos

'Am 6. Februar wird ein neuer Ministerpraesident gewaehlt. Der sozialdemokratische Amtsinhaber Ehud Barak stellt sich zur Wiederwahl, in allen Umfragen fuehrt sein national-konservativer Gegenkandidat Ariel Sharon mit grossem Vorsprung. Sollte Sharon gewinnen, so erwartet es zumindest die Rechte, wuerde er mit eiserner Faust die palaestinensische Aufmuepfigkeit zurechtstutzen und einen auf den Sicherheitsinteressen Israels basierenden Frieden anstreben. Doch traut man dem Hauptverantwortlichen fuer das desastroese Libanon-Abenteuer auch zu, harte Entscheidungen - wie die Raeumung von Siedlungen und Truppenrueckzug - durchzusetzen, wie er dies frueher auf dem Sinai und im Wye-Abkommen getan hat. Barak wuerde es bei einem Sieg (wie bisher) schwerfallen, eine Mehrheit in der Knesset zu finden; bei einem Scheitern kaeme es zu Neuwahlen - diesmal fuer das Amt des Ministerpraesidenten und die Knesset. Dann wuerde Ex-Premier Netanjahu bereitstehen, der diesmal nicht antritt, weil ihm das gegenwaertige Parlament nicht rechts genug ist. Ein Wahlsieger Sharon duerfte keine Probleme mit der Regierungsbildung haben. Wenn sich die regionale Konfliktsituation weiter zuspitzen sollte, ist auch eine Regierung der nationalen Einheit mit Barak als Verteidigungsminister nicht ausgeschlossen. Alle diese moeglichen Konstellationen haben eines gemeinsam: sie verheissen nichts Gutes fuer den Friedensprozess. Die schwierigen innenpolitischen Verhaeltnisse - voellig zersplittertes Parlament, Minderheitsregierung, tief reichende gesellschaftliche und ideologische Widersprueche - werfen die Frage nach der Friedensfaehigkeit Israels auf. Die ethnische, religioese und soziale Frage stellen ein explosives Potential fuer die Zukunft der israelischen Gesellschaft dar. Ihre Loesung muesste dringendst in Angriff genommen werden, doch steht dem die alles ueberragende Frage von Frieden und Sicherheit entgegen. Ohne aeusseren Frieden lassen sich die inneren Probleme nur schwer loesen, und ohne deren Loesung ist der aeussere Frieden gefaehrdet. Die Konfliktlage im Nahen Osten hat auch zu tun mit einer realen Dominanz: Israel ist die groesste Wirtschafts- und Militaermacht des Nahen Ostens, sein Bruttosozialprodukt ist (bei sechs Millionen Einwohnern) so gross ist wie das aller Nachbarlaender zusammen (mit neunzig Millionen). Das Pro-Kopf-Einkommen ist zehn bis fuenfzehnmal so hoch, in allen Belangen einer modernen Gesellschaft wie Bildung, Gesundheit, soziale Sicherung, High-Tech, Finanzen spielt Israel in einer anderen Liga. Das erklaert (neben der ungeloesten Palaestinenserfrage), warum zum Beispiel Aegypten als Fuehrungsmacht der arabischen Welt nur zu einem 'kalten Frieden' mit Israel bereit ist. Man fuerchtet, von den Israelis (wirtschaftlich und kulturell) ueberrollt zu werden, und wer die Mentalitaets- und Verhaltensunterschiede zwischen beiden Zivilisationen kennt, weiss, dass sich dahinter auch viele psychologische Probleme verbergen.' (Autorenreferat)SIGLEAvailable from http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/00961.pdf / FIZ - Fachinformationszzentrum Karlsruhe / TIB - Technische InformationsbibliothekDEGerman