Leistungsdiagnostische Verfahren zur Beurteilung der konditionellen Beanspruchungsformen im Fechtsport

Im Fechtsport wirken viele Einflussfaktoren auf die Wettkampfleistung. Neben der Technik und Taktik wird eine große Bedeutung der Kondition vermutet. Die Kondition setzt sich aus den sportartspezifisch ausgeprägten motorischen Beanspruchungsformen zusammen. Ihr jeweiliger Einfluss auf die Wettkampfleistung ist nicht bekannt, da bisher keine fechtspezifischen Testverfahren für ihre Erfassung entwickelt wurden. Entsprechend zielt die empirische Trainingsgestaltung überwiegend auf eine Verbesserung von Technik und Taktik. Aufgrund einer zunehmend athletischen Kampfweise auf internationalem Niveau wird jedoch ein vermehrter Einfluss der Kondition vermutet. Hieraus entwickelte sich das Ziel der Arbeit, eine sportartspezifische Leistungsdiagnostik im Fechtsport zu etablieren. Dabei werden Kraft, Kraftausdauer, Reaktivkraft, Schnelligkeit und Ausdauer erfasst. Durch den Vergleich der Leistungsklassen soll die neue Diagnostik evaluiert und die Leistungsfaktoren beschrieben werden. Eine Trainingsintervention untersucht, ob die Kondition durch ein Training gesteigert und dies durch die neuen Verfahren erfasst wird. Die Leistungsdiagnostik wurde an einem Olympiastützpunkt mit 53 Kaderathleten (31 Männer [♂], 22 Frauen [♀]) durchgeführt. Die Sprungkraft wurde durch Counter Movement Jumps und Squat Jumps auf einer Sprungmessplatte erfasst. Die Reaktivkraft wurde durch den Reaktivkraftindex eines Drop Jumps durch Lichtschranken-messung bestimmt. Die Kraftausdauer wurde durch Zeitmessung 10 maximaler Fechtsprints über 3 Meter vor- und rückwärts nacheinander beurteilt. Ein Fechtsprint ist ein Sprint in fechttypischer Bewegung aus dem Ausfallschritt. Die Schnelligkeit wurde durch Fechtsprints über 3 Meter vorwärts, rückwärts und kombiniert erfasst. Die Ausdauer wurde mittels neu entwickelten fechtspezifischen Stufenbelastungstest erfasst. Der Proband richtet seine Geschwindigkeit dabei nach einer computergesteuerten Signalgabe. Mittels kapillärer Laktatmessung am hyperämisierten Ohrläppchen wurde die Leistung an der individuellen anaeroben Schwelle (IAS) und bei 4 mmol/l-Laktat (AAS) berechnet. Die statistische Analyse erfolgte mit SPSS Version 18 mittels T-Test, ANOVA (analysis of variance), Pearson- und Spearman-Korrelation. In der Subgruppenanalyse wurden die Wettkampfklassen (WK) der Junioren und Aktiven (17.-21. > 21. Lebensjahr), die Bundeskader (BK) und Landeskader (LK) verglichen. Die Rangkorrelation erfolgte nur innerhalb der Junioren Weltrangliste (WRL). Im zweiten Teil der Arbeit erfolgte eine kontrollierte Trainingsintervention. 16 randomisierte Kaderathleten absolvierten ein Krafttraining oder führten das übliche Fechttraining fort. Zu Beginn und nach Abschluss erfolgten leistungsdiagnostische Testungen mit den beschriebenen Verfahren. Bei der Sprungkraft zeigen sich keine Klassenunterschiede. Die Diagnostik erfasst eine signifikante postinterventionelle Kraftsteigerung (p = 0,003). Die Reaktivkraft (RI) der BK (2,9 ± 0,4) war signifikant stärker als die der LK (♂: 2,6 ± 0,3; p = 0,019). Die WK unterschieden sich nicht. Es besteht eine signifikant gegensinnige Korrelation mit der WRL (♂: R = 0,478, p = 0,038). Die Kraftausdauer der BK ist signifikant höher (♀: BK: 2,9 ± 0,1 Sek.; LK: 3,07 ± 0,20 Sek.; p = 0,046; ♂: BK: 2,5 ± 0,1 Sek., LK: 2,63 ± 0,18 Sek., p = 0,026). Die WK unterscheiden sich nicht. Beim Fechtsprint (3 Meter: ♀: 1,34 ± 0,14 Sek. (Sekunden); ♂: 1,14 ± 0,10 Sek.) zeigt sich rückwärts ein Unterschied der WK (p = 0,012) sowie von BK und LK (p = 0,021). Mit dem Kader steigt die Schnelligkeit stetig (Rho = 0,529, p < 0,01). Auch die Ausdauerleistung steigt mit der Kaderklasse (Rho = 0,418; p = 0,024), doch ohne Klassenunterschiede. Die Säbelfechter zeigen signifikant geringere Sprungkraft (41,6 ± 1,6 cm; p = 0,049), Kraftausdauer (2,78 ± 0,22 Sek.; p = 0,011) und Schnelligkeit (1,20 ± 0,11 Sek.; p ≤ 0,002). Post-interventionell zeigt die Leistungsdiagnostik eine signifikant Kraft- (p = 0,003), Kraftausdauer- (p = 0,014) und Schnelligkeitssteigerung (p < 0,001). Die Methoden eignen sich zur Erfassung der fechtspezifischen Kondition. Die erhobenen Parameter beschreiben zuverlässig leistungsrelevante Faktoren, mit unterschiedlich starkem Einfluss auf die Fechtleistung. Auch trainingsbedingte Veränderungen lassen sich mit der vorgestellten Diagnostik erfassen. Die Waffen zeigen dabei differierende Ergebnisse. Bei der Sprungkraft zeigten sich keine Klassenunterschiede (Kader- und WK) oder Korrelation mit der WRL. Die insgesamt deutlich gesteigerte Sprungkraft im interdisziplinären Vergleich zeigt aber die große Bedeutung als Grundlagenfähigkeit. Das Dropjump Verfahren erfasst die Reaktivkraft fechtspezifisch, wobei sich Klassenunterschiede und ein Einfluss auf die Fechtleistung zeigten. Die WRL-Korrelation zeigt, dass einen Schwellenwert besteht, dessen Überschreitung keine weitere Leistungssteigerung zulässt. Deutlicher sind die Klassenunterschiede bei der Kraftausdauer: sie stellt sich mit den Verfahren als Leistungsfaktor dar. Die Schnelligkeit, insbesondere rückwärts, stellt sich mit der Fechtsprint-Methode als wichtigster Leistungsfaktor dar. Die Ausdauer, mit einer größeren Bedeutung des aeroben Bereichs, lässt sich mit dem Stufentest erfassen, ohne jedoch Klassenunterschiede darzustellen. Nach der Intervention konnten mithilfe der Testverfahren signifikant Steigerung von Sprungkraft, Kraftausdauer und Schnelligkeit mit enormen Trainingspotential der leistungsrelevanten konditionellen Faktoren erfasst werden. Die vorgestellten Methoden eignen sich demnach zukünftige Anpassungen hin zu einem effektiven und leistungsorientierten Training zu überwachen oder die Kaderselektion und individuelle Trainingspläne zu begleiten