Posttraumatische Gefahrenantwort nach experimentellem Polytrauma und hämorrhagischem Schock

Das Polytrauma ist heutzutage die häufigste Todesursache im jungen Erwachsenenalter und hat deshalb eine große individuelle, medizinische und wirtschaftliche Bedeutung. Auch bei Überleben führt es oft zu dauerhaften und schwerwiegenden Langzeitschäden. Bei einem Polytrauma ist der schwere Blutverlust oft wichtiger Bestandteil der Verletzungen, mit einem starken Einfluss auf den Verlauf. Immunologisch führt ein Schädelhirntrauma, Thoraxtrauma und eine Fraktur mit einem hämorrhagischen Schock zu einer komplexen molekularen und zellulären Gefahrenantwort, die noch nicht ausreichend verstanden ist. Daher sollte in der Arbeit ein experimentelles Polytraumamodell etabliert werden, welches die klinische Wirklichkeit dieser Gefahrenantwort, kurz nach einem Trauma, hinreichend zuverlässig darstellt. Dazu wurden Wildtyp-Mäusen der Linie C57BL/6J mit einem Alter von 8-12 Wochen einem Schädelhirntrauma durch weight-drop, einem Thoraxtrauma durch Luftdruck, einer geschlossenen Femurfraktur und einen druckkontrollierten hämorrhagischen Schock durch druckkontrollierte Blutabnahme zugeführt. Es sollte insbesondere der Effekt des hämorrhagischen Schocks auf, das schon früher etablierte hämodynamisch stabile Polytraumamodell untersucht werden. Nach einer Beobachtungsdauer von 4 Stunden wurde der Versuch terminiert und die Organe zur weiteren Beurteilung entnommen. Die Ergebnisse des kombinierten Polytraumas wurden mit denen der einzelnen Verletzungen verglichen. Bei der Kombination des Polytraumas mit einem hämorrhagischen Schock kam es zu einem signifikanten Anstieg von Interleukin 6, Club Cell Protein 16 und der Zahl der Granulozyten in der bronchoalveolären Lavage. Auch im Falle der Plasmakonzentrationen konnten signifikante Anstiege bei Interleukin-6, Club Cell Protein 16, neutrophilen gelatinase assoziiertes Lipocalin und glial fatty acidic protein nachgewiesen werden. Das durchgeführte Modell erlaubt Rückschlüsse auf die pathophysiologischen Abläufe und verstärkende Rolle des hämorrhagischen Schocks nach Polytrauma. Sowohl die systemische Entzündungsantwort als auch die organspezifischen Schädigungen wurden insgesamt durch den hämorrhagischen Schock nach Polytrauma aggraviert. Das etablierte hämodynamisch instabile Polytraumamodell kann für weitere Experimente zu Untersuchung klinisch relevanter Fragestellungen bezüglich des pathophysiologischen Ablaufs und möglicher therapeutischer Optionen genutzt werden