Staatsbuergerschaft oder Volkssouveraenitaet? Ueberlegungen zu Verfassungsdebatten in Europa

In dem Vortrag erlaeutert der Autor aus einer philosophischen Perspektive seine Annahme, dass der Aufbau Europas in zweierlei Hinsicht ein 'unmoegliches Vorhaben' ist, und zwar sowohl als dauerhafter politischer Rahmen fuer die Entwicklung einer neuen Staatsbuergerschaft auf dem europaeischen Kontinent - der 'europaeischen Buergerschaft' - wie auch als historische Stuetze fuer einen Wandel im Umgang und Verstaendnis der Buergerschaft. Die Buergerschaft ist die Qualitaet oder der Status, den der Staat (und insbesondere der Nationalstaat) den Individuen verleiht, der jedoch nicht ausserhalb dieser Bestimmung gedacht werden kann (die Amerikaner sprechen von ascriptive citizenship), und sie kann ausgehend von ihrer eigenen Dynamik nicht dazu beitragen, den Staat zu bilden oder ihm eine bestimmte Form zu geben. In einem ersten Schritt wird das Dilemma der Staatsbuergerschaft versus Volkssouveraenitaet eroertert. Dabei werden Merkmale diskutiert, die mit Vorstellungen von Demokratie und Souveraenitaet in den modernen politischen Systemen verbunden sind, um deutlich zu machen, warum die Volkssouveraenitaet jenseits ihres angekuendigten oder festgestellten Untergangs weiter im politischen Raum geistert. In einem zweiten Schritt wird ein Bogen zur Geschichte der politea (gr., Konstitution der Buergerschaft) geschlagen, um die These von einem zugleich unabgeschlossenen und unabschliessbaren historischen Prozess zu belegen, in dem die Buergerschaft nicht nur das Fundament oder der Rahmen ist, sondern der Gegenstand, der nach neuen Entwicklungen verlangt. Dann nimmt der Autor den entgegengesetzten Standpunkt ein, nicht den der Konstitution als objektiver Form, sondern den der 'Subjektivitaet', der ihr entspricht und sie traegt, das heisst also zu versuchen, die institutionelle mit der anthropologischen Dimension zu verbinden. Dabei wird gezeigt, dass die Alternative der beiden Vorstellungen - die der demokratischen Staatsbuergerschaft und die der Volkssouveraenitaet - das von der Moderne eroeffnete Problem einer Verknuepfung der beiden konfliktuellen Werte der Gleichheit und der Freiheit beruehrt, ebenso wie ihre tatsaechliche Verwirklichung innerhalb ein und desselben oeffentlichen Raums. In einem dritten Schritt werden einige Hypothesen in Bezug auf die oeffentlichen Aufgaben in der postmodernen oder postnationalen Aera formuliert und dabei die 'Baustellen der Demokratie' beruehrt, die die Erneuerung der Buergerschaft im aktuellen Kontext mit der alten Thematik der 'Zeichen der Souveraenitaet' verbindet. (ICG2)Available from Centre Marc Bloch Deutsch-Franzoesisches Forschungszentrum fuer Sozialwissenschaften, Berlin (DE) / FIZ - Fachinformationszzentrum Karlsruhe / TIB - Technische InformationsbibliothekSIGLEDEGerman