Erklärungsmodelle Jugendlicher mit schädlichem Substanzgebrauch oder Substanzabhängigkeit zu Sucht – eine qualitativ-quantitative Studie

Das Ziel war es die Erklärungsmodelle bzw. die subjektiven Krankheitstheorien zu Sucht ergründen. Es wurden strukturierte Interviews mit 34 Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren erhoben und inhaltsanalytisch ausgewertet. Bei den Jugendlichen lag diagnostisch ein schädlicher Substanzgebrauch oder eine Substanzabhängigkeit vor. Die Suchtkriterien wurden generalisiert und in ein abstraktes Suchtmodell überführt. Die subjektiven Suchtkriterien haben wenig Übereinstimmung mit dem Konzept der körperlichen Abhängigkeit nach ICD-10. Der oft vertretene starke Wunsch oder Zwang zum Konsum bildet einen Zugangspunkt zu der Suchterkrankung und zeigt auch Leidensdruck. Eine substanzspezifische Sichtweise mit der Attestierung unterschiedlicher Gefährlichkeit war weitverbreitet. In Bezug auf Cannabis bestanden Bagatellisierungstendenzen und Wissenslücken. Die weite Verbreitung von Substanzen wie Cannabis, Alkohol und durch mediale Präsenz transportiertes Wissen über Substanzen wie beispielsweise Heroin oder Methamphetamin schlägt sich in Gemeinsamkeiten in der Beurteilung nieder. Es überwiegen kritische Aussagen gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen zu Substanzgebrauch in Deutschland. Das Wissen über körperliche Abhängigkeit ist nicht bei allen Teilnehmern fundiert. Der Zugang zum Hilfesystem ist durch die individuelle Lage der Jugendlichen bestimmt. Konflikte führen zu Hemmschwellen und zum Meiden von bestimmten Hilfeangeboten. Um Abstinenz zu erreichen ist für die Jugendlichen oft ein "starker Wille" entscheidend. Allgemein wird Abstinenz laut den Jugendlichen eher weniger als erlernbares Verhalten, sondern das Ergebnis eingetretener Umstände gesehen. Professionelle Hilfe sehen sie aber für ihren Fall überwiegend als hilfreich an. Die Mehrzahl ist indes krankheitseinsichtig. Für die Relevanz von familiären Problemen bei der Suchtentwicklung herrscht eine Mehrheit unter den Jugendlichen. In ihren persönlichen Entstehungsmodellen erwähnten die meisten Teilnehmer, dass der Konsum aus Verstärkung (Neugier, Glücksgefühle erfahren etc.) zur Suchtentstehung beigetragen hat. Dabei ist zu beachten, dass von der jeweiligen Position der Betroffenen ausgegangen werden muss. Das Erleben von Mangel oder der zusätzliche „Kick“ ohne konstruierbare Mangelerlebnisse sind hier denkbare Ausgangssituationen. Wichtiger als die quantitativen Unterschiede der Entstehungshypothesen ist die Beobachtung, dass unterschiedliche Hypothesen genannt werden, die im Einzelfall vertreten werden. Im Einzelfall liegen nicht mehrere Entstehungshypothesen vor. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse die Notwendigkeit Individualität bei Erklärungsmodellen vorauszusetzen