11 Naturschutz durch Engagement für ArtenAkademiefür Natur und Umweltdes LandesSchleswig-HolsteinAKADEMIE aktuell»Akademie aktuell« Tagungsband • Naturschutz durch Engagemnt für Arten • 2000In Zusammenarbeit mit und dem dem Ministerium für Umwelt, Landesamt für Natur Natur und Forsten des Landes und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein11T A G U N G S B A N DISSN 1431-17123Naturschutz durch Engagement für Arten4 5Naturschutz durch Engagementfür ArtenDokumentation des Naturschutztages Schleswig-Holsteinvom 14. Oktober 2000 in RendsburgDokumentation des »Naturschutztages Schleswig-Holstein« vom 14. Oktober 2000 inRendsburg zum Thema »Naturschutz durch Engagement für Arten«. Die Veranstaltung fandin Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des LandesSchleswig-Holstein und dem Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein statt.© Akademie für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein (Umweltakademie)im Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten des LandesSchleswig-Holstein, Carlstraße 169, 24537 Neumünster, Tel. 0 43 21 / 90 71-0Alle Rechte vorbehalten, auch die des teilweisen Abdrucks. Fotomechanische Wiedergabenur mit Genehmigung der Herausgeberin.Herausgeberin: Akademie für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein(Umweltakademie) im Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt,Natur und Forsten des Landes Schleswig-HolsteinTitelfoto: Natur- und Umweltschutzzentrum Hohner SeeRedaktion: Dr. Christiane SalzbrennerSatz & Produktion: xnms - Michael SchaarschmidtHerstellung: Hansadruck, KielISSN: 1431-171220016 7InhaltVorwort ___________________________________________________ 9Jürgen Blucha, Akademie für Natur und Umwelt1 Naturschutz durch Engagement für Arten ________________________ 10Jürgen Blucha, Akademie für Natur und Umwelt2 Stellenwert des Artenschutzes ________________________________ 15Klaus Müller, Minister für Umwelt, Natur und Forsten des LandesSchleswig-Holstein3 Engagement für Arten – Entwicklung in Schleswig-Holstein ________ 23Dr. Arnd Rüger, Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten desLandes Schleswig-Holstein4 Artenschutz als aktuelles Naturschutz-Ziel _______________________ 30Prof. Dr. Gerd Müller Motzfeld, Ernst-Moritz-Arndt-UniversitätGreifswald, Zoologisches Institut5 Arbeitsgruppen ____________________________________________ 51Arbeitsgruppe 1: Tu was! - Artenschutz in der Umweltbildung ________ 52Wege zur Mitwirkung im Artenschutz ________________________ 52Martin Lindner-Effland, Universität Flensburg,Institut für Biologie und ihre DidaktikArbeitsgruppenergebnisse _________________________________ 55Reinhard von Gehren, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutsch-land (BUND) Landesverband Schleswig-HolsteinArbeitgruppe 2: Neue Schwerpunkte im Artenschutz ______________ 72Brauchen wir neue Prioritäten im Artenschutz? _______________ 72Dr. Wilfried Knief, Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinArbeitsgruppenergebnisse _________________________________ 82Hermann Schultz, Naturschutzbund Deutschland (NABU)Landesverband Schleswig-HolsteinArbeitsgruppe 3: Spezielle Artenkenntnis –Grundlage für den Artenschutz _______________________________ 82Arbeitsgruppenergebnisse _________________________________ 82Dr. Henning Thiessen, Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinArbeitsgruppe 4: Monitoring und Datenbanken ___________________ 92Moderne Datenbanken – Verfügbarkeit biologischerDaten für Politik, Planung und Verwaltung ___________________ 92Arne Drews, Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinArbeitsgruppenergebnisse _________________________________ 94Thomas Gall, Ministerium für Umwelt, Natur und Forstendes Landes Schleswig-HolsteinArbeitsgruppe 5: Neozoen und Neophythen ____________________ 102Neophyten, Neozoen und Neomyceten -eine Gefahr für die heimische Flora und Fauna? _____________ 102Dr. Lars Neugeborn, Institut für Angewandte Botanikder Universität HamburgArbeitsgruppenergebnisse ________________________________ 122Heinz-Dieter Gröning, Landesjagdverband Schleswig-HolsteinArbeitsgruppe 6: Ethische Verantwortung für Arten ______________ 132Gespräch mit dem Drontevogel –Probleme der Philosophie im Umgang mit dem Artenschutz ___ 132Klaus Wöhler, Lehrbeauftragter am Ökologiezentrumder Universität KielArbeitsgruppenergebnisse ________________________________ 140Dr. Jürgen Eigner, Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-Holstein8 9VorwortMit dem Artenschutz hat im Naturschutz vieles angefangen. Durch dasEngagement für einzelne Tier- und Pflanzenarten wurde der Natur-schutzgedanke schon frühzeitig in die Bevölkerung hineingetragen undist dort auf breite Akzeptanz gestoßen. Dadurch wurde die Bereitschaftgeweckt, sich auch mit anderen Naturschutzthemen zu beschäftigen.Otter, Storch, Fledermäuse, Seehund, Wale sind die absoluten Sympa-thieträger des Naturschutzes. Sind diese Arten in schützenswertenGebieten vorhanden, ist es einfacher einen Sponsor für Naturschutz-maßnahmen zu gewinnen.Mit dem Naturschutztag 2000 wurde die Bedeutung des Artenschutzesfür den Naturschutz herausgestellt. So sind die kontinuierliche Beob-achtung und Beurteilung von Arten als Indikatoren für den Zustandunserer belebten Umwelt als Basis der Naturschutzarbeit außerordent-lich wichtig. Die Bedeutung liegt aber auch darin, dass viele MenschenFreude an der Beschäftigung mit und der Sammlung von Tieren undPflanzen haben und ohne dies ganz spezielle private Engagement derNaturschutz um vieles ärmer wäre.Dieser Aspekt des Engagements für Arten war auf dem Naturschutztagauch ganz sinnlich wahrzunehmen. 50 Institutionen und Artenschutz-projekte stellten in einer Posterpräsentation ihre Aktivitäten anschau-lich dar. Die Vielfalt des Engagements war beeindruckend und machteHoffnung für das gemeinsame Ziel: die Erhaltung der biologischenVielfalt.Der Naturschutztag 2000, dessen Ergebnisse in diesem Tagungsbanddokumentiert werden, war somit auch ein Anlass, das ehrenamtlicheEngagement der Artenschützerinnen- und -schützer angemessen zuwürdigen und sich der hohen fachlichen Qualität der Arbeiten zuvergewissern. Ich hoffe, dass dieser Tagungsband auch davon etwasvermittelt und so zur Motivation zum Engagement für Arten beiträgt.Jürgen BluchaAkademie für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinVorwort6 Resümee und Ausblick... ____________________________________ 149Prof. Dr. Willfried Janßen, Landesnaturschutzbeauftragter7 Auswertung der Beurteilungsbögender Naturschutztage Schleswig-Holstein 2000 ____________________ 157Heike Rotermund, Akademie für Natur und UmweltTeilnehmerinnen und Teilnehmer _____________________________ 161Auf dem Naturschutztag 2000 präsententierten sich eine Vielzahl von Arten-schutzprojekten in Form einer Posterausstellung. Um einen Eindruck der großenVielfalt dieser Arbeit zu geben, dokumentieren wir diese in Form von Fotos inKapitel 5.10 11Jürgen BluchaNaturschutz durch Engagementfür ArtenBegrüßung zum siebten Schleswig-HolsteinischenNaturschutztag1Kapitel 1 - Begrüßung durch den Leiter der Akademie für Natur und UmweltSehr geehrter Herr Minister Müller,sehr geehrte Damen und Herren!Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu den siebten Schleswig-Holstein-ischen Naturschutztagen.»Naturschutz durch Engagement für Arten« lautet das diesjährigeThema. Die Vielfalt dieses Engagements kommt schon in diesem Raumdurch die präsentierten Projekte und Initiativen zum Ausdruck. Ichhoffe, dass diese Vielfalt auch zu einem regen Austausch und zulebendigen Diskussionen in den Arbeitsgruppen und während derInfobörse beitragen wird.Ich freue mich sehr, unter den Teilnehmerinnen und TeilnehmernFrau Ulrike Mehl von der SPD, Mitglied des Deutschen Bundestages unddie Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Frau HerlichMarie Todsen-Reese von der CDU, Frau Dr. Christel Happach-Kasanvon der FDP, Herrn Konrad Nabel von der SPD und Herrn Karl-MartinHentschel von Bündnis 90/Die Grünen begrüßen zu können.Ganz besonders begrüße ich unseren Gast aus Mecklenburg-Vorpom-mern, Prof. Dr. Gerd Müller-Motzfeld von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, der heute Vormittag den Fachvortrag »Arten-schutz als aktuelles Naturschutz-Ziel« halten wird.»Naturschutz durch Engagement für Arten« ist kein verstaubtes, anti-quiertes Thema, sondern ganz brisant und relevant. Fritz Vorholt vonder Wochenzeitung »Die Zeit« hat dies in einem Artikel vom 14.September unter der Überschrift »Fataler Triumph« treffend so formu-liert: »Doch während die Gentechnik fast täglich neue Schlagzeilenproduziert, droht der noch jungen Branche der Rohstoff auszugehen.Mit atemberaubender Geschwindigkeit verflüchtigt sich das Material,aus dem die Geningenieure Neues basteln könnten: Pflanzen undTiere.«Sollen wir also Artenschutz aus reinen Nützlichkeitserwägungen betrei-ben?Die Frage nach dem Sinn von Artenschutz ist jedoch wesentlich viel-schichtiger. Müssen wir den sibirischen Tiger schützen, ist er ökologischunverzichtbar? Ist der Orang Utan wertvoller als eine ebenso vomAussterben bedrohte Haustierrasse? Schützen wir bestimmte Arten,weil sie sich besser als Flaggschiffe in Kampagnen vermarkten lassen alsandere? Wovon lassen wir uns im Artenschutz leiten: von ökologischenNotwendigkeiten, ökonomischen Zwängen, von der Verantwortunggegenüber der Mitwelt, von unseren ästhetischen Empfindungen? DiesAustausch und Diskussionin Arbeitsgruppen undInfobörseGästeNaturschutz für Arten istkein verstaubtes,antiquiertes ThemaDie Frage nach dem Sinnvon Artenschutz istvielschichtigJürgen Blucha,Akademie für Natur undUmwelt des LandesSchleswig-Holstein12 13sind Fragen, denen wir uns heute in den Vorträgen und in denArbeitsgruppen vertieft stellen können. Und auch hier gilt, je intensiverwir unsere Motive reflektieren, erkennen und akzeptieren, umso besserkönnen wir öffentlich dafür eintreten und uns zielgerichtet engagieren.Ich bin gespannt auf die Ergebnisse, die wir heute Abend zusammentra-gen werden.Diejenigen, die die Naturschutztage seit Jahren begleiten, werdenfestgestellt haben, dass wir die Konzeption in diesem Jahr veränderthaben. Wir hatten im Arbeitskreis »Naturschutztage«, der diese zentra-le Veranstaltung des Naturschutzes in Schleswig-Holstein vorbereitet,den Eindruck, dass wir die ehrenamtlich im Naturschutz Tätigen immerweniger erreichen. Wir haben darauf mit organisatorischen Änderun-gen reagiert. Die Tagung wurde als ganztägige Veranstaltung an einemSamstag konzipiert und nicht wie bisher als zweitägige Veranstaltung amFreitag und Samstag. Die Ehrenamtlichen sollten dadurch nicht zuvielihrer Freizeit und nicht auch noch einen Urlaubstag investieren müssen.Auch die Auswahl des Themas hat vor dem Hintergrund dieser Über-legungen eine Rolle gespielt. Der Artenschutz ist geprägt durch vielehrenamtliches Engagement. Insofern erhofften wir uns auch eineentsprechende Resonanz auf diese Tagung aus dem Kreis der ehren-amtlichen Naturschützerinnen und Naturschützer.Wir werden im Arbeitskreis »Naturschutztage« wieder eine intensiveAuswertung durchführen und unsere Rückschlüsse für die Natur-schutztage 2001 ziehen. Ich bitte Sie aber auch ganz herzlich, gerade vordem Hintergrund des soeben Geschilderten, den in Ihren Unterlagenbefindlichen Bewertungsbogen am Ende des heutigen Tages auszufül-len und uns Ihre Einschätzung mitzuteilen.Der Naturschutztag heute ist strukturell in vier Teile geteilt. HeuteVormittag hören Sie drei Vorträge. Minister Klaus Müller wird denEröffnungsvortrag zum Thema »Stellenwert des Artenschutzes«halten.Danach wird Dr. Arnd Rüger, Artenschutzreferent im Umweltministe-rium, einige wesentliche Meilensteine und bestimmende Personen desArtenschutzes in Schleswig-Holstein beschreiben, um die historischeEntwicklung aufzuzeigen.Sodann wird Prof. Müller-Motzfeld die aktuellen Herausforderungenan den Artenschutz aus seiner Sicht skizzieren. Nach jedem Vortragwerden wir einige Minuten Zeit für Rückfragen und Anmerkungen vonIhnen aus dem Plenum haben.Der zweite Teil des heutigen Tages wird die Infobörse sein. Sie haben2 ½ Stunden Zeit, sich über die Artenschutzprojekte und -Initiativen inSchleswig-Holstein zu informieren, mit den Akteuren ins Gespräch zukommen, sich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und sich an denTischen des Landesamtes für Natur und Umwelt und des Umweltminis-teriums über die Artenschutzprogramme des Landes und Fördermög-lichkeiten zu informieren.Für die Infobörse hatten wir etwa 100 Projektträger und Initiativenangeschrieben, die Hälfte präsentieren sich hier heute. Ich möchtemich ganz herzlich bei Ihnen für Ihre Mühe und die bunte Präsentationbedanken. Einladen konnten wir nur die Projekte und Initiativen, dieuns bekannt waren. Die Informationen kamen im wesentlichen aus demLandesamt und dem Umweltministerium und von den anderen Betei-ligten der Arbeitsgruppe Naturschutztage. Sollten wir Projekte undInitiativen übersehen haben, von denen Sie Kenntnis haben, dannnennen Sie uns diese bitte. Wir würden sehr gern die Liste weiterführenund aktuell halten.Um 14 Uhr wird Dr. Jürgen Eigner, Abteilungsleiter im Landesamt fürNatur und Umwelt, in den dritten Teil der Tagung einführen, indem erSie auf die Arbeitsgruppen einstimmen wird. Die Ergebnisse der Arbeits-gruppen werden ab 17.30 Uhr wieder hier im Plenum präsentiert. DiePräsentation wird von Frau Margret Brahms, Abteilungsleiterin imUmweltministerium, moderiert. Den Abschluß des offiziellen Tagungs-teiles bildet dann das Resümee von Prof. Willfried Janßen, unseremLandesnaturschutzbeauftragten.Der vierte Teil des Naturschutztages beginnt um 20.00 Uhr. Ich würdemich freuen, wenn Sie mit uns nach diesem vollen Tagungsprogrammden Tag mit Klönen, Musik und Köstlichkeiten vom Buffet, das mitProdukten aus dem ökologischen Landbau bereitet wird, ausklingenlassen.Auch hier gibt es eine kleine Änderung zu den Vorjahren. Es spielt keineBand, sondern ein Discjockey wird Musik auflegen, so dass wir mehrEinfluss auf die Lautstärke haben, was den Kontakten untereinanderhoffentlich gut tut.Bevor ich das Wort an Umweltminister Müller weitergebe, bedanke ichmich ganz herzlich bei allen Mitgliedern des Arbeitskreises »Natur-schutztage«, der diese Tagung wieder in hervorragender Kooperationvorbereitet hat. Ich möchte die Mitglieder an dieser Stelle einmalJürgen Blucha Kapitel 1 - Begrüßung durch den Leiter der Akademie für Natur und UmweltDer Artenschutz istgeprägt durch vielehrenamtliches Engage-ment.VorträgeInfobörseArbeitsgruppenAusklang der TagungMitglieder des Arbeitskrei-ses »Naturschutztage«14 15Stellenwert des ArtenschutzesEröffnungsvortrag des Ministers für Umwelt, Natur,und Forsten des Landes Schleswig-Holstein2Kapitel 2 - Stellenwert des Artenschutzesnennen, es sind: Frau Brahms, Frau Viße und Herr Dr. Rüger aus demUmweltministerium, Herr Dr. Eigner und Frau Dr. Sanders aus demLandesamt für Natur und Umwelt, Herr Prof. Janßen, Landesnatur-schutzbeauftragter, Herr Schultz und Herr Ludwichowski vom NABU,Herr von Gehren vom BUND, Herr Looft und Herr Peschken vom LNV,Herr Gröning vom Landesjagdverband, Herr Falck für die Arbeitsge-meinschaft der unteren Naturschutzbehörden und - last not least – HerrDr. Hemmerling von der Stiftung Naturschutz.Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei meinen Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern, ich nenne namentlich für alle, da sie wiederdie meiste Arbeit hatten: Heike Rotermund* und Petra Simon –herzlichen Dank für Eure engagierte Arbeit.Herr Minister Müller, nun bitte ich Sie, den Eröffnungsvortrag zuhalten.Jürgen Blucha*heute: Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein16 17Klaus Müller Kapitel 2 - Stellenwert des ArtenschutzesKlaus Müller,Minister für Umwelt, Naturund Forsten des LandesSchleswig-HolsteinDa die beiden folgenden Redner fachspezifisch über den Stellenwertdes Artenschutzes referieren werden, möchte ich mich auf die Ausrich-tung meiner Naturschutzpolitik, auf die Verknüpfung mit und Perspek-tiven für den Artenschutz konzentrieren.Das außerordentliche öffentliche Interesse an einzelnen Arten wieFledermäusen, Seehunden und Uhu ist mir in den ersten Monatenmeiner Amtszeit besonders deutlich geworden. Außerdem machte ichdie Erfahrung, dass Artenschützer oft den nötigen »Kampfgeist« mit-bringen.Seit der Rio-Konferenz und dem dort beschlossenen »Übereinkommenüber die biologische Vielfalt« hat der Artenschutz zweifellos auchinternational einen sehr viel höheren politischen Stellenwert erhalten.Die Verpflichtung, die Vielfalt innerhalb und zwischen den Arten unddie Vielfalt der Ökosysteme zu erhalten, heißt: Alle Arten einschließlichihrer Unterarten und alle naturnahen oder natürlichen Lebensräumesind zu schützen. Wesentlich bei diesem Abkommen ist auch dieVerpflichtung, die Ressourcen nur nachhaltig zu nutzen. Dabei wird dieNachhaltigkeit so definiert, dass es um eine Ressourcennutzung geht,die die biologische Vielfalt erhält.Der Artenschutz wird auch in Zukunft einen hohen Stellenwert haben.Biodiversität wird meines Erachtens nach ein zentrales Thema des 21.Jahrhunderts sein. Die technische Reinhaltung der Umwelt wird in dennächsten Jahren weiter fortschreiten: Die Wasserqualität wird verbes-sert, verschmutzte Luft gereinigt, ... All das ist reversibel – Artentod abernicht.Genau darum wird Artenschutz so ein wichtiges Thema: Weil dasArtensterben irreversible Schäden mit sich bringt und damit demNachhaltigkeitsgedanken diametral zuwiderläuft.Mir drängt sich das Bild der Arche Noah auf: Die menschliche Familiemacht sich auf dem Boot immer breiter und verhält sich so, dass immermehr Tierpaare über Bord gehen. Und es sind viele Arten dabei, vondenen wir nicht mal wissen, dass sie mit im Boot sind.Im Naturschutz geht es zentral darum, die biologische Vielfalt zuerhalten. Zu dieser Vielfalt gehört aber auch der Mensch und diese Artstellt die unterschiedlichsten und anspruchsvollsten Anforderungen anNatur und Landschaft - damit bedroht sie zweifellos die biologischeVielfalt insgesamt.Wie dieser grundsätzliche Konflikt aus meiner Sicht gemindert - nichtgelöst - werden kann, will ich kurz umreißen. Gestatten Sie mir einenRückblick auf die erfolgreiche Naturschutzarbeit der letzten Jahre. Zunennen sind hier:• Das Nationalparkgesetz wurde novelliert, was den Schutz des Wat-tenmeeres deutlich verbessert hat.• Die Benennung der NATURA 2000-Gebiete ist in Schleswig-Hol-stein mit der ersten und zweiten Tranche abgeschlossen. Damit hatSchleswig-Holstein als eines der ersten Bundesländer die überfälligeEU-Verpflichtung erfüllt.• Die Stiftung Naturschutz wurde durch Aufstockung des Grundka-pitals auf rund 20 Millionen Mark gestärkt. Die Finanzmittel für denFlächenankauf wurden wieder auf sieben bis neun Millionen Markpro Jahr stabilisiert. Mit der Stiftung Naturschutz und ihrem Besitzvon etwa 15.000 Hektar haben wir ein zentrales Umsetzungsinstru-ment des Naturschutzes in Schleswig-Holstein. Das ist im Bundesver-gleich einmalig.• Das Landschaftsprogramm wurde verabschiedet. Damit wurde derNaturschutzarbeit in Schleswig-Holstein die programmatischeGrundlage gegeben.Ich sehe im engeren Naturschutzbereich aber auch eine Reihe vonDefiziten:Wir haben zwischen 1988 und 1999 etwa 320 Millionen Mark für dieFinanzierung von Artenschutz, biotopgestaltenden Maßnahmen,Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen in Naturschutzgebieten, denVertragsnaturschutz und den Grunderwerb zu Naturschutzzweckeneingesetzt.Trotzdem wurden wir einer »Enteignungs- und Überstülpungsdiskussi-on« ausgesetzt. Andere werden bei entsprechenden Investitionsquotenpolitisch »geadelt«.Und was viel schlimmer ist: An dem Umfang der »Roten Listen dergefährdeten Tier- und Pflanzenarten« des Landes hat sich kaum etwasgeändert. Zwar gibt es eine Reihe von Arten, die durch die Nährstoff-anreicherung und von den veränderten Anbaubedingungen der Land-wirtschaft erheblich profitieren. Das sind beispielsweise die Gänsearten,das Schalenwild, Kormoran, Seeadler, Kranich und sicher auch dieWasserfledermaus. Auf der anderen Seite sehen wir, dass die Charakter-arten unserer landwirtschaftlich genutzten Landschaft enorm zurückgehen. Neben Rebhuhn, Wiesenschaumkraut, vielen Libellen- undSchmetterlingsarten ist hier neuerdings die Feldlerche zu nennen.Besonderes Interesse aneinzelnen ArtenDie Verpflichtung heißt:Alle Arten einschließlichihrer Unterarten und allenaturnahen odernatürlichen Lebensräumesind zu schützenArtenschutz wird auch inZukunft einen hohenStellenwert habenDas Bild der Arche NoahErhalt der biologischenVielfalt durch NaturschutzBeispiele für die erfolgrei-che NaturschutzarbeitDefiziteAm Umfang der »RotenListen« des Landes hatsich kaum etwas geändert18 19Es stellt sich die Frage, ob wir falsche Prioritäten gesetzt haben - oderob unsere Naturschutzinvestitionen schlicht durch den Umfang derEingriffe und die flächenhaft auftretende Immissionsbelastung negativüberkompensiert werden. Ich glaube, dass letzterer der entscheidendeGrund für die Entwicklung ist.Allerdings bin ich überzeugt, dass hinsichtlich einer ökologischen Aus-richtung der Landwirtschaft bisher viel zu wenig erreicht wurde. Wäh-rend die Landwirtschaft Luft und Wasser sukzessive weniger belastet, gibtes kaum positive Entwicklungen, wenn es um die Artenvielfalt im Agrar-bereich geht. Hier werden einzelne Artenhilfsprogramme nicht helfenkönnen. Wir müssen insgesamt die Rahmenbedingungen für die Land-wirtschaft so ändern, dass der einzelne Bauer durch seine Bewirtschaf-tung tatsächlich die frühere Vielfalt der Agrarlandschaft erhalten kann.Ein weiterer Nachholbedarf unserer Naturschutzpolitik besteht darin,die positiven Effekte unserer Förderprogramme besser darzustellen.Ich persönlich glaube, dass der diesjährige Naturschutztag zeigen kann,dass gerade in dem Bereich des Artenschutzes durch entsprechendeMaßnahmen echte Erfolge erzielt worden sind. Diese sollten wir darstel-len. Eine der Möglichkeiten wäre beispielsweise die Erstellung so ge-nannter Blauer Listen, die die Arten mit positiver Bestandsentwicklungaufzeigen und die Gründe dafür erläutern. Sie sollten das vielleichtheute Nachmittag in einer der Arbeitsgruppen diskutieren.Welche Naturschutzziele haben wir für die nächsten Jahre?Unsere Naturschutzpolitik wird nach meiner Überzeugung erfolgreichsein, wenn es uns gelingt folgende Rahmenbedingungen zu erfüllen:• Die Naturschutzpolitik muss gesellschaftlich und ökonomisch stär-ker verankert werden.Die Naturschutzpolitik muss nachprüfbarer werden und der Nutzender eingesetzten finanziellen Mittel ist besser zu belegen.Die Naturschutzpolitik muss nach einer programmatischen Phase inden nächsten Jahren intensiver in die Umsetzungsphase eintreten.Für die Umsetzung sind folgende Ziele maßgeblich:• Konsequente inhaltliche Ausgestaltung der programmatischenVorgaben, insbesondere der des Landschaftsprogramms. Hier seibeispielhaft die bessere Unterstützung und Koordinierung derArtenhilfsprogramme genannt. Auch beim Vertragsnaturschutz imAgrarbereich und im Wald, der auf den Schutz einzelner Arten-gruppen ausgerichtet ist, wollen wir neue Akzente setzen.• Inhaltliche Umsetzung der EU-Vogelschutz- und der FFH-Richtlinieund hier besonders die qualitative Verbesserung der NATURA2000-Gebiete. Auch hierbei geht es vornehmlich um den Schutz vonArten in ihren speziellen Lebensräumen.• Permanente Zielüberprüfung durch ein einfaches und möglichsteffektives biologisches Monitoring. Dieses soll zunächst in denNATURA 2000-Gebieten mit ihren speziellen Tier- und Pflanzenar-ten und charakteristischen Lebensgemeinschaften und einigenanderen Arten, für die wir besondere Verpflichtungen haben,beginnen.• Stärkere Integration der Naturschutzpolitik in andere Politikberei-che wie Landwirtschaft und Tourismuspolitik. Mit Ministerin Fran-zen habe ich beispielsweise gerade ein erstes Diskussionspapier zuden Leitlinien der ordnungsgemäßen Landwirtschaft vorgelegt.Das können wir auch erreichen, wenn wir uns mehr im Bereich derUmwelt- und Naturschutzbildung engagieren und bei der Vermitt-lung des Arten- und Biotopschutzes professioneller werden.• Verstärkte Einbeziehung örtlicher Initiativen und Ansätze in kon-krete Naturschutzprojekte. Ich denke hier beispielsweise an Natur-erlebnisräume oder das Projekt »Fledermauszentrum« in Bad Sege-berg.Welche Naturschutzschwerpunkte leiten wir aus dieser Ziel-setzung ab?Die veränderten Schwerpunkte haben eine Verschiebung bei denMaßnahmen zum Schutz von Arten und Lebensräumen zur Folge. Dieso genannten ordnungsrechtlichen Instrumente wollen wir ergänzenmit weichen Naturschutzinstrumenten. Dabei betone ich ausdrücklich,dass ich nicht daran denke, die ordnungsrechtlichen Instrumenteaufzugeben.Die neuen Naturschutzschwerpunkte sollen stärker auf Akzeptanz fürunser Naturschutzanliegen und für den Artenschutz ausgerichtet sein.Dabei werden folgende Wege beschritten:Klaus Müller Kapitel 2 - Stellenwert des ArtenschutzesNaturschutzengagementdurch negative Effekteüberkompensiert?Kaum positive Entwicklungenbei der Artenvielfalt imAgrarbereichPositive Effekte durchFörderprogramme besserdarstellenRahmenbedingungen füreine erfolgreicheNaturschutzpolitikKonsequente inhaltlicheAusgestaltung derprogrammatischen VorgabenEU-Vogelschutz-, FFH-Richtlinie, NATURA 2000-GebieteZielüberprüfung undMonitoringStärkere Integration vonNaturschutzpolitik inandere PolitikbereicheÖrtliche Initiativen undProjekteUmwelt- und Naturschutz-bildungMehr Akzeptanz fürArtenschutz20 21Freiwillige VereinbarungenBeispielhaft sei genannt, dass beabsichtigt ist, die Naturschutzgebiets-ausweisung durch so genannte freiwillige Vereinbarungen zu ergänzenoder zu ersetzen. Dies soll vor allem für die Sicherung der NATURA2000-Gebiete geschehen. Dabei werden wir uns im Rahmen des neuenFörderprogramms ZAL (Zukunft auf dem Lande) auf Verträge inGrünlandbereichen und neuerdings auch in Waldbereichen konzen-trieren. Bei all diesen Verträgen werden wir die EU-Kofinanzierungnutzen. Auch bei der Diskussion um freiwillige Vereinbarungen ist eshilfreich, die Zielsetzung unserer Bestrebung mit einzelnen Arten oderArtengruppen zu begründen.Örtliche Betreuung durch NaturschutzstationenEntscheidungen über naturschutzkonforme Maßnahmen in Natur-schutzgebieten oder auf Stiftungsflächen leiden oft darunter, dass siehäufig zu weit vom Ort des Geschehens entfernt getroffen werdenmüssen. Naturschutzstationen mit einer entsprechenden Personalaus-stattung können hier Abhilfe schaffen und so auch eine sehr viel größereAkzeptanz für Naturschutzmaßnahmen vor Ort erreichen.Ziel ist der Aufbau von fünf Naturschutzstationen in Schleswig-Holstein,die in den wichtigsten Großschutzgebieten eingerichtet werden sollen.Auch diese Großschutzgebiete zeichnen sich jeweils durch eine spezielleTier- und Pflanzenwelt aus, die bei der Vermittlung unserer Zielsetzungentsprechend herausgestellt werden muss.»Naturerleben« als tragende SäuleDie Stiftung Naturschutz hat es geschafft, ihre Leistungen in SachenNaturschutz positiver in der Öffentlichkeit darzustellen. Bei einigenihrer Großprojekte hat die Stiftung gemeinsam mit Ämtern und Ge-meinden sowie mit den örtlichen Naturschutzvereinen eine Koopera-tion erreicht.Ich denke, dass durch diese Öffnung und die »Sichtbarmachung« derschützenswerten Pflanzen und Tiere das noch bestehende Unbehagenüber den »größten Flächeneigentümer Schleswig-Holsteins« abgebautwerden kann.Das gilt auch für die Einrichtung von Naturparken und Naturerlebnis-räumen, die eine hohe Akzeptanz in der Öffentlichkeit genießen.Wie »Naturerleben« und Tourismusförderung zusammengeht, siehtman deutlich am Beispiel des NationalparkServices und des Multimars.Der NationalparkService als zentrales Instrument der Nationalparkar-beit zeigt beispielhaft, wie weit Naturschutz eine wirtschaftliche Funk-tion im Lande haben kann. Ich hoffe sehr, dass die ökonomischeTragfähigkeit dieses Konzepts dazu führen wird, ein entsprechendesOrganisationsmodell für ein Netzwerk verschiedener Umweltbildungs-einrichtungen einschließlich der Naturschutzstationen zu etablieren.Auch die Einrichtung des Multimars in Tönning ist von herausragenderBedeutung. Neben dem weiteren Ausbau dieses »Zugpferdes« ist dieStruktur der bestehenden Nationalparkzentren inhaltlich wie organi-satorisch erheblich zu verbessern. Ich sage Ihnen sicher nichts Neues,aber auch dieses populäre Nationalparkhaus lebt von der Sichtbarma-chung der Arten und ihrer Einbindung in die Lebensräume.Für mich war es sehr ermutigend, wie positiv zahllose Kinder und ganzeSchulklassen auf unser neues Walschutzgebiet im Wattenmeer reagierthaben. Dies zeigt, dass Biodiversität auch für junge Leute Lebensqua-lität bedeuten kann. In unserer Erlebnisgesellschaft steht auch dieserZugang zu den Herzen junger Menschen offen: Naturerlebnisse –wunderbare und aufregende Augenblicke beispielsweise bei der Be-obachtung von Fledermäusen, Seehunden oder Vögeln. Das kannMenschen für ein ganzes Leben prägen.Zum AbschlussDie Aufzählung der neuen Schwerpunktbildung ist sicher nicht abschlie-ßend. Ich habe dabei versucht deutlich zu machen, welche Bedeutung derArtenschutz bei der tagtäglichen Arbeit im Umweltministerium hat. DieSchwerpunkte setzen sehr stark auf Initiativen, die in der Öffentlichkeitgeboren sind oder an denen die Öffentlichkeit mitwirken soll.Eine solche Mitwirkung ist auch von Ihnen gefordert, da Sie die Spezialistenfür verschiedene Tier- und Pflanzenarten oder ihrer Lebensräume sind.Ihre ehrenamtliche Mitarbeit ist so wichtig, weil wir Ihre fachliche Hilfedringend benötigen. Wir selbst können von staatlicher Seite nur dieRahmenbedingungen für den Artenschutz schaffen. Die wesentlicheArbeit - und die Begeisterung Anderer - muss oft von Ihnen kommen. Dabeiversuchen wir, Ihre Aktivitäten, wo immer möglich, zu unterstützen.Ich möchte Ihnen allen für das enorme Engagement danken, dass Siein unterschiedlicher Weise für die Erhaltung der Arten und ihrerLebensräume in den letzten Jahrzehnten geleistet haben. Ein Teil dieserLeistungen sehen wir auf diesem Naturschutztag.Klaus Müller Kapitel 2 - Stellenwert des ArtenschutzesZielsetzungen begründenAufbau von fünfNaturschutzstationenSichtbarmachen derschützenswerten Pflanzenund TiereNaturparke undNaturerlebnisräumeNationalparkServiceNaturerlebnisse prägenMultimarDer Staat kann nur dieRahmenbedingungen fürden Artenschutz schaffen22 23Unser Handeln wird sich auch künftig auf die Pflege alter Kooperati-onsbeziehungen insbesondere mit den Naturschutzverbänden undArtenschutzspezialisten des Landes stützen. Es zielt aber auch darauf,neue Kooperationspartner wie Wasser- und Bodenverbände, Wirt-schaftsverbände und Tourismusverbände zu gewinnen.Neue Allianzen für den Artenschutz zu schmieden, wird in einigenBereichen nicht allzu schwer sein, denn es macht auch ökonomischSinn. Die Natur hat einen ungeheuren Wert, weil unendliches Wissenin ihr steckt. Biologische Vielfalt enthält für die Menschen wichtigeZukunftsoptionen und ist für sie überlebensnotwendig. Das leuchtetauch Leuten ein, die nicht ‚klassische‘ Naturliebhaber/innen sind.Heute wird beispielsweise mit Whale Watching ein Vielfaches vomWalfang erwirtschaftet. Dieser ökonomische Ansatz des Nutzens ist einerfolgreicher Weg zum Ziel: eine hohe Biodiversität zu erhalten.Natürlich bergen solche Ansätze, die am Nutzen für den Menschen, alsoausschließlich anthropozentrisch, orientiert sind, Stoff für Gegenargu-mente: Wenig possierliche Arten, Arten ohne erkennbaren Nutzen, aufdie könne man dann ja verzichten. Aber da kann man entgegenhalten:Im Sinne der Nachhaltigkeit dürfen wir kommenden Generationennicht vorweg greifen, woraus sie Nutzen oder Liebhabereien ziehenkönnen - für Tourismus, Medizin oder vielleicht pfiffige Fortbewegungs-ideen...Ein abschließender Gedanke: Pluralität, das ist ein sehr modernesSchlagwort! Wir müssen darauf achten, dass man darin nicht nur dieVielzahl an Lebensstilen in urbanen Räumen sieht! Bunt und wild, sowünschen sich viele junge Leute das Leben – achten wir darauf, dass esauch außerhalb der Städte »wild und bunt« bleibt.Die skizzierte Politikausrichtung ist langfristig angelegt und zielt insgesamtdarauf ab, die Artenvielfalt zu erhalten. Kurzfristige Erfolge werdenörtlich zu erzielen sein. Dabei wird der Umfang dieser Erfolge wesent-lich von Ihrer Mithilfe abhängen.Klaus Müller Kapitel 3 - Engagement für Arten - Entwicklung in Schleswig-HolsteinAlte und neue KooperationenBiologische Vielfalt alswichtige Zukunftsoptionenfür die MenschenIm Sinne der Nachhaltig-keit dürfen wir kommendenGenerationen nicht vorweggreifen, woraus sie Nutzenoder Liebhabereien ziehenkönnenErfolg durch MithilfeEngagement für Arten -Entwicklung in Schleswig-Holstein 324 25Ich weiß nicht, ob der Neandertaler - sofern er nach dem Rückzug desEises unser Land noch in Kleinstgruppen besiedelt hat - oder ob die zuden modernen Menschen gehörenden Rentierjäger des AhrensburgerTunneltales ein Engagement für die Erhaltung von Tieren zeigten. Fallssie dieses Engagement allerdings nicht hatten, wurden sie seinerzeittödlich bestraft. Denn mit dem Verschwinden der Arten schwand auchihre Nahrung. Ähnliche Bestrafung für die Vernichtung von Arten gibtes heute nicht mehr.Ich will mich in den wenigen Minuten dieses Einstiegsreferates jedochweniger mit Spekulationen beschäftigen, sondern mit dem, was schrift-lich überliefert ist und was ich persönlich im letzten Drittel des letztenJahrhunderts im Bereich des Artenschutzes erlebt habe. Ich trage alsoeine sehr persönliche Sicht der Dinge vor.Abgesehen von einigen mittelalterlichen oder späteren Regelungen zurNutzung und zum Schutz von Tieren beginnt die Geschichte desArtenschutzes eigentlich erst bei uns Ende des 19. Jahrhunderts. 1890gründete sich in Schleswig-Holstein der »Verein für Pflege der Natur-und Landeskunde«.Betrachtet man den ersten Band seiner Vereins-Zeitschrift »Die Hei-mat« aus dem Jahre 1891 - also in der Zeit, als der heutige Naturschutzentwickelt wurde, so erkennt man die Wurzeln des Naturschutzes.Unter den rund 80 Kurzartikeln des 1. Jahrgangs befanden sich immerhinrund 30, die sich mit Arten befassten, so z. B. über Rosen und Brombee-ren, die Einrichtung eines Aquariums, die Töpferwespe, über Reptilienund Frösche, den Durchzug der Vogelwelt und über Tiere des Watten-meeres.Auch in den »Faunistisch-ökologischen Mitteilungen«, in den »Schrif-ten des naturwissenschaftlichen Vereins«, im »Corax« und einigenanderen Zeitschriften sind die wesentlichen Arbeiten über Vorkom-men und Verbreitung von Pflanzen und Tieren in Schleswig-Holsteinseit dieser Zeit beschrieben worden.Schleswig-Holstein ist zweifellos in Deutschland ein Geburtsland derfaunistischen und ökologischen Forschung. Hier wirkte als Professorder Ökonomie und Naturwissenschaften Fabricius, der auch als derLinné der Entomologie bezeichnet wird. Als erster bezog er sich auf dieKonstruktion der Mundwerkzeuge bei Insekten, um sie in ein systema-tisches System zu bringen.Karl Möbius, als erster Direktor des Kieler Zoologischen Instituts, gilt alsBegründer der Synökologie, also der Erforschung der Tiere undPflanzen eines Lebensraumes in ihrem gegenseitigen Zusammenspielund in ihrer Abhängigkeit von der Umwelt. Er ist der Schöpfer auch desBegriffs der Biozönose, d.h. der Lebensgemeinschaft. Einer seinerSchüler, Friedrich Junge, Lehrer in Heikendorf, hat mit seinem 1885erschienenen Werk »Der Dorfteich als Lebensgemeinschaft« die Didak-tik der Ökologie begründet.Die Forschungsrichtung der Synökologie an Binnenseen wurde durchdie Arbeiten von Prof. Thienemann an der Plöner HydrobiologischenAnstalt - jetzt Max-Planck-Institut - weltweit bekannt. Auch der Begriff»Biotop« wurde in Kiel durch Prof. Dahl in der terrestrischen Biozöno-seforschung im 19. Jahrhundert entwickelt. Dabei definierte er denBiotop 1908 als »Gelände- und Gewässerart«. In Kiel entstand auch inder Mitte des 20. Jahrhunderts einer der ersten Lehrstühle für Ökolo-gie, der von Herrn Prof. Tischler erfolgreich ausgefüllt wurde. Erbefasste sich besonders intensiv mit den ökologischen Zusammenhän-gen in der Agrarlandschaft.Zweifellos muss man bei der Aufzählung dieser bedeutenden Namenauch Prof. Remane als Direktor des Lehrstuhls für Zoologie undMeereskunde in Kiel nennen. Er hat wesentlich in der faunistisch-ökologischen Arbeitsgemeinschaft mitgearbeitet und wurde weltweitberühmt durch die Entdeckung der so genannten Sandlückenfauna.Weiter sind zu nennen Prof. Fritz Heydemann, also der Vater desehemaligen Umweltministers Prof. Heydemann, der sich als Direktorder Versuchs- und Lehrwirtschaft für Gartenbau der Landwirtschafts-kammer Schleswig-Holstein einen Namen in der Entomologie machte.Den meisten von Ihnen ist daneben auch noch Prof. Emeis als langjäh-riger Landesbeauftragter für den Naturschutz bekannt. Währendseiner Professur in Flensburg veröffentlichte er zahlreiche Artikel überNaturschutz und bewirkte die Ausweisung der ersten Naturschutzge-biete im Lande.Weiterhin sind zu nennen Dr. Dietrich König von der ForschungsstelleWestküste, der später im Bereich der Abteilung Wasserwirtschaft desMinisteriums und dann im Landesamt für Wasserhaushalt und Küstenarbeitete. Erwähnt werden muss bei dieser Aufzählung auch der Ento-mologe Hans-Heinrich Weber, der 1966 aufgrund seiner Verdienste umdie Entomologie die Ehrendoktorwürde der Christian-Albrechts-Uni-versität verliehen bekam.Auch im botanischen Bereich entwickelte sich einiges in Schleswig-Holstein. So wuchs hier zu Beginn des 20.Jahrhunderts an der SchleiDr. Arnd Rüger,Ministerium für Umwelt,Natur und Forsten desLandes Schleswig-HolsteinDie Geschichte desArtenschutzes beginnt inSchleswig-Holstein Endedes 19. JahrhundertsVeröffentlichungen überPflanzen und Tiere inSchleswig-HolsteinSchleswig-Holstein als einGeburtsland derfaunistischen undökologischen ForschungBedeutende NamenErste Definition desBiotopbegriffsForschungsrichtungSynökologieArnd Rüger Kapitel 3 - Engagement für Arten - Entwicklung in Schleswig-Holstein26 27Reinhold Tüxen auf, der später maßgeblich die Entwicklung derVegetationskartierung beeinflusst und grundlegend die Pflanzengesell-schaften Norddeutschlands beschrieben hat. Diese Methodik wurdespäter von dem verdienstvollen heimischen Botaniker und Pflanzenso-ziologen Willi Christiansen in unserem Land angewandt. Christiansenhat auch 1922 die Arbeitsgemeinschaft für Floristik, heute AG Geobo-tanik, geschaffen und gab derzeit die Anregung für die Gründung derLandesstelle für Vegetationskunde.Während die meisten der genannten Persönlichkeiten sich hauptberuf-lich mit Tieren und Pflanzen und deren Lebensraum beschäftigten,verkörpert Hans-Heinrich Weber den für den Artenschutz so wichtigenTyp des »Nebenberufbiologen«. Diese Menschen, die jede Minute ihrerFreizeit für ihr Interesse an der Erforschung der Biologie oder Verbrei-tung von Pflanzen und Tierarten verwenden, verbindet eine große undintensive Begeisterung an Arten. Hierzu gehören auch viele Lehrer desLandes, die Artenkenntnisse unmittelbar vermittelten und so manches»Aktivzentrum« des Naturschutzes schafften.Ein solch wichtiges Zentrum der Artenkenntnis war auch die For-schungseinrichtung des Landesjagdverbandes »Wild, Wald und Flur«unter dem bekannten Greifvogelexperte Dr. Heinz Brüll. Seine Schulehatte ebenfalls starken Einfluss auf den Naturschutz im Lande und hatbis heute seine Spuren hinterlassen.Zu nennen sind dann aber auch die großen Naturschutzvereine »Bundfür Vogelschutz« und der »Verein Jordsand«, der schon vor fast 100Jahren Schutzgebiete erwarb oder betreute und so teilweise in letzterMinute für die Rettung der seinerzeit stark verfolgten Seevögel sorgte.In den 70er Jahren entwickelten dann die neuen Verbände »Schutzsta-tion Wattenmeer« und der »BUND« dynamische Aktivitäten undsetzten neue Akzente im Naturschutz im Lande.Von meiner Heimatstadt Stade kam ich Mitte der 60er Jahre an die Uninach Kiel und traf hier auf eine ganze Reihe von Leuten, die begeistertverschiedene Pflanzen und Tiergruppen erfassten und studierten. Ab1971 arbeitete ich dann mit vielen dieser Leute beruflich zusammen.Wie sah es damals aus?Da gab es die aktive Gruppe der Ornithologen mit bekannten Namenwie Held, von Westernhagen, G.A.J. Schmidt und den jungen Leuten,die auch heute noch leben und daher nicht genannt werden sollen. Sieveröffentlichten meistens ihre Arbeiten in der seit 1965 erscheinendenZeitschrift »CORAX«. Diese »Ornis« waren es auch, die dann bei demerstarkenden Naturschutz der 70er Jahre in vorderster Front für dieErhaltung der Natur kämpften. Das war eine Zeit, in der eine Reihe vonVogelarten gravierende Bestandsprobleme hatten und wir dachten,dass sie kaum mehr zu retten seien. Der Seeadlerbrutbestand war aufzwei Paare zusammengebrochen – die einzigen übrigens in der Bundes-republik. Der Wanderfalke war weg. Kraniche gab es nur noch inwenigen Paaren, Weißwangen und Ringelgänse waren Kostbarkeitender Westküste. Das war die Zeit, in der der Landesjagdverband auseigener Verantwortung für die durch DDT europaweit zusammenbre-chenden Greifvogelbestände eine ganzjährige Jagdruhe veranlasste.Auch in der Landschaft sah es damals bedrückend aus. Die Flurberei-nigung entleerte ganze Landstriche von heute gesetzlich geschütztenBiotopen, und die Wasserwirtschaft begradigte und verrohrte mit Hilfeder Millionenbeträge aus der Gemeinschaftsaufgabe nahezu jedesFließgewässer im Lande. Daneben trat der Küstenschutz mit moderns-ter Technik und für uns kaum zu widerlegender wissenschaftlicherBegründung an, um die größten Landgewinnungsprojekte der Ge-schichte an der Westküste durchzuführen.Diese Situation löste bei vielen Artenschützern eine gewisse Bereitschaftzum Widerstand aus, die bis in einige Büroräume der Verwaltung hineinschwappte.Inzwischen war glücklicherweise - quasi als Nachfolger für die in derNachkriegszeit gegründeten Vogelschutzwarten - eine neue Fachbe-hörde, das Landesamt für Naturschutz und Landschaftspflege, 1973 gegrün-det worden. Von hier aus wurden viele Aktivitäten zur Artenerfassung,zum Artenschutz und zum aktiven Naturschutz unterstützt oder neuentfacht.Auf Anregung des Landesamtes wurden beispielsweise mit zahlreichenHelfern in neu gegründeten Arbeitskreisen systematisch die Amphibi-en, Reptilien und Fledermäuse des Landes kartiert. Auch wurdenbeispielsweise seinerzeit rund 1.600 Fragebögen hierzu an Schulen,Kirchen und Forstdienststellen verschickt und ausgewertet. Für unsheute kaum nachvollziehbar gering war das Wissen um diese Artengrup-pen zu jener Zeit.Als vor zwei Monaten die Staatssekretärin unseres Hauses vor rundsechseinhalbtausend Zuschauern der Karl-May-Festspiele das Vorha-ben der Stadt Bad Segeberg erläuterte, hier neben der bedeutendstenFledermaushöhle ein Fledermauszentrum einzurichten, ging es mirdurch den Kopf, dass vor rund 25 Jahren unsere ersten Aktivitäten zuEntwicklung desVegetationskartierung»Nebenberufbiologen«Einrichtungen und VereineOrnithologieGründe für den Rückgangvon VogelartenGründung des Landesam-tes für Naturschutz undLandschaftspflegeVerbesserung desWissensstandsArnd Rüger Kapitel 3 - Engagement für Arten - Entwicklung in Schleswig-Holstein28 29der Erfassung von Fledermäusen auf relativ großes Unverständnis beider damaligen Ministeriumsspitze stießen. Wir mussten dieses speziellbegründen.In meiner Erinnerung waren diese Jahre eine sehr kämpferische Zeit desNaturschutzes. Die Seeadlerhorstbäume wurden mit Nato-Draht undMikrofonen gesichert, für den Weißstorch wurden in der Treene-Niederung von Pionieren Wasserlöcher gesprengt, für den Kranichwurden Drainagen und Gräben bei Nacht und Nebel verstopft und zumAnhörungsverfahren für die beiden großen EindeichungsprojekteRodenäs und Nordstrander Bucht wurden stärkere Einheiten derBereitschaftspolizei von der Landesregierung nach Husum beordert.Etwas friedlicher - aber auch nur etwas - sah es bei den botanischinteressierten Artenschützern aus. Hier agierte sehr kämpferisch derehemalige Fallschirmjäger Prof. Rabe an der Landesstelle für Vegeta-tionskunde und als Vorsitzender der AG Biobotanik. Rabe mit seinemungeheuren Wissen sah besonders scharf die sich flächendeckendabzeichnende Verarmung der Vegetation in der Landschaft des Lan-des. Verzweifelt kämpfte er gegen die großflächigen Aufforstungen derAmrumer Heidegebiete und der Zerstörung vieler »Kleinodlandschaf-ten« wie Kossautal usw.. An der Universität befand er sich dabei in guterGesellschaft von der Faunistisch-ökologischen Arbeitsgemeinschaft mitProf.Heydemann, der ebenfalls vehement beispielsweise die großenVerluste der Salzwiesen im Westküstenbereich kritisierte. Bei ihm warenauch diejenigen Artenkenner versammelt, die sich mit den Wirbellosenbefassten. Auch wenn diese in der Öffentlichkeit nicht so lautstarkwaren wie die »Ornis«, so hat doch ihre Arbeit auch den Naturschutzwesentlich nach vorne gebracht. Ich denke beispielsweise an ihrenEinfluss auf die Technik der Moorregeneration.Die Botaniker stellten zwar auch einige gefährdete und besonderspopuläre Arten wie Orchideen, Schachblume, Moltebeere und Kü-chenschelle usw. in den Vordergrund. Sie konzentrierten sich aber vonBeginn an stärker auf verschiedene gefährdete Biotoptypen. Hier sindinsbesondere die Arbeiten zum Moorschutz zu erwähnen. Verschie-denste Gruppen wie z. B. das Kuratorium unabhängige Landschaft arbei-teten aktiv und mit viel Schweiß an der Wiedervernässung und Entkus-selung der letzten Hochmoorreste. Bei diesen Arbeiten wurden undwerden heute noch wertvolle Erfahrungen hinsichtlich der Erhaltungs-möglichkeit bestimmter Arten gesammelt. Auch bei diesen Anstrengun-gen zur Erhaltung und Regenerierung von Mooren war zu erkennen,dass bestimmte Arten wie Birkhuhn, Bruchwasserläufer, Moltebeereviele Leute motivierten um aktiv mitzumachen. Die Botaniker konzen-trierten sich daneben besonders stark auf die Biotoptypen der Trocken-rasen und der Heide. Ebenfalls wurde der Knickschutz zunächst amstärksten von botanischer Seite propagiert. Erst später durch dieumfangreichen Brutvogeldichte-Kartierungen von Puchstein wurdeden Zoologen klar, dass mehr als 50 Prozent aller Vogelbruten desLandes bei uns im Knickbereich stattfinden. Ein Ergebnis, das unsseinerzeit sehr überraschte und die Bedeutung von Kleinstrukturen inder Landschaft erneut unterstreicht.Heute ist manches zur Selbstverständlichkeit im Artenschutz geworden.So zum Beispiel die Betreuung von rund 145 Naturschutzgebieten – mehrals 4/5 aller Schutzgebiete – durch 24 Vereine und Verbände. Oder diekontinuierliche Erstellung neuer Roter Listen oder deren Aktualisie-rung – zwei neue sind gerade wieder im Druck. Welch ungeheure Arbeitund welch Engagement steckt in all diesen Aktivitäten!!In diesem Zusammenhang muss auch auf das Engagement vieler Jägerund auch mancher Sportfischer hingewiesen werden. Sie nutzen zwardie Arten anders als der Naturschutz. Infolge ihres Engagementsstecken sie aber ebenfalls auch erhebliche personelle und finanzielleRessourcen in die Erhaltung dieser Tiere und in deren Lebensräume.Generell hat die intensive Beschäftigung mit einzelnen Arten bzw.Artengruppen - egal ob sie geschützt, erfasst oder genutzt wurden - ganzmaßgeblich in unserem Land zum Bewusstsein für die Gefährdung vonLebensräumen und Landschaften beigetragen. Ich persönlich fanddiese Begeisterung für Arten bei allen Menschen, die ich hierdurch traf,außerordentlich belebend - auch wenn es manchmal anstrengend war.Wir hätten ohne diese Begeisterung an Arten heute keinen National-park Wattenmeer, kein Wallnau, kein Naturschutzzentrum in Bergen-husen, keine Großschutzgebiete am Schaalsee, im Eider-Treene-Sorge-Gebiet und an der Geltinger Birk, keine europäischen Vogelschutz- undFFH- Gebiete, keine Ausgleichsregelungen, keinen § 15a und keineVerbandsklage – im übrigen auch weniger Hirsche, Seevögel, Gänse,Adler, Laubfrösche und Sumpfdotterblumen.Für all dieses Engagement und die damit zusammenhängenden Aktivi-täten danke ich Euch/ Ihnen persönlich und auch in Vertretung für dieSchleswig-Holsteinische Tier- und Pflanzenwelt. Die Begeisterung anArten hat bei vielen von Ihnen und bei mir das Leben bereichert.Kämpferische Zeit desNaturschutzesDie Botaniker konzentrier-ten sich von Beginnstärker auf gefährdeteBiotoptypenHeute ist manches zurSelbstverständlichkeit imArtenschutz geworden.Dank für das EngagementArnd Rüger Kapitel 3 - Engagement für Arten - Entwicklung in Schleswig-Holstein30 31Die Bedeutung der Arten imNaturschutz- Artenschutz als aktuelles Naturschutzziel4EinleitungAlle Lebewesen existieren als Arten. Die Art ist offenbar die Daseinsweiseder lebenden Materie (Kloss 1964). Aufgrund der enormen Vielfalt derexistierenden Arten fällt es der Wissenschaft schwer, eine entsprechendeinfache und allgemein gültige Definition zu formulieren. Als eineentscheidende Errungenschaft der Organismen muss die Bisexualitätangesehen werden, durch die eine regelmäßige Rekombination desErbgutes ermöglicht wird. Der bei weitem überwiegende Teil der heuteexistierenden Arten ist bisexuell.Definiert wird die bisexuelle Art als historische Abstammungsgemein-schaft und reale potentielle Fortpflanzungsgemeinschaft. Der entschei-dende Punkt dabei ist, dass es zwischen getrennten Arten keinenGenfluss gibt, Veränderungen der Erbinformationen können also nurinnerhalb einer Art mitgeteilt werden. Auf das Problem der Apomiktensoll hier nicht näher eingegangen werden, zumal es genügend Beispieledafür gibt (WILLMANN 1985), dass solche Sippen (z.B. im Falle vonPolyploidie) oft nur relativ kurzfristig als »Isolate« existieren und nichtAusgangspunkt für weitere Entwicklungen und damit für die Anageneseoffenbar bedeutungslos sind. Offenbar ist die Sexualität ein so bedeu-tendes Prinzip für die Fortpflanzung genetischen Materials, dass immerwieder darauf zurückgegriffen wird.Mit dem Schutz der Arten wird der Wirkungsort der Evolution ge-schützt! Der häufiger aus ethischer Sicht diskutierten Frage der Priori-tät des Individuenschutzes kann mit Argumenten, die das Leben unsselbst aufzeigt, am besten begegnet werden:• Es gibt evolutionistisch stabile »Strategien«, in deren Mittelpunktnicht der Erhalt des Individuums steht, sondern die Fortpflanzungdes genetischen Materials in einer überindividuellen Gemeinschaft(z.B. Tiersozietäten).• Es gibt Organisationsformen des Lebens, auf die der Begriff Indivi-duum, der von uns Menschen aus der eigenen anthropogenen Sichtnur zu gern auf alles andere übertragen wird, einfach nicht passt(z.B. Schwämme, Schilf u.a.).Das genetische Schutzziel liegt also irgendwo zwischen dem »Individu-um« und der »Art«.Prof. Dr. Gerd Müller-Motzfeld,Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald,Zoologisches InstitutGerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im NaturschutzAlle Lebewesen existierenals ArtenGenetisches Schutzzielirgendwo zwischen»Individuum« und »Art«Zwischen getrenntenArten kein GenflussArtenschutz schützt denWirkungsort der Evolution32 33Mit dem Artenschutz allein kann der Gen-Erosion nicht ausreichendEinhalt geboten werden, d.h. es sollten möglichst alle infraspezifischengenetischen Verschiedenheiten (z.B. Polytypismus, Polymorphismus)mit erfasst werden.Umgangssprachlich wird unter »Artenschutz« häufig der Schutz einzel-ner Individuen einer Art verstanden. Als Methode des Naturschutzeshat sich dieser »Individuenschutz« durchaus bewährt, z.B. beim Schutzextrem gefährdeter Wirbeltiere (Großwild/Vögel). So wurden erfolg-reich durch »Krankenpflege« verunfallte Tiere gerettet, Brutstättenbesonders geschützt (Horstschutz-Zonen) oder geschaffen (Nisthil-fen), in Notzeiten das Nahrungsangebot künstlich erhöht u.a. Alseinheimische Beispiele für einen erfolgreichen, auf eine einzelne Artfokussierten Naturschutz können Seeadler, Schreiadler, Elbebiber undFischotter genannt werden.ArtenschwundAus globaler Sicht werden diese Erfolge des Naturschutzes überschattetvon dem fortschreitenden Raubbau an der Natur, von Naturzerstörungin geradezu unvorstellbarem Maße. Die Ursachen sind bekannt: es istdie Intensivierung der Landnutzung, die sich aus dem derzeit vertrete-nen Hauptdogma der Wirtschaft ergibt: Wirtschaftswachstum als Ge-nerallösung aller Menschheitsprobleme (das erinnert vom Ansatz heran das sog. »Serienbrief-Gewinnspiel«). Damit verbunden ist als einenicht reparable Folge: Artenschwund!UrsachenAbb. 1: KumulativeDarstellung der Anzahlausgestorbener Vogel-Arten und –RassenAbb. 2: Darstellung derausgestorbenen Vogel-Arten und -Rassen überder Klassenmitte derangegebenen Zeiträume(seit 1800 in 40-Jahres-Etappen)In der Studie »Global 2000« wurde 1980 prognostiziert, dass bis zurJahrtausendwende 14,6 Prozent der Tierarten der Erde aussterbenwerden. Andere Forscher gingen noch weiter und waren der Meinung,dass bis zum gleichen Zeitpunkt nur noch 20 Prozent der Tierartenübrig bleiben werden.Wir haben das Jahr 2000 erreicht und zweifelsohne gibt es noch mehrals 20 Prozent der Tierarten der Erde. Kann sich die Menschheit nungemütlich zurücklegen und sagen: war ja alles nicht so schlimm? Dieüberwiegende Zahl der heute lebenden Tierarten sind Insekten. Schät-zungen der Artenzahlen in tropischen Regenwäldern reichen von 10-100 Mio. Tierarten (ERWIN 1982, 1989). Aufgrund der oft nur lokalenVerbreitung dieser Arten und des hohen Endemismus-Grades derbetreffenden Faunen ist mit dem Raubbau an tropischen Wäldern auchein Artenschwund ungeheueren Ausmaßes (36 Arten pro Stunde)verbunden. In Tabelle 1 sind dazu einige Zahlen genannt (MÜLLER-MOTZFELD 1984, 1997a).PrognosenGerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im Naturschutz34 35Dieser Zahlenpoker ist für den Naturschutz nicht so sehr hilfreich.Wenn hundert Arten vom Aussterben bedroht sind, dann lässt sich dieÖffentlichkeit alarmieren und das schlimme Geschehen mit vereinterKraft vielleicht verhindern. Bei tausend gefährdeten Arten wird dieBetroffenheit der Menschen sicherlich größer sein und die Anstrengun-gen gesteigert werden, aber bei »zig Millionen« Arten, da hofft jeder,dass irgendetwas an der Rechnung nicht stimmt. Diese Zahlen erzeugeneher Fatalismus und Ignoranz. Deshalb sollte es gut überlegt sein, solcheZahlen öffentlich zu machen, da wir die genaue Zahl der Tierarten derErde nicht kennen, und die Organismen es sich zu unserem Glück mitdem Aussterben nicht so leicht machen.Doch auch hier helfen nur Artenkenntnis und korrekte Darstellungen.Dafür ein Beispiel aus der Praxis der Wissensvermittlung. So macht einekumulative Darstellung des Artenschwunds (Abb.1) die zu vermittelndeBetroffenheit des Betrachters größer, nur darf daraus nicht auf einezunehmende Aussterberate geschlossen werden, wie das leider häufigvon nicht naturwissenschaftlich geschulten Publizisten geschieht. Eineinteressante Gegendarstellung lieferte MÜLLER (1996). Doch bei dieserDarstellung stimmen dafür die Klassenbreiten auf der x-Achse nicht, sodass der Anschein erweckt wird, als ob das Aussterben von Vögeln undSäugern exponentiell abnimmt. Eine exakte Darstellung (Abb.2) derZahlenangaben über ausgestorbene Vögel (LUTHER 1986), auf die sichnetrareiT netkesnI ereiTegirbü etarebretssuA )erhaJ02orp(.oiM90.1 623.238 )%2,67(000.062)%8,32( :%6,41 netrA234.951.oiM12.1 000.059 )%5,87(000.062)%5,12( :%6,41 netrA066.671.oiM0.03 .oiM72)%09(.oiM3)%01(%6,41:%08netrA.oiM3,4netrA.oiM42.oiM001 .oiM59 .oiM5 :%0,09 netrA.oiM09Tabelle 1Biodiversität und Aussterbe-rateBetroffenheit durchbedrohliche Zahlen?Konkrete Darstellung undArtenkenntnis sind wichtigalle diese Diagramme beziehen, zeigt, dass es eine drastische Ausrot-tungs-Phase gab und dass nun aber die Ausrottung von Vogelartenoffenbar gestoppt wurde. Leider versteht es der Naturschutz bishernicht, solch ein Ergebnis als einen großartigen Erfolg der Naturschutz-bemühungen darzustellen. Dieser Sachverhalt ist sicher nicht auf alleOrganismengruppen übertragbar und in Anbetracht der oben ge-nannten globalen Geschehnisse kann sich selbst über diesen Teilerfolgdes Naturschutzes keiner so recht freuen.Dazu kurz einige Zahlen zu den übrigen Organismenarten.Hauptmangel: Defizite in der Artenkenntnis vor allem in den Regen-waldgebieten der tropischen Region (WILSON 1992). Wenn wir so wiebisher den Kenntnisgewinn über Insektenarten voranbringen (Tabelle2), dann könnte es unter Umständen noch 10.000 Jahre dauern, bis wiralle Insekten der Erde beschrieben haben (MÜLLER-MOTZFELD 1997a).Doch selbst diese ernüchternden Zahlen führten nicht etwa zur Ver-dopplung der Forschungs-Anstrengungen, sondern eher zu solch fata-listischen Äußerungen, wie: »man muss ja nicht alle Insektenartenkennen, um diese Gebiete wirkungsvoll schützen zu können«. Mitdiesem »nicht kennen wollen« fängt es bereits schon vor unsererHaustür an.Da wird in Diplomarbeiten »nachgewiesen«, wie man auch ohneArtenkenntnis so genannte »Morphospecies«, also grob äußerlicherkenntliche Verschiedenheit, einfach zählt (VONWIL 2000), da brauchtes keiner Namen, keiner Nomenklatur, keiner Vergleichbarkeit, offen-bar zählt bzw. nummeriert jeder selbst für sich, und diesem Unfugwerden noch wissenschaftliche Türen geöffnet. Natürlich geht dasGanze nicht ohne moderne Verpackung, so etwas verbirgt sich hinter»RBA: Rapid Biodiversity Assessment«. Des weiteren werden unter demSchlagwort »Biodiversitäts-Forschung« nicht etwa primär Taxonomieund Faunistik gefördert, sondern vorrangig irgendwelche mehr oderweniger pfiffigen Hochrechnungen über bereits vorhandene Dateninitiiert, mit denen man trotz erwiesenen Kenntnismangels sich danndoch noch der realen Verteilung von Biodiversität in der Welt zu nähernhofft.Damit kommen wir zu einem wichtigen modernen Argument, daszunehmend im Zusammenhang mit Bewertungen im Naturschutzbenutzt wird, der Biodiversität.Fatalistische Äußerungen:Man muss ja nicht alleInsektenarten kennen ...Gerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im NaturschutzDefizite in der Artenkenntnis36 37Das Biodiversitäts-ArgumentAuf dem Schutz der globalen Biodiversität gründete sich eine derwichtigsten internationalen Naturschutz-Konventionen: Die Biodiver-sitäts-Konvention von Rio. Doch gleichzeitig hat kaum ein andererBegriff eine derartige Verwirrung im Naturschutz gestiftet wie dieBiodiversität. Zunächst wurde die Messbarkeit von Biodiversität ange-zweifelt, dann wurde betont, dass das Berücksichtigen von Artennatürlich schnöde »Erbsenzählerei« sei und die wahren Messzahlen derBiodiversität bei irgendwelchen neuen Hochrechnungen über »Hot-Spots« und »Biodiversitätszentren« liegen oder gar auf der Ebene derVergesellschaftung von Organismen zu suchen seien.S = c & F z (MAC ARTHUR/WILSON)Element-EbeneSystem-EbeneArten (Vergesellschaftung)(infraspez. genetische Vielfalt)territoriale Dimension:globale (chorische) Biosphäreregionale Fauna Biom (Region)topische (Landesfauna) (Landschaft) (Kreisfauna) Biogeo-Zönoseökische (Abundanz) Ökosystem——————————————————————————-Artenreichtum <============> StrukturreichtumJe mehr Elemente, je zahlreicher die Vernetzung: StabilitätJe weniger Elemente, je enger die Vernetzung: ChaosDie innerartliche genetische Diversität ist bei den verschiedenen Artenunterschiedlich groß.Sie ist für uns äußerlich sichtbar und fassbar bei polytypischen undpolymorphen Arten. Da äußerlich sichtbare morphologisch-anatomi-sche Unterschiede nicht zwangsläufig mit den wirklichen genetischenDistanzen übereinstimmen müssen, ist die wirkliche infraspezifischegenetische Vielfalt z.Z. kaum messbar. Als pragmatisches Maß für dieglobal BRD 1. Diplura Doppelschwänze 500 10 2. Protura Beintastler 250 15 3. Collembola Springschwänze 3.500 300 ? 4. Archaeognatha Felsenspringer 220 15 5. Zygentoma Silberfischchen 280 5 6. Ephemeroptera Eintagsfliegen 2.000 81 7. Odonata Libellen 4.700 80 8. Plecoptera Steinfliegen 2.000 119 9. Embioptera Tarsenspinner 220 -10. Notoptera 12 -11. Dermaptera Ohrenkriecher 1.300 712. Mantodea Fangschrecken 1.800 113. Blattaria Schaben 3.500 1514. Isoptera Termiten 2.000 -15. Ensifera Langfühlerschrecken 8.100 3516. Caelifera Kurzfühlerschrecken 7.100 4517. Phasmatodea Gespenstheuschrecken 2.500 -18. Zoraptera Bodenläuse 25 -19. Psocoptera Staubläuse 1.000 10020. Phthiraptera Läuseartige 3.700 330 ?21. Thysanoptera Fransenflügler 4.000 30022. Coleorrhyncha Mooskerfe 19 -23. Heteroptera Wanzen 40.000 80024. Homoptera Pflanzensauger 43.000 1.560 ?25. Coleoptera Käfer 350.000 6.00026. Strepsiptera Fächerflügler 400 6027. Rhaphidioptera Kamelhalsfliegen 200 1228. Planipennia Netzflügler 7.000 9529. Megaloptera Schlammfliegen 50 330. Hymenoptera Hautflügler 100.000 11.500 ?31. Trichoptera Köcherfliegen 6.000 30032. Lepidoptera Schmetterlinge 150.000 3.00033. Mecoptera Schnabelfliegen 350 1034. Siphonaptera Flöhe 1.600 7035. Diptera Zweiflügler 85.000 8.000 ?Summe 832.326 32.868 ?n. WOLTERS (1995) 950.000Neubeschreibungen pro Jahr (1978-1987) 7.222Tabelle 2:Artenzahl der Insekten derErde und der BRD(verändert nachKLAUSNITZER 1987, 1995;Werte ungewiss:(verändert nachKLAUSNITZER 1987, 1995;Werte ungewiss: ?)Der Begriff der BiodiversitätTabelle 3:Biodiversität ist messbarH = - p ln p (SHANNON/WEAVER)i ii=1s*Gerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im Naturschutz38 39Vielfalt bleibt auch hier wieder die Zahl der Taxa der Artgruppe. Überdie in jedem dieser Taxa steckende genetische Vielfalt (10-, 100-, 1000-fach) kann spekuliert werden.Die Systemebene bietet dagegen nur einen vergleichsweise geringenBeitrag zur Vielfalt. Die ganz großen ökologischen Einheiten (Biome,Ökotone) sind in der Größenordnung 101 vorhanden (WALTER & BRECKLE1991), die diese Biome aufbauenden natürlichen Geobiozönosenvielleicht in 10², (Pflanzengesellschaften in 10³). RUNGE (1994) unter-scheidet 45 Typen von Pflanzengesellschaften in Mitteleuropa, nachFUKAREK (1964) sind es »nur« 33. Auf der Ebene der Pflanzenassoziatio-nen lassen sich im gleichen Gebiet über 1000 Syntaxa (je nach Auffas-sung) sicher unterscheiden. Artenzahlen liegen hier in einer ganzanderen Größenordnung, in Deutschland (nach BINOT et al. 1998) ca.45.000 Tierarten, für ganz Mitteleuropa dürften es mehr als 60.000 sein.Dies zeigt deutlich, dass selbst in dem artenarmen Mitteleuropa auf derSystemebene deutlich geringere Vielfalt vorliegt als auf der Element-Ebene.Hier ist klar festzustellen, daß Biodiversität messbar ist (siehe Tabelle 3).Auf der System-Ebene in ökischer Dimension kann sie mit der Informa-tionsgleichung (SHANNON &. WEAVER 1949) gemessen werden, z.B. alsRelation für die Gleichverteilung von Individuen auf die Arten einesBestandes. Auf der Element-Ebene kann sie mit der MacArthur/Wilson-Gleichung gemessen werden, als Artenzahl pro Flächen- oder Raumein-heit. Besonders bei letzterem wird klar, dass dieses Maß einen klarenBezug zur Größe und zum Struktur-Reichtum von Territorien hat unddamit von der konkreten historisch-evolutiven Genese der Organismen-welt des jeweiligen Gebietes abhängt (MÜLLER-MOTZFELD 1997a, SIMON1998)Die Messbarkeit steht außer Zweifel - aber die Verwertbarkeit derMessergebnisse für den Naturschutz sollte in jedem Fall gründlichüberdacht werden. Dabei scheint allgemein die Vorstellung akzeptiertzu werden, dass »höchst mögliche Biodiversität« ein allgemein aner-kanntes Ziel des Naturschutzes sei.Genau dies ist aber zu bezweifeln. Dass es nicht Ziel des Naturschutzessein kann, auf unterster ökischer Ebene höchste Artendichten zuerzeugen und artenarme durch artenreiche Strukturen zu ersetzen,dürfte inzwischen erkannt sein. Regenmoore sind bei uns außerordent-lich artenarm, nur wenige exklusive Spezialisten unter den Organismenwaren in der Lage, sich an jene extremen Bedingungen anzupassen. DieDegradierung von Mooren (z.B. durch Düngung und Austrocknung)würde schnell zu mehr Arten auf ökischer Ebene führen und Biodiver-sität auf unterster Stufe erhöhen. Das Ergebnis wäre fatal, es käme zumVerlust exklusiver Elemente und zum Biodiversitätsverlust auf höherertopischer bzw. regionaler Ebene. Ziel kann es also nicht sein, Biodiver-sität auf kleinen Flächen durch zusammengeramschte Struktur-Vielfaltherbeizupflegen. Viel mehr sollten Naturschutzmaßnahmen an ihrerBedeutung für die Sicherung der globalen Biodiversität gemessenwerden. Dazu müssen die »Quellstrukturen« für Biodiversität erkanntwerden: exklusive Elemente / Endemiten; siehe unten: Raumbedeut-samkeit.Drei Beispiele missverstandenen Umgangs mit dem Mannigfaltigkeits-Argument (MÜLLER-MOTZFELD 1997b) sollen folgen:A. avifaunistischer Ansatz (BIRDLIFE INTERNATIONAL 1993)• Suche nach Gebieten mit hoher Endemitenzahl (EBA: EndemicBird Area)• definiert: Brutgebiete <50.000 km2 (Fläche: >Schweiz, Dänemark,Niedersachsen)• 221 EBA enthalten 2.609 Landvögel (27 Prozent aller Vogelarten)• keine EBA im Norden Eurasiens und im temperaten N-Amerika• Schlussfolgerung: gute Übereinstimmung mit Säugern, Reptilien,Amphibien!• Vögel sind »gute Anzeiger für die lebendige Vielfalt als Ganzes« !Ansatz gut - Schlußfolgerungen falsch !• Vögel: 9.672 Arten Insekten: 950. 000 Arten• Insekten mit zahlreichen endemischen Zentren auch im Nordenvon Euramerika• eher mit Verteilung von Pilzen und Pflanzen übereinstimmend alsmit Wirbeltieren.B. landwirtschaftlicher Ansatz• Einführung des Ackerbaus in Mitteleuropa führte zur Erhöhungder Biodiversität bei Gefäßpflanzen in Mitteleuropa (FUKAREK 1982),siehe dazu Abbildung 3.• Öffnung der Landschaft, Eindringen von Steppenelementen, Ein-bürgerung von Nutzpflanzen und Haustieren, Züchtung neuerRassen.MessbarkeitVerwertbarkeit derMessergebnisseZiel kann es nicht sein,Biodiversität auf kleinenFlächen durch zusammen-geramschte Struktur-Vielfalt herbeizupflegen.Gerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im NaturschutzErkennen von »Quellstruk-turen« für BiodiversitätAvifaunistischer AnsatzLandwirtschaftlicherAnsatz40 41Schlussfolgerung: Bauern sind die besten Landschaftspfleger (= Natur-schützer)• Artenreichtum ist vor allem durch Pflege erreichbar (auch im Forst !)Ansatz falsch, Schlussfolgerungen gelten allenfalls für eineniedere territoriale Stufe• außer einigen wenigen Nutzformen (viele bereits wieder vom Aus-sterben bedroht) wurde Biodiversität bisher durch den Menschennicht erhöht, sondern reduziert• bereits interglazial: »overkill«-Hypothese,später: Vernichtung von Wildtieren u. -pflanzen• (selbst der Ausgangsrassen von Haustieren: Honig-biene, Ur, Wolf, und anderer nutzbaren Organismen,wie Schildkröten, Dronten, u.a.)• »Erhöhung« der Biodiversität in ME durch Um-verteilung von Strukturen und Allerweltsarten ?Alle diese mit dem Öffnen der Landschaft durch den Ackerbaunach Mitteleuropa eindringenden Arten gab es auf der Erdebereits. Es wurde Biodiversität nur umverteilt !C. Städte als Biodiversitäts-ZentrenKonzentration von sehr unterschiedlichen Strukturen auf kleinstemRaum ergibt durch Summierung (selbst bei verarmten Strukturen)hohe Artenvielfalt. (Industriebrachen, Mülldeponien, Ruderalgesell-schaften, Gärten, Zoo u.a.)Hohe Biodiversität in der Stadt - ein Artefakt !D. Der Zoo als Naturschutzgebiet mit hoher Biodiversität ?Bisher existieren keine exklusiven urbanen Faunen-Elemente!Evolution braucht Jahrmillionen – Städte erst seit Jahrtausenden exis-tent!Städte als neuer Lebensraum – ein Anpassungspotential für die Zu-kunft!Naturschutz - quo vadis ?Wie andere Gebiete der Öffentlichkeit und Politik ist auch der Natur-schutz nicht frei vom Zwang zur ständigen Selbsterneuerung und damitmodischen Trends unterworfen.Jeder, der nicht sofort das neueste Vokabular beherrscht, wird als»Outsider« erkannt und je nach Bedarf auch gebrandmarkt.So gilt »Artenschutz« heute allgemein als etwas antiquiert, demgegenüber wird der »Biotopschutz« als moderner Naturschutzherausgestellt, mit »Arten- und Biotopschutz« wird dann der ver-meintliche Zielkonflikt umgangen. Prozessschutz und der komplexeSchutz ganzer Landschaften (samt extensiv und naturnah wirt-schaftende Menschen) folgen als noch modernere Wege. Von Au-ßenstehenden werden dabei leicht Ziel und Weg verwechselt. Nachwie vor ist es unser Ziel, möglichst alle heute auf der Erde lebendenArten für unsere Nachkommen zu erhalten. Wie ist die Schutzwür-digkeit zu erkennen? Arten entstehen und verlöschen, dies ist einganz natürlicher Prozess, insofern gibt es keine direkte, strengnaturwissenschaftliche Ableitung des Naturschutzes. Nur wenn wirMenschen uns in der Verantwortung für die mit uns die Erdebevölkernden Geschöpfe sehen und feststellen müssen, dass heuteder »Artenschwund« das 100- bis 1000-fache der natürlichen Ausster-beraten erreicht, dann werden wir dies nicht so hinnehmen wollen. Dageht offenbar vor unseren Augen und durch unser Handeln »Unersetz-liches und über Jahrmillionen Bewährtes« verloren. Von den in denAbb. 3: Veränderungen inder Zusammensetzung derFlora (Gefäßpflanzen) inMitteleuropa nachEinführung des Ackerbaus(nach Berg & Schmidt)StädteZooSelbsterneuerung undmodische TrendsArten für unsereNachkommen erhaltenGerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im NaturschutzArtenschwund42 43letzten dreihundert Jahren ausgestorbenen Wirbeltierarten kann ohneUmschweife gesagt werden, dass keine dieser Arten notwendigerweiseaussterben musste, vielmehr wurden die meisten dieser Arten völligsinnlos ausgerottet. Im Prinzip müsste es möglich sein, alle heutelebenden Arten zu erhalten. Um dies zu erreichen, genügen diedurchaus bewährten Methoden des »Individuenschutzes« oft nichtmehr, es müssen neue Wege beschritten werden. Wie erfolgreichArtenschutzprogramme und selbst der Schutz einzelner Individuensein kann, ist gerade in Mitteleuropa gut mit Beispielen bei Vögeln undSäugern belegbar (s.o.), doch für andere Organismengruppen (z.B.Insekten) müssen ganz andere Konzepte entwickelt werden.Es ist folgerichtig, die zu schützenden Arten in ihrer natürlichenUmwelt zu schützen, also die gesamte Geo-Biozönose oder komplexeLandschaften (auch Nutzungslandschaften) zu schützen. Eindurchaus gewollter, aber oft überbetonter Nebeneffekt ist damitverbunden, also die Möglichkeit, konkurrierende Zielstellungen vonArtenschutzprogrammen zu kompensieren. Dies schließt die weitge-hende Duldung solch natürlicher Prozesse (Prozessschutz) wieÜberflutung, Abtragung, Brände, Absterben u.a. mit ein. Oft wer-den diese natürlichen Ereignisse als »Störungen« und die an sieangepassten Arten als »Störenfriede« angesehen und entsprechendverteufelt. Borkenkäfer werden im Wirtschaftswald als Schädlingebehandelt, da dort das Ziel die Produktion von Holz ist, doch wiesogelten sie in der Kernzone eines Nationalparks auch als Schädlinge?Sie tun dort nur das, was ihre Funktion im Ökosystem (also ihreAufgabe und ihr Beruf) ist: Destruktion schwer abbaubarer Phyto-masse, um Nährstoffe wieder rechtzeitig ins Ökosystem zurückzu-führen. Wir müssen es lernen, hier zwischen der anthropozentri-schen (z.B. ethisch-moralischen) Wertsetzung und der ökologischenBedeutung deutlich zu differenzieren. Ähnliches gilt auch fürandere »In-Wert-Setzungen«, so etwa den hohen moralischen An-spruch, kein Tier zu töten, obwohl das »Fressen und Gefressenwer-den« ganz offensichtlich das Grundprinzip des Stoff- und Energie-stroms in Ökosystemen ist und zunächst frei von solch anthropoge-ner Wertung sein sollte. In dieses Nahrungsnetz ist der Mensch alsAllesfresser irgendwie einbezogen, es ist ökologisch unerheblich, obes darunter einzelne »reine Pflanzenfresser« gibt. Vegetarier sindalso nicht deshalb schon Naturschützer.Wer ist zu schützen und wo sollte dies geschehen ?Es ist ein Gebot der Vernunft, dass heute keine Art mehr durch unsMenschen aussterben muss. In der Verpflichtung für die kommendenGenerationen von Menschen gibt es zusätzlich noch genetische, öko-logische und ökonomische Gründe für den Schutz der Natur. Wirmüssen die heute lebenden Arten dort schützen, wo wir sie heute nochvorfinden, ob dies »natürliche«, »naturnahe« oder »Kultur«-Land-schaften sind, sollte nicht so entscheidend sein, wenn es ums Überlebengeht. Zoologische Gärten, Genbanken und Stammsammlungen solltennicht das Naturschutzziel sein, sondern das Leben in »freier Wildbahn«.Die Gefährdung ist zweifelsohne ein Kriterium, das uns erkennen lässt,welche Arten unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen, d.h. zuerstsollten wir uns um jene kümmern, von denen wir annehmen müssen,dass sie ohne unser Handeln sonst aussterben würden. Dies zu erken-nen, setzt umfangreiche Kenntnisse voraus, die nicht für alle Organis-mengruppen so ohne weiteres abrufbar vorliegen. Hier liegt das großeBetätigungsfeld der am Naturschutz orientierten Freizeitforscher, ohnederen aufopfernde und kontinuierliche Kleinarbeit moderner Natur-schutz nicht durchführbar wäre.KonsequenzenDie Frage »Wie lässt sich Biodiversität erhalten (oder lässt sie sich sogarvermehren?« ist zur Zeit nicht exakt zu beantworten, da wir nicht genauwissen, ob Biodiversität auf globaler Ebene stetig zunimmt oder ob eseine epochal definierte »Kapazitätsgrenze« gibt, wie dies von allenanderen Wachstumsprozessen, die einen sigmoiden Kurvenverlaufhaben, bekannt ist. Das Aufklären der Vorkommen und der spezifi-schen Verteilung von Arten auf der Erdoberfläche und das Erkennenvon Häufigkeits-Zentren endemischer Arten sind wichtige zu lösendeWissensfragen. Dass sich daraus zwangsläufig für den Naturschutz etwasableiten lässt, ist zu unterstellen. Keinesfalls sollte daraus abgeleitetwerden, dass man den Schutz künftig auf »Hot-Spots« oder »megadi-versity«-Regionen beschränken sollte, nach der Devise: »Wie kann manmit wenig Geld besonders viel schützen?«. Artenarme Regionen undArten mit großen Arealen sind genauso schützenswert wie lokaleEndemiten und Biodiversitäts-Zentren. Zumindest können arktischeArten nicht in tropischen »Hot-Spots« geschützt werden. InsgesamtNeue WegeArten dort schützen, wo sieheute noch zu finden sindStörungen und »Stören-friede«Differenzierung zwischenanthropozentrischen (z.B.ethisch-moralischen)Wertsetzung und derökologischen Bedeutung WissensfragenGerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im NaturschutzSchutz in natürlicherUmweltGefährdung als einSchutzkriterium44 45steigen die Artenzahlen zu den tropischen Regenwaldgebieten hingewaltig an, doch gibt es durchaus auch andere außertropische Arten-Optima und auch entsprechend gegenläufige Gradienten (SIMON 1998).Artenschutz sollte nicht (wie bisher oft) einseitig aus der Sicht derwarmblütigen Wirbeltiere definiert werden und auf die »Fregatten-funktion« einzelner Vogelarten beschränkt bleiben. Verbreitungsmus-ter von Insekten passen besser zu Gefäßpflanzen als zu Aves !Der »Biotopschutz« ist als alternative Zielstellung bei Landschaftsplan-ern sehr beliebt, hier gilt es gründlich zu bedenken, was wir eigentlichdamit meinen. Der Biotop ist definiert als die »Lebensstätte der Biozö-nose«. Was wir schützen wollen, ist doch die gesamte Lebensgemein-schaft, sicherheitshalber mit ihrem Biotop zusammen, also die sog.»Geo-Biozönose«, nicht etwa den leeren Steinhaufen, das tote StückHolz und die sterile Ackerplatte. Erst durch die Biozönose wird dochder Biotop schützenswert. Natürlich muss »Totholz« erst einmal vor-handen sein, wenn es Insekten zur Neubesiedelung dienen soll. Dochdie Gefahr lauert hier im Detail: Da werden jede Menge neue sog.»Biotope« am Reißbrett geplant, um solch einen »kleinen schäbigenModderpfuhl« auszugleichen. Wer dagegen hält und sich für den Erhaltdes Pfuhls ausspricht, der wird wirklich nicht mehr verstanden. DasNeue ist doch nicht nur mehr, sondern auch viel schöner! Da werdenalte bestehende artenreiche Biozönosen liquidiert, ohne dass dieHoffnung besteht, die damit verloren gegangenen Elemente jemalswieder im Gebiet ansiedeln zu können. Da heißt es inzwischen in dembesten internationalen Naturschutz-Instrumentarium, das wir je hat-ten, also in der FFH-Richtlinie (EWG 1992): »...zur Erhaltung dernatürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflan-zen«. Wirklich nur ein Kleinigkeit der Formulierung – oder sind wir nichtlängst dabei, die Biotope als Fetisch anzubeten? Wir meinen doch aberalle sicher die »Erhaltung der wildlebenden Tiere und Pflanzen undihrer natürlichen Lebensräume«, so wie dies in der Berner Konventionauch noch formuliert war. Das Heranorganisieren von Strukturen, also»Biotop-Vielfalt« auf kleinem Raum, erzielt oft relativ hohe Zahlenubiquitärer Arten, die Konzentration von solchen Allerweltsarten hilftuns aber nicht, die wirklich gefährdeten Arten zu schützen. Dies kannalso nicht unser Ziel sein, sondern wir müssen die Raumbedeutsamkeit(MÜLLER-MOTZFELD et al. 1987) des Vorkommens von Arten oder auchRassen und lokalen Formen erkennen, aus der sich auch Aussagen überdie Schutznotwendigkeit und die Verantwortung für den Schutz ablei-ten lassen (siehe Tab.4). Hierfür wurde ein spezielles Verfahren entwi-ckelt, dass auf der Grundlage taxonomischer, chorologischer undökologischer Kenntnisse die Raumbedeutsamkeit territorial skaliert.Dabei wird die Bedeutung der Vorkommen einer Art einmal aus derSicht für das betreffende Vorkommensgebiet bewertet, z.B. »einzigesVorkommen« im/in Kreis, Land, Staat, Europa, Welt, bzw. welcheBedeutung hat dieses Vorkommen für die Erhaltung der betreffendenArt (bzw. Rasse oder Form) im globalen Sinn. Umstritten bleibt dabeidie »kulturhistorische Bedeutsamkeit« im Sinne von URMI (1992).Voraussetzungen:taxonomisch-genetische (Variabilität, Polytypismus u.a.)Grundlagenchorologische Grundlagen (Verbreitungstyp, Arealveränderungen)ökologische Grundlagen (Habitatbindung, Bestandsentwicklung)Gefährdungsanalyse (gruppenspezifische Skalierung)(Taxon/Biozönose) ➡➡➡ Ergebnis: GefährdungsgradeSkalierung der Raumbedeutsamkeit von Vorkommenlokal z. B.: Landkreise/Regierungsbezirkelandesspezifisch Bundesland/Naturräumeregional im Sinne chorologischer Argumente(mehrere Länder)national im Sinne von ”gesamtstaatlich”international z. B.: europäischglobalweltweitBedeutsamkeit für das Territorium:Seltenheit, Exklusivität, kulturhistorische Bedeutung u.a.Bedeutsamkeit für die Erhaltung der Art:Endemit (lokale = globale Verantwortung)wesentlicher Anteil am Weltbestand (30/60 %)Bedeutsamkeit aus erkenntnistheoretischer Sicht: »Ganz besonderswertvoll sind diejenigen Gattungen, die weltweit aus einer einzigen Artbestehen«(URMI 1992)Erst durch die Biozönosewird der Biotop schützens-wert.Raumbedeutsamkeit undSchutznotwendigkeitTabelle 4:Erkennen der Raumbe-deutsamkeit (nachMÜLLER-M. / SCHMIDT /BERG 1997)Gerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im Naturschutz46 47Einen großen Fortschritt bildete die Einführung von Kriterien für dieSchutz-Verantwortlichkeit (SCHNITTLER et al. 1994) in den Roten ListenDeutschlands. Nur zu oft werden Arten hochrangig in Roten Listengeführt, deren Vorkommen in den betreffenden Gebieten außerhalbdes eigentlichen Areals der Arten liegt, so waren in den höchstenKategorien (0 und 1) der Roten Listen mitteleuropäischer Staatenzwischen 60 und 100 Prozent Vorposten- und Grenzarten vertreten(MÜLLER-MOTZFELD 1991), darunter auch ubiquitäre Arten aus benach-barten Faunengebieten, deren oft nur temporäre Vorkommen inMitteleuropa sicher nicht von besonderer Bedeutung für den Erhaltdieser Arten sein dürften. So interessant solche Vorkommen auch sind,den Naturschutz in besonderer Weise auf genau diese Vorposten zukonzentrieren, ist sicher nicht gerechtfertigt. Die Verantwortung fürden Schutz ergibt sich aber nicht nur aus den chorologischen Argumen-ten (WELK & HOFFMANN 1998), sondern sollte auch aus der Gefährdungs-ursache hergeleitet werden. So kann sich Mitteleuropa und Nordame-rika nicht aus der Verantwortung für die tropischen Regenwälderherausstehlen, nur weil diese nicht auf dem Territorium dieser Staatenliegen. Die Verpflichtung der Europäer und Amerikaner für den Schutzder tropischen Regenwälder ergibt sich aus dem durch diese »Wohl-standsnationen« dort verursachten Raubbau, dies sollte nicht mit der»Biodiversitäts«-Problematik verbrämt werden!In Mitteleuropa ist die Artenzahl gering, der Endemismusgrad gehtzumindest im norddeutschen Tiefland entschieden gegen Null, wirkönnen eigentlich nicht all zuviel falsch machen. Es wird dabei verkannt,dass es doch eine ganze Reihe zentraleuropäischer endemischer Artengibt, die in Mitteleuropa eine relativ weite Verbreitung besitzen undmeist auch noch relativ häufig sind, so dass wir momentan keineGefährdung feststellen können. Genau diese Arten müssen wir aber imAuge behalten, damit sie nicht in Gefahr geraten. Diese Arten könnennur hier bei uns geschützt werden, für diese Arten haben wir höchste(globale) Verantwortung.Werden wir dem auch wirklich gerecht? Wo gibt es ein gezieltesnaturschutzrelevantes Monitoring für Wirbellose? Wo gibt es Ansätzefür ein Biozönose-Monitoring?Es ist schon gut, daß die FFH-Richtlinie die Länder zwingt, zumindest für dieFFH-Arten und -Habitate solche Monitoring-Programme zu entwickeln.Eine am Naturschutz orientierte »ökologische Umweltbeobachtung«wird ja zunehmend in den Ländergesetzen verankert, so z.B. im neuenLandesnaturschutzgesetz von Mecklenburg-Vorpommern. Unter derLeitung des Bundesamtes für Naturschutz wirkt ein Arbeitskreis an derErarbeitung von Fachkonzeptionen für dieses Naturschutz-Monito-ring, und doch gewinnt man den Eindruck, dass hier vieles parallel unddoppelt erfunden wird (FFH-Aktivitäten, Hundert-Arten-Korb, Bun-desweite Flächen-Stichprobe, Umweltbeobachtungs- und Monitoring-Konzeptionen). Unbestritten ist die Bedeutung, die der ökologischenDauerbeobachtung für den Natur- und Umweltschutz zukommt (DRÖSCH-MEISTER & GRUTTKE 1998). Doch hier liegen große Reserven bei derPlanung und Realisierung länderübergreifender gemeinsamer Aktivi-täten, so hat Verfasser schon mehrfach vergeblich den Versuch unter-nommen, eine Kartierung exklusiver Salzkäfer der Ost- und Nordsee-küsten zu initiieren. Diese Arbeiten wurden von den »Biodiversitäts-Geldgebern« bisher immer als nicht zielführend (sprich zu simpel)angesehen. Wir wissen zwar bisher immer noch nicht, wo diese Artennoch an unseren Küsten vorkommen, und dies bekommt man nun auchwirklich nicht durch Computer-Hochrechnung von Bodenwerten undVegetationsprofil heraus, doch für letzteres würde sicher Geld ausge-geben werden, und wir könnten dann in schönen bunten Bildernunsere Unkenntnis erkennen.Wenn man dem so genannten »modernen Naturschutz« ein »Bösach-ten« ausstellen sollte, dann könnte es vielleicht so ausfallen:Bösachten zum sog. »Modernen Naturschutz«• Grundsätze: Organismen stören, besonders Wirbellose Biotop-Pflege ist uns teuer (sehr !)• die wahren Naturschützer sind Bauern, Förster, Meliorierer, Ang-ler, Imker u.a., diese müssen demzufolge mit Naturschutzmittelnunterstützt werden• alle anderen sind Grüne Spinner - die haben ja Umwelt zum Hobby !Es ist außerordentlich erfreulich zu sehen, dass es Ausnahmen gibt, wiehier in Schleswig-Holstein, wo sich staatlicher und ehrenamtlicherNaturschutz zu dem gemeinsamen Ziel »Artenschutz« bekannt und dieszum Hauptthema ihres Naturschutztages gemacht haben.Allein schon die Fülle der anhand von Postern vorgestellten Aktivitätenlässt erkennen, dass Sie hier auf einem guten Wege sind. Dazu kann ichIhnen allen nur gratulieren und der Tagung einen guten Verlaufwünschen.Rote ListenArten, die nicht gefährdetsind, im Auge behaltenMonitoring-ProgrammeGerd Müller-Motzfeld Kapitel 4 - Die Bedeutung der Arten im Naturschutz48 49Liter aturBINOT, M. ; BLESS, R.; BOYE, P.; GRUTTKE, H.; PRETSCHER, P. (1998): Grund-lagen und Bilanzen der Roten Liste gefährdeter Tiere Deutsch-lands. In: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. Schriften-R. Landschaftspfl. u. Natursch. 55, 9-32.BIRDLIFE INTERNATIONAL (1993): Die Vielfalt des Lebendigen auf die Kartebannen: die Vorzugsflächen für weltweiten Schutz. Ber. zumVogelschutz 31.DRÖSCHMEISTER, R.; GRUTTKE, H. (1998): Die Bedeutung ökologischerLangzeitforschung für den Naturschutz. Schr.-R. Landschafts-pfl. u. Natursch. 58, 435 S.ERWIN, T. L. (1982): Tropical forests: Their richness in Coleoptera andother arthropod species. Coleopt. Bull. 36, 74-75.ERWIN, T. L. (1988): The tropical forest canopy: the heart of bioticdiversity. 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In: ARA (Hrsg.): Lebenund leben lassen. ökozid 10, 11-39.Gerd Müller-Motzfeld Kapitel 5 - ArbeitsgruppenArbeitsgruppen 552 53Arbeitsgruppe 1: Tu was! - Artenschutz in der UmweltbildungWege zur Mitwirkung im ArtenschutzWissen Sie noch, wie Sie zum Naturschutz gekommen sind? Wofür alsKind Ihr Herz brannte, wenn Sie draußen unterwegs waren, am Tümpel,im Moor oder im Wald? Es waren doch die versteckten, selten zubeobachtenden Tiere, vielleicht auch Pflanzen oder seltsame Land-schaften wie Moore, Bruchwälder oder Schilfröhrichte, die geheimnis-voll die Entdeckerlust weckten. Oder die Schönheit von Schmetterlin-gen, der Ruf eines schillernden Vogels, das Rascheln von Eidechsen oderSchlangen.Umweltbildung kann - und das nicht nur für Kinder - mit dem Bezug zubestimmten, berühmten Arten mitreißend sein, herausfordern undbegeistern. Auch Tiere, die gar nicht niedlich sind, wie beispielsweiseKröten, können zu langen und anstrengenden Aktionen herausfor-dern: Da opfert man seine Freizeit für den Bau eines Krötenzaunes, dasAnstauen von Mooren oder die Anlage von Teichen. Dass damit auchviele unscheinbare Tiere und die nicht so begeisternden Pflanzengeschützt werden, ist vielleicht der Haupteffekt. Eine gute Zusammen-fassung dieses Gedankens liefert Wagenschein: »Ich glaube, dass derbiologische Unterricht nie bis zur Wesensmitte des Schülers vordringenkann, wenn er nicht einen vertrauten Umgang mit einigen Wesen derungestörten Natur voraussetzt oder schafft« (WAGENSCHEIN 1961, zit.nach BERCK 1999:35). Diesem Grundsatz folgend entwickelte sich diePädagogik des Naturerlebens seit etwa 1980 (vgl. JANSSEn 1988).So wird über den Schutzgedanken für einzelne Arten, ganz nach demuralten pädagogischen Prinzip des Exemplarischen, ein tieferes Ver-ständnis für Natur und ihre Zusammenhänge angebahnt. Gelder kön-nen locker gemacht werden und auch Unbeteiligte für Naturschutz-ideen begeistert werden. Festzuhalten bleibt, dass neben dem sachli-chen Zugang zur Natur (und dem Naturschutz) auch ein emotionalerund ästhetischer Zugang wichtig ist. BÖGEHOLZ (1999) unterscheidetfolgende Dimensionen von Naturerfahrung:• Ästhetisch (Erlebnis des Naturschönen)• Erkundend (Erkunden von Tieren und Pflanzen)• Instrumentell (Versorgen und Verwerten von Tieren und Pflanzen)• Ökologisch (Schützen von Arten und Biotopen, ökologische Unter-suchungen)• Sozial (Pflege oder besondere Beziehung zu einem Tier)Dass diese Naturzugänge nicht automatisch zu einem tieferen Verständ-nis führen, wird allerdings ebenfalls durch Untersuchungen belegt(FISCHER 1995, zit. nach BERCK 1999:18). In den USA wurde beispielsweisefestgestellt, dass die prinzipiell positive Einstellung gegenüber Tieren,auch Wildtieren, umso undifferenzierter positiv ist, wie das Wissenweniger wird. Überdies darf keineswegs der Eindruck entstehen, dassTierliebe zur Charakterbildung wichtig sei, etwa nach Brohmer: »WerTiere liebt, kann kein schlechter Mensch sein« (BROHMER 1932, zit. nachBERCK 1999:95).Leitbild Naturforscher:Nur was man kennt, schützt man.Leitbild Naturfreund:Nur was man liebt, schützt man.Leitbild Naturschützer:Nicht reden, sondern anpacken!Leitbild Umweltschützer:Ökologische Handlungskompetenz und Umweltbewusstseinwerden am besten handelnd erworben.Martin Lindner-Effland Kapitel 5 – AG1/Wege zur Mitwirkung im ArtenschutzMartin Lindner-Effland,Universität Flensburg,Institut für Biologie undihre DidaktikErleben1HandelnUmwelthandeln3Verstehen2UmweltwissenNaturerfahrungDoppelter Dreischritt der UmweltbildungAbbildung 1: DoppelterDreischritt der Umweltbil-dung (Janssen, Winkel)Abbildung 2:Typisierung des Naturzu-ganges von Personen(Stein 1994, zit. nachBögeholz 1999), erhobenan der Analyse außerschu-lischer LernorteUmweltbildung mit demBezug zu bestimmten ArtenÜber Schutzgedanken zutieferem Verständnis fürNatur und ihre Zusammen-hängeDimensionen derNaturerfahrung54 55Arbeitsgruppe 1: Tu was! - Artenschutz in der UmweltbildungArbeitsgruppenergebnisseArbeit in der ArbeitsgruppeNach dem hoch interessanten und lebendig vorgetragenen Impulsre-ferat fand eine intensive, konzentrierte und teilweise auch stark kontro-verse Diskussion statt.Die Teilnehmer hatten überaus unterschiedliche Denkansätze, so dasses nur mühsam zum einvernehmlichen, fruchtbaren Gedankenaus-tausch kam. Schon nach kurzer Zeit konnte festgestellt werden, dass inder vorgegebenen Zeit aufgrund der unterschiedlichen Denkansätzeeinheitliche, allgemeingültige Arbeitsergebnisse nicht erreicht werdenwürden. Daher einigten sich die Teilnehmer der Arbeitsgruppe, lediglichdie Hauptaspekte der Kriterien für Artenschutz in der Umweltbildungnebeneinander zu stellen.ArbeitsergebnisseAnhand der persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer wurden dieUrsprünge umweltbewussten Verhaltens analysiert.Dazu wurde die Frage nach individuellen Schlüsselerlebnissen undprägenden Faktoren gestellt. Diese waren, nach Häufigkeit der Nen-nungen (Mehrfachnennungen waren möglich): siehe Tabelle 1.Danach ging die Arbeitsgruppe in kleinen Gesprächskreisen der Fragenach geeigneten Leittierarten in der Umweltbildung nach.Als geeignete Leittierarten wurden fast ausschließlich bedrohte oderauffällige Arten (z.B. Kranich, Weißstorch, Austernfischer, Fischotter,Schweinswale, Fledermäuse) genannt, die sich durch ein oder mehrereder folgenden Kriterien auszeichnen:• selten• geheimnisvoll• Erfolgsart im Artenschutz• Sympathieträger• hoher WiedererkennungswertReinhard von Gehren,Bund für Umwelt undNaturschutz Deutschland(BUND) LandesverbandSchleswig-HolsteinUnterschiedlicheDenkansätzeSchlüsselerlebnisseLeittierartenKapitel 5 – AG1/ ArbeitsgruppenergebnisseWie kommen Menschen zum Naturschutz? Bei der Analyse von Natur-Interessen wurde festgestellt, dass der effektivste Weg länger andauern-de Kontakte mit einer relativ ursprünglichen Natur ist. Weiterhinwirksam sind die Pflege von Tieren, aber auch Filme und Bücher,während übrigens der Biologieunterricht kaum positive Auswirkungenhat (BERCK 1999: 100). Viel weniger wirksam - und zwar empirischbelegbar nur etwa halb so effektiv wie eine positive Naturerfahrung - istdie »kognitiv verkopfte Katastrophenpädagogik« (LOB 1997, zit. nachBÖGEHOLZ 1999), die ihre Motivation aus der nach Umweltkatastrophenspürbaren Bedrohung zieht. Dass diese Bedrohung allerdings auchpositiv genutzt werden kann, zeigt das Beispiel des Robbensterbens.Ein weiterer Aspekt ist nicht zu unterschätzen: in der Freizeitgesellschaftist auch der Artenschutz nur eine unter vielen Freizeitbeschäftigungen.Diesbezüglich verwöhnten Menschen müssen Naturerlebnis-ZentrenEiniges bieten, um für Arten zu begeistern und das Faszinierende vonTieren oder Pflanzen zu zeigen. Somit treten wir in Konkurrenz zuanderen Freizeitbeschäftigungen, können aber über den Sinn derTätigkeit einen höheren ethischen Wert anbieten.Wir wollen uns in dieser Arbeitsgruppe zunächst fragen, welchen Naturzu-gang wir selbst erlebt haben. Dann sollen Beispiele dafür gefunden werden,wie Artenschutz in unserem Arbeitsbereich genutzt werden kann, um eintieferes und nachhaltiges Verständnis für den Naturschutz in verschiede-nen Teilen der Bevölkerung zu wecken. Dabei sollten wir nicht nur die leichtzu begeisternden Kinder im Visier haben. Interessant wären als Zielgruppeauch Manager, Verantwortliche in Politik und Verwaltung und einflussrei-che Privatleute. Seltene Tiere als Wappentiere sind seit alters her bekannt- warum nicht auch als Wappentier für Firmen oder Institutionen?LiteraturBERCK, K.-H. (1999): Biologiedidaktik. Grundlagen und Methoden. UTBQuelle und Meyer, Wiebelsheim, 272 S.BÖGEHOLZ, S. (1999): Qualitäten primärer Naturerfahrung und ihr Zusam-menhang mit Umweltwissen und Umwelthandeln. Schr.R. Ökologieund Erz.Wissensch., Bd. 5, Leske und Budrich, Opladen, 237 S.JANSSEN, W. (1988): Naturerleben. Basisartikel in der Zeitschrift Unter-richt Biologie Heft 137, Velber Verlag, Seelze, 50. S.Martin Lindner-EfflandLänger dauernder Kontaktmit der Natur, Pflege vonTieren; Filme und BücherKonkurrenz zu anderenFreizezeitbeschäftigungenZielgruppen56 57• exemplarisch für Lebensräume (seltene, bedrohte oder schützens-werte Lebensräume)Es wurde herausgearbeitet, dass die Kriterien der oben aufgeführtenLeittierarten überwiegend in der Umweltbildung für Erwachsene oderJugendliche relevant sind. Bei der Umweltbildung für Kinder hingegenspielen Leitarten mit den oben genannten Charakteristika nur eineuntergeordnete Rolle. Hier sind ganz andere Kriterien gefragt:• Verfügbarkeit (nicht zu selten)• Sichtbarkeit (ohne technische Hilfsmittel)• beeindruckend (spezielles Aussehen oder Lebensweise, z.B. Amei-sen)• Action (»begreifen, fassen, fühlen«, die Emotionalität soll gewecktwerden)• hoher WiedererkennungswertAus diesen Ergebnissen der Arbeitsgruppe wird deutlich, dass dieunterschiedlichen Zielgruppen bei der Umweltarbeit überaus wichtigund bestimmend für den Ansatz sind.Bei der Umweltbildung für Kinder soll der emotionale Bezug zur Naturgeweckt werden, daher wirkt sich hier Umweltbildung am nachhaltigs-ten aus. Das Ansprechen aller Sinne erfolgt am einfachsten durch»Allerweltsarten«, damit die gemachten Erfahrungen auch alleine»nacherlebt« werden können.Die Umweltbildung für Erwachsene ist zweckbezogener. Sie richtet sicheher an besonderen, situationsabhängigen Arten aus und verfolgthäufig ein bestimmtes Ziel (z.B. Erhalt eines bestimmten Biotops durchSchutz einer konkreten, darin lebenden Tier- oder Pflanzenart).Zusammenfassung der herausgearbeiteten Hauptaspekte fürUmweltbildung• Für effektive, nachhaltige Umweltpädagogik muss die Zielgruppeklar sein.• Am nachhaltigsten ist die Arbeit mit Kindern.• Echter Artenschutz ist nur etwas für einen »harten Kern«. Es gibtviele, die nur mal »reinschnuppern«.• Frage nach der Zielsetzung des Artenschutzes: Nicht alle sollenArtenschutz betreiben, aber alle sollen sich im eigenen UmfeldReinhard von Gehren Kapitel 5 – AG1/ ArbeitsgruppenergebnissenerotkaFednegärpdnuessinbelrelessülhcSelleudividni lhaznAnretlE 9kitehtsÄ 9nednukrE 8netlahereiT 4tsetorP)treivitomhcsitilophcua( 4nlemmaS 4essezorpneppurG 2gnuztuN)nemuäbtsbOnov.B.z( 1ztasnArelanoitomE 1Tabelle 1:SchlüsselerlebnisseFür Kinder: EmotionalerBezug zur NaturFür Erwachsene:zweckbezogeneUmweltbildungHauptaspekteumweltbewusster verhalten (z.B. unterlassen von negativen Hand-lungen). Das Bewusstsein soll initiiert werden.• Der Entscheidungsträger effektiver Umweltarbeit ist die Zielgrup-pe. Die Werte für die Entscheidung kommen aus der Ethik.• Wie sind Leitarten konkret nutzbar, um das angestrebte Ziel zuerreichen? Eine Möglichkeit ist das Erzählen von einprägsamenBesonderheiten.Abschließend kam die Arbeitsgruppe darin überein, dass das ThemaArtenschutz in der Umweltbildung in der zur Verfügung stehenden Zeitnur ansatzweise erarbeitet werden konnte. Es wurde vorgeschlagen, dieThematik z.B. im Rahmen eines Seminars erneut aufzugreifen und nochintensiver zu diskutieren.58 59Die Heidelerche – Bestand und Schutz einerWärme liebenden VogelartJan J. Kieckbusch, Katrin S. RomahnProjekte der Info-BörseWTK-Artenschutzprojekt WiesenweiheHeiko Schmüser,Institut für Biogeographie der Universität des Saarlandes,Außenstelle KielProjekte der Info-Börse60 61Projekte der Info-Börse Projekte der Info-BörseWiesenvögelHeike Köster,NABU-Institut für Wiesen und FeuchtgebieteSeehundstation FriedrichskoogTanja Rosenberger,Seehundstation Friedrichskoog/LJV62 63Kleinsäugerkartierung mit Hilfe von GewöllenPeter Borkenhagen,Säugetierarbeitsgemeinschaft in der FÖÄGRastvogel-Monitoring im WattenmeerKlaus GüntherProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse64 65Weißstroch (Ciconia ciconia)Uwe Peterson,NABU Arbeitsgemeinschaft StorchenschutzProjekt »Storch 2000«Kai-Michael Thomsen,NABU-Institut für Wiesen und FeuchtgebieteProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse66 67Art, Konzentration Anteil D Rang D Bestands- Rote-Liste-isolierte Unterarten) Verbreitung an der Welt- in trend D Kategoriein Europa population Europa DRotmilan XX ca. 60 % 1. 0Sommergoldhähnchen XXX > 25 % 2. 0Sumpfmeise XXX ca. 24 % 1. 0Ringeltaube X > 20 % 2. +Girlitz X > 20 % 2. -Mittelspecht XX ca. 20 % 1. 0 VMisteldrossel XXX ca. 20 % 2. +Brandseeschwalbe XXX > 15 % 2. 0 VGrünfink X > 15 % 1. 0Heckenbraunelle XX ca. 15 % 2. ?Blaumeise XX ca. 15 % 2. 0Gartenbaumläufer XX > 12 % 3. 0Sumpfrohrsänger XXX > 10 % 2. ?Mönchsgrasmücke X > 10 % 1. +Gebirgsstelze XXX ca. 10 % 2. 0Uferschnepfe XXX < 10 % 3. - 2Grünspecht XXX < 10 % 3. -Höckerschwan XXX ca. 8 % 4. 0Teichrohrsänger XX ca. 5 % 3. -Heringsmöwe XXX < 5 % 9. 0Wiesenpieper XXX < 5% 9. 0Zwergtaucher XXX ca. 4 % 8. - 3Haubenmeise XXX ca. 4 % 4. 0Waldlaubsänger XXX ca. 2 % 3. 0Schreiadler XXX < 2 % 11. 0 2Kleinralle X < 1 % 11. 0 1Seggenrohrsänger XX < 1 % 7. -- 1Berglaubsänger XX < 1 % 9. -Halsbandschnäpper XXX < 1 % 9. -- 1XXX ausschließlich, XX weitestgehend, X überwiegend0 konstant, + steigend, - fallendMittelfristig deutlich zunehmend: 3 ArtenMittelfristig deutlich abnehmend: 8 ArtenArbeitsgruppe 2 – Neue Schwerpunkte im ArtenschutzBrauchen wir neue Prioritäten imArtenschutz?Es wird der Aufsatz von Martin Flade »Neue Prioritäten im deutschenVogelschutz« referiert, der in »Der Falke 45 (1998): 348-355« erschienenist.Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass »im Geist von Rio« zum Schutzund zur Erhaltung der globalen biologischen Vielfalt jeder Staat vorran-gig die Arten schützen sollte, für deren Fortbestand er die größteVerantwortung trägt. Dies sind Arten, die auf seinem Territorium dengrößten Teil oder einen Großteil ihres globalen oder kontinentalenBestandes haben. Voraussetzung für die praktische Umsetzung ist dieKenntnis der großräumigen Verbreitung und Häufigkeit der Arten. Fürdie Vogelarten Europas bietet der unlängst erschienene EBCC-Brutvo-gelatlas eine geeignete Grundlage, die Prioritäten im deutschen Vogel-schutz kritisch zu überprüfen.In dem Atlas wird auf farbigen Karten die Verbreitung fast aller inEuropa vorkommenden Brutvogelarten und deren Bestandsgröße inHäufigkeitsklassen auf Rasterfeldern von 50 x 50 km dargestellt. InBalkendiagrammen werden die Bestandsgrößen in den zehn europäi-schen Ländern angegeben, welche die jeweils größten Bestandsanteilebeherbergen, und im Begleittext wird über Weltverbreitung, Unterar-ten, Bestandsentwicklung und Gefährdung informiert.Anhand dieser Angaben hat Flade alle Arten herausgesucht, die inDeutschland regelmäßig brüten und deren Weltverbreitung auf Euro-pa beschränkt ist (»Europäische Endemiten«). Alsdann wurde ermit-telt, welchen Anteil des europäischen und damit auch des Weltbestan-des Deutschland beherbergt und welchen Rang Deutschland in Europaeinnimmt (Tab. 1).Von diesen Arten haben die meisten in Deutschland stabile oderzunehmende Bestände und nur wenige sind national bedroht. Eingleichbleibender Bestand ist allerdings auch bei (nicht wenigen) Artenangegeben, deren Bestandsentwicklung aufgrund fehlender Monito-Wilfried Knief Kapitel 5 – AG 2/Brauchen wir neue Prioritäten im Artenschutz?Dr. Wilfried Knief,Landesamt für Natur undUmwelt des LandesSchleswig-HolsteinTabelle 1:Deutsche Brutvogelarten,die in ihrer Weltverbreitungauf Europa beschränkt sind(nach Flade)Jeder Staat solltevorrangig die Artenschützen, für derenFortbestand er die größteVerantwortung trägt.EBCC-BrutvogelatlasVorkommen undBestandsgrößenDeutschland und Europa68 69Eichen- und Buchenwälder, Sumpfmeise*Parks Mittelspecht*BlaumeiseGartenbaumläufer* 31%Grünspecht*Schreiadler*Berglaubsänger*Halsbandschnäpper*Wälder allgemein Misteldrossel*RingeltaubeHeckenbraunelle* 14%MönchsgrasmückeSiedlungen, Gärten etc. Girlitz*Grünfink 7 %Röhrichte, Seggenriede, SumpfrohrsängerStaudenfluren Teichrohrsänger*Seggenrohrsänger* 14%Kleinralle*Gewässer Gebirgsstelze*Höckerschwan* 10%Zergtaucher*Gemischte Kulturlandschaft Rotmilan 3 %Nadel(Misch-)wälder Sommergoldhähnchen*Haubenmeise* 7 %Offene Moore, Uferschnepfe*Feuchtgrünland Wiesenpieper 7 %Küste Brandseeschwalbe*Heringsmöwe* 7 %Agrarlandschaft - -ringprogramme ungenügend bekannt ist. Besondere Beachtung ver-dienen auf jeden Fall Uferschnepfe, Zwergtaucher, Schreiadler, Klein-ralle, Seggenrohrsänger und Halsbandschnäpper, die in Deutschlandstark abgenommen haben und deshalb auf der nationalen Roten Listestehen. Um deren Schutz sollten wir uns ganz besonders bemühen.Wenn man diese Arten den Lebensräumen zuordnet, in denen siehauptsächlich vorkommen, zeigt sich, dass fast die Hälfte Waldvögelsind und etwa ein Drittel aller Arten ihren Vorkommensschwerpunktin Buchen- und Eichenwäldern oder Parks mit ähnlichem alten Baum-bestand haben. Eine nennenswerte Rolle spielen auch noch Röhrichteund Seggenrieder. Agrarlandschaften, Hochmoore, Gewässer undKüsten beherbergen dagegen nur wenige dieser Arten (Tab. 2).Aus globaler Sicht kommt demzufolge den Laubwäldern eine zentraleBedeutung für den Vogelschutz in Deutschland zu. Flade erklärt dasdamit, dass überall auf der Erde Primärwald-Ökosysteme für die Biodi-versität von besonderer Bedeutung sind. In Deutschland sind Rotbu-chenwälder der vorherrschende Primärwaldtyp, der einmal weite Teiledes Landes bedeckte. Die Rotbuche hat aber ein recht kleines Weltver-breitungsgebiet, das von Westeuropa über das westliche Mitteleuropabis auf den Balkan reicht. Daneben spielen in Deutschland Stiel- undTraubeneiche eine wichtige Rolle als Primärwald-Baumarten. Deshalbwundert es nicht, dass bei uns zahlreiche Vogelarten an Buchen- undEichenwälder angepasst sind und ein entsprechend kleines Verbrei-tungsgebiet haben.Die Situation der Primärwälder in Deutschland ist allerdings schlecht:Buchen- und Eichenwälder sind auf ca. acht Prozent ihres ursprüngli-chen Areals zurückgedrängt worden. Von diesen wiederum sind weni-ger als ein Prozent einer natürlichen Entwicklung überlassen, der Restunterliegt forstlichen, jagdlichen und anderen Nutzungen. Darunterkeine einzige typische Laubart!In Tabelle 3 sind einige Vogelarten aufgelistet, denen in den letztenJahrzehnten das besondere Interesse des Vogelschutzes in Deutschlandgalt. Aus globaler Sicht sind die intensiven Schutzbemühungen für denSeeadler gerechtfertigt, da Deutschland den viertgrößten Brutbestandbeherbergt. Auch der Schutz des Weißstorchs ist berechtigt, da seinBrutverbreitungsgebiet weitgehend auf Europa beschränkt ist. Schwarz-storch und Kranich sind dagegen bis nach Zentral- oder Ostasienverbreitet, das Birkhuhn sogar über die gesamte Paläarktis, und Fisch-adler und Wanderfalke sind ausgesprochene Kosmopoliten. BlaurackeWälder und Agrarland-schaftenDie zentrale Bedeutungvon LaubwäldernTabelle 2:Zuordnung von Vogelar-ten, für die Deutschlandeine wichtige Rolle alsBrutgebiet spielt, zuLandschaftstypen(Leitarten sind mit *gekennzeichnet)Rote-Liste-ArtenWilfried Knief Kapitel 5 – AG 2/Brauchen wir neue Prioritäten im Artenschutz?A 45%Die Situation derPrimärwälderInteresse an Arten in denletzten Jahrzehnten70 71und Wiedehopf erreichen in Deutschland ihre Verbreitungsgrenzeund könnten ihren Bestand ohne ständige Zuwanderung aus denVerbreitungszentren vermutlich kaum halten. Wenn die Beständedieser Arten zurückgehen, ist es durchaus legitim, dass wir uns für ihrenSchutz einsetzen, das Vorkommen in Deutschland ist für diese Artenjedoch von völlig untergeordneter Bedeutung.Wesentlich ist, dass unter den Arten, die in den letzten Jahren imBrennpunkt des Vogelschutzes in Deutschland standen, keine einzigetypische Art des Laubwaldes ist. Der Schutz der Vogelarten der Primär-wälder spielte in Deutschland in den letzten Jahrzehnten eine unterge-ordnete Rolle, obwohl Deutschland für diese Arten internationaleVerantwortung hat und trotz der schlechten Flächen- und Zustandsbi-lanz dieser Wälder. Flade kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass wir unsmit Leidenschaft der »Kür« gewidmet haben, ohne uns Gedanken überunsere »Pflicht« zu machen, und zieht folgende Schlussfolgerungen:• Rote Listen sind wichtig als Sachinformationen über die Wahr-scheinlichkeit (oder Gefahr) des Verschwindens einer Art in einemgeografischen Raum. Sie dürfen aber nicht falsch verstanden wer-den als Vorgabe von Handlungsprioritäten.• Den Arten, von denen Deutschland europaweit oder global bedeu-tende Populationsanteile beherbergt, muss mehr Aufmerksamkeitgewidmet werden. Insbesondere ist ein gutes Bestandsmonitoringfür diese Arten notwendig, um Rückgangstendenzen frühzeitigerkennen zu können.Der Schutz dieser Arten ist unsere Pflicht, der Schutz weiterer attrak-tiver oder populärer Arten die Kür.• Dem Schutz naturnaher Laubwälder, insbesondere Buchen- undEichenwälder, muss mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dieteilweise sehr aufwendigen Bemühungen zum Erhalt gepflegterOffenlandschaften müssen neu überdacht und relativiert werden.• Es wird dafür plädiert, durchaus bewusst auch einmal Arten inDeutschland verschwinden zu lassen, die sich nur mit großemAufwand (Pflegemaßnahmen) hier halten lassen, für deren BestandDeutschland aber nur eine untergeordnete Rolle spielt.Tabelle 3:Beispiel von Arten, die inDeutschland in den letztenJahrzehnten im Brenn-punkt des Naturschutzin-teresses standenWilfried Knief Kapitel 5 – AG 2/Brauchen wir neue Prioritäten im Artenschutz?Kür (und vernachlässigte)PflichtSchlussfolgerungenArt Anteil D Rand D +/- Bemerkungenan Europa in Europa auf Europa, zur Verbreitung beschr.? außerhalb Eur.Schwarzstorch < 2 % > 10. Nein bis E-Asien, SüdafrikaWeißstorch < 4 % 10. Ja auch N-/S-AfrikaSeeadler < 8 % 4. Nein bis KamschatkaFischadler < 5 % 4. Nein KosmopolitWanderfalke < 5 % 6. Nein KosmopolitBirkhuhn < 1 % > 10. Nein ges. PaläarktisKranich < 5 % 5. Nein bis ZentralasienGroßtrappe < 1 % 5. Nein Marokko bis ZentralsibirienKampfläufer < 1 % 10. Nein bis BeringstraßeBlauracke > 0,1 % > 10. Nein bis Iran/W-SibirienWiedehopf < 1 % > 10. Nein bis chin. PazifikBraunkehlchen < 1 % > 10. Nein bis Himalyadarunter keine einzige typische Laubwaldart!72 73Arbeitsgruppe 2 – Brauchen wir Prioritäten im Artenschutz?ArbeitsgruppenergebnisseDie Agenda 21 des Umweltgipfels von Rio zum Schutz und zur Erhaltungder globalen biologischen Vielfalt verpflichtet jeden Staat, vorrangigArten zu schützen, für deren Fortbestand er die größte Verantwortungträgt. Dies sind Arten, die auf seinem Territorum den größten Teil dereinen Großteil ihres globalen oder kontinantalen Bestandes haben. Diekonsequente Umsetzung dieser Forderung müsse – so der ReferentDr. Wilfried Knief, Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte Schleswig-Holstein – zwangsläufig zu einer Überprüfung und Veränderung bishe-riger Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen führen. Der Refe-rent machte dies an einigen ausgesuchten Beispielen deutlich:• Schutzbemühungen um Kranich, Schwarzstorch und Birkhuhnseien in Schleswig-Holstein eigentlich überflüssig und könnteneingestellt werden, da deren Bestand hier im Hinblick auf ihrenglobalen und territorialen Bestand keine Bedeutung haben.• Wichtig seien hingegen z.B. die Schutzbemühungen um den Rotmi-lan, der als Brutvogel hier in Deutschland ein Zentrum seinesVerbreitungsgebietes habe.• Dringend erforderlich seien auch die Einhaltung und Ausweitung derunbeweideten Salzwiesen, deren Hauptverbreitungsgebiet an derdeutschen Nordseeküste liegt. Ein Problem liege jedoch darin, dass diepositive Veränderung des Arteninventars im Gegensatz zur unbewei-deten Salzwiese von der Bevölkerung kaum wahrgenommen werde.• So sei es dringend erforderlich, in Schleswig-Holstein die Wiederbe-waldung naturnaher Buchen- und Eichenwälder großflächig zufördern. Natürlicherweise wäre Schleswig-Holstein zu 90 Prozentmit Waldbiotopen und zu 10 Prozent mit Offenlandschaften ausge-stattet. Vor diesem Hintergrund müssen dringend die teilweise nurmit sehr aufwendigen Pflegemaßnahmen zu erhaltenden Offen-landschaften (Orchideenwiesen, Halboffene Weidelandschaften)kritisch überdacht und relativiert werden. Man müsse sich eigent-lich von der »Dauerpflege« – zumindest auf landeseigenen Flächen,auf Stiftungsflächen und in Naturschutzgebieten verabschieden.Ja, es sollte ruhig zugelassen werden, auch Arten, die nur mit einem sehrhohen Pflegeaufwand hier gehalten werden können, verschwinden zulassen, deren Bestand in Deutschland im Hinblick auf ihren eigentli-chen Verbreitungsraum nur eine untergeordnete Rolle spielt.Grundvoraussetzung sei jedoch die wissenschaftliche Begleitung derArten, von denen Deutschland europaweit oder global bedeutendePopulationsanteile beherberge. Ein gutes Bestandsmonitoring ist drin-gend auch für diese Arten erforderlich, um z.B. Rückgangstendenzenfrühzeitig zu erkennen.In diesem Zusammenhang sind »Rote Listen« eine wichtige Sachinforma-tion über den Seltenheitsgrad einer Art in einem geographischen Raum.Ihre Aussagen müssten aber auf jeden Fall mit dem Gesamtlebensraumder Arten verbunden werden, um hier eine wirkliche Aussage im Hinblickauf die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen treffen zu können.Entscheidend für die Zukunft sei, dass in den Schutzbemühungen derBlick stärker auch auf hier häufige Arten, die in Deutschland (und inSchleswig-Holstein) einen Großteil ihrer Verbreitungsgebiete haben,gerichtet werden muss. Dabei sollte man sich nicht auf wenige Artenbeziehen und nicht kleinräumig operieren, sondern dafür sorgen, dasseine standortheimische Biodiversität sichergestellt werden kann. Dazumuss sich aber verständigt werden, über welche Leitart welcher Biotop-typ gefördert/geschützt werden kann.Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Teilnehmerinnen undTeilnehmer der Arbeitsgruppe auf die Frage »Wofür sind wir imArtenschutz zukünftig verantwortlich?« die Erfüllung folgender Punk-te für erforderlich hielten:• Erstellung einer Raumbedeutsamkeitsanalyse unter Beachtung derglobalen Verantwortung für Arten.• Leitarten benennen, wenn sie auch dem Ziel dienen, um eineFinanzierung zu bekommen.• Trotzdem: Artenvielfalt ist Lebensqualität!Voraussetzung für die Umsetzung dieser Punkte ist:• die Förderung der klassischen Biologie in der Schule und Universität• ein naturwissenschaftlich sauberes Instrumentarium• der Austausch des im Naturschutz vorhandenen Wissens.Hermann Schultz Kapitel 5 – AG 2/ArbeitsgruppenergebnisseHermann Schultz,NaturschutzbundDeutschland (NABU)Landesverband Schleswig-HolsteinAspekte aus demImpulsreferatRote Listeneine richtige Sachinforma-tion über den Seltenheits-gradStandort heimischerBiodiversitätForderungen74 75Kranichschutz –FeuchtgebietsrenaturierungThomas Neumann,WWFSchwarzstorchGerd JanssenProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse76 77Bedrohte Artenvielfalt: Die Grönauer HeideThomas Behrends, Dr. Detlef Kolligs, Roland Suikat, Wolfgang ZieglerFledermausprojekt NeumünsterFlorian Gloza,AGFProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse78 79Artenhilfsprogramm UhuJohann Böhling,Landesverband EulenschutzDer Fischotter und das Birkwild als Leittierartendes Natur- und Umweltschutzzentrums Hohner SeeKarsten Koch,Natur- und Umweltschutzzentrum Hohner SeeProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse80 81Projekt SeeadlerschutzBernd Struwe-Juhl,Universität Kiel, BiologiezentrumDatenbank als Grundlage für den Amphibien-und ReptilienschutzAndreas Klinge,FÖAG e.V. Arbeitsgruppe Wirbeltiere, Zoologisches Institut, BiologiezentrumProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse82 83 Henning Thiessen Kapitel 5 – AG 3/ ArbeitsgruppenergebnisseArbeitsgruppe 3 –Spezielle Artenkenntnis – Grundlage für den ArtenschutzArbeitsgruppenergebnisseAus dem Vortrag von Herrn Prof. Dr. Abraham* und im Verlauf derDiskussion ergaben sich eine Reihe von Themen und Fragen, dieunterschiedlich intensiv erörtert wurden.Die Fragen und Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:Welche Reglementierungen sind notwendig?Über dieses Thema wurde relativ ausführlich diskutiert. Insbesonderevon Fachleuten, die mit der Sammlung und Bewertung von Tieren undPflanzen zu tun haben, wurde daran appelliert, bestehende Reglemen-tierungen hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Effektivität zu überprü-fen. Wesentliche Erkenntnisse und bedeutendes Wissen über Natur undLandschaft, die auch für das Naturschutzhandeln notwendig sind,werden von Experten und Kennern außerhalb der Verwaltung erarbei-tet oder sind dort vorhanden.Es wurde die Meinung vertreten, dass in manchen Bereichen Beschrän-kungen zurückgenommen werden sollten. Dies gilt beispielsweise fürden Bereich »nichtbehördlicher« Forschung. Auch die Frage notwen-diger Betretungsverbote für die freie Landschaft wurde sowohl imInteresse privater Forschung als auch der individuellen Naturbegeg-nung sehr stark hinterfragt. Es wurde appelliert, wieder mehr Freiräu-me zu schaffen oder zuzulassen, damit auch ohne Anleitung das Erlebenvon Natur und die Beschäftigung mit Natur möglich ist.Auch die Haltung von Tieren und Pflanzen sollte zumindest für päda-gogische Zwecke erleichtert werden. Reglementierungen sollten nichtdazu führen, dass das Interesse an Natur schwindet, sondern Ziel solltees eher sein, die Neugier zu fördern, die Nähe zur Natur zu erlaubenals weitere Fernhaltestrategien zu suchen.Was müssen wir wissen, um Natur zu schützen?Diese komplexe Frage konnte nur relativ allgemein diskutiert werdenmit der allgemeinen Empfehlung: Wir müssen soviel wie möglich überArten und ihre Vorkommen, aber insbesondere noch mehr über ihreBiologie wissen. Allgemein müssen die Kenntnisse darüber nicht nur vonSeiten des Naturschutzes gefördert werden.Wie kann die Kommunikation zwischen Fachleuten und Ent-scheidungsträgern in Politik und Verwaltung verbessert werden?Manche Spezialkenner oder lokalen Akteure kommen sich gelegentlichvor wie »Kämpfer auf verlorenem Posten«, deren Kenntnisse nichtgewünscht oder nicht abgefragt werden, beziehungsweise die gelegent-lich auch als »Sektierer« oder »Spinner« angesehen werden. Hier wirdinsbesondere von Seiten der Verwaltung erwartet, dass dieses Wissenmehr Berücksichtigung findet und eine stärkere Unterstützung dieserPersonen erfolgt. Es wurde der Wunsch geäußert nach einer intensivenZusammenarbeit der Fachleute mit der Naturschutzverwaltung. Dieskönnte beispielsweise geschehen, indem Fachveranstaltungen oderArbeitstreffen zu speziellen Themen mit allen Fachleuten durchgeführtwerden, um sich gegenseitig zu informieren und die Kenntnissegegebenenfalls auch in Naturschutzvorhaben einfließen zu lassen. AlsBeispiele wurden die Themen »Benennung, Auswahl und Einrichtungvon Schutzgebieten« und »Fachplanungen« genannt.Es wurde vorgeschlagen, in der Naturschutzverwaltung mehr Planstel-len einzurichten für Spezialisten, die unter anderem für die Datener-fassung und Bewertung zuständig sind.Wie kann die Öffentlichkeitsarbeit für den Artenschutzverbessert werden?Viele Arten sind durchaus Sympathieträger für den Naturschutz. Indieser Richtung sollte die Werbung erweitert und verbessert werden.Allgemein wurde aber auch der Wunsch geäußert, die Wertschätzungauch weniger bekannter Arten in der Gesellschaft zu verbessern. Dazuwurde es für wichtig erachtet, mehr Professionalität anzustreben undmehr mit Positivdarstellungen zu arbeiten. Dazu wurde das Instrumentder »Blauen Listen« befürwortet.Dr. Henning Thiessen,Landesamt für Natur undUmwelt des LandesSchleswig-HolsteinReglementierungenüberprüfenMehr Freiräume, wenigerBeschränkungenHaltung von Tieren undPflanzen für pädagogischeZweckeKenntnisse fördernVerstärkte Zusammenar-beitPlanstellen für SpezialistenSympathieträger zurWerbungMehr Wertschätzung fürweniger bekannte Arten* Nicht abgedruckt, da der Beitrag bis Redaktionsschluss nicht vorlag.84 85Kritik galt der Tatsache, dass es kein vernünftiges landesweites Publika-tionsorgan gibt, in welchem Themen des Naturschutzes sowohl vomamtlichen als auch vom nichtbehördlichen Naturschutz und denentsprechenden Fachwissenschaften publiziert werden. Die Einrich-tung einer geeigneten Schriftenreihe wurde für notwendig gehalten.Was muss getan werden zu Verbesserung der Datenlage?Insgesamt sollten die Erfassung und die Verfügbarkeit der vorhandenenDaten durch die Bereitstellung entsprechender Programme und Da-tenbanken an zentraler Stelle (LANU) verbessert werden. Dazu ist esnotwendig, sich der Kenntnisse von Spezialisten noch mehr als bisherzu bedienen und entsprechende Finanzmittel seitens des Landes dafürbereit zu stellen. In diesem Zusammenhang war es einigen Teilnehmer-innen und Teilnehmern der Arbeitsgruppe wichtig, für ehrenamtlicherhobene Daten, insbesondere für unentgeltlich zur Verfügung gestell-te Daten einen Urheberschutz vorzusehen.KritikVerfügbarkeit von DatenverbessernUrheberschutz Henning Thiessen Projekte der Info-BörseWiedereinbürgerung Lachs und MeerforelleHartwig Hahn86 87Nichtbrütende Kolkraben (in Schleswig-Holstein)Thomas GrünkornProjekt EisvogelDr. Klaus Buhl,Kreisjägerschaft EutinProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse88 89Landesweite Bestandserfassung derWechselkröte (Bufo viridis) als Grundlagefür ein ArtenhilfsprogrammChristian Winkler,FÖAG, Zoologisches Institut, BiologiezentrumArtenhilfsprogramm SchleiereulePeter Meckel,Landesverband EulenschutzProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse90 91Der Mädesüß-Perlmutterfalter (Brenthis ino)Thomas BehrendsKäfer: Artenerfassung und Rote ListeRoland Suikat, Wolfgang ZieglerProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse92 93Arbeitsgruppe 4 – Monitoring und DatenbankenModerne Datenbanken -Verfügbarkeit biologischer Datenfür Politik, Planung und VerwaltungWozu Daten?Warum nicht: »Taten statt Daten?«Erst Daten begründen die Sinnhaftigkeit der meisten Maßnahmen. Siesorgen dafür, dass zielgerichtet, maßnahmenabhängig und effizientgehandelt werden kann und verhindern damit das »Gießkannenprin-zip« schlecht gesteuerter Einzelmaßnahmen.Daten erleichtern auf der anderen Seite auch einen unemotionalerenUmgang mit Arten hinsichtlich ihrer Gefährdung, ihres Einflusses aufandere Arten und möglicher Konsequenzen für Ökosysteme.Daten zur Verbreitung von Arten sollten dementsprechend schnellverfügbar, aufgearbeitet und gewichtet und zwischen den wesentlichenFachleuten abgestimmt sein.Fazit: Eine derartige Arbeitsstruktur wird regelmäßig nur mit Unterstüt-zung der EDV zu erzielen sein.Welche Daten sind für eine Artendatenbank relevant?Neben der regionalen fachlichen Einschätzung zur Gefährdung vonArten ist auf europäischer und internationaler Ebene diese Fragebereits wesentlich fachlich bewertet worden. Es sind auf jeden FallDaten zu Arten aufzunehmen, die in folgenden internationalen Ab-kommen erfasst sind:• Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie)• EG-Vogelschutzrichtlinie• Abkommen mit weiteren Meldepflichten nach der Bonner-Kon-vention, AEWA-Richtlinie usw.• Arten, die wiederkehrend auch gesellschaftspolitisch als Problem-arten aufgefasst werden (z.B. Rabenvögel u.a.)Erst dann können Fachaussagen zu diesen Arten politisch und plane-risch umgesetzt werden.Planung des Landesamtes für Natur und UmweltLandesweit sollen die vom Land finanzierten Artenhilfsprojekte undFeldaufnahmen mittels einer einheitlichen Standardsoftware (»WIN-ART«) bearbeitet werden, damit gleichartige Datenformate den Zu-griff auf Artendaten erleichtern helfen.Die auf diesem Wege gewonnenen Verbreitungsangaben können danndirekt für fachliche Bewertungen herangezogen werden und ermögli-chen dann erst die kontinuierliche Fortschreibung von Roten Listenund die Verfolgung von Änderungen in der Gefährdung von Arten.Arne Drews Kapitel 5 – AG 4/Moderne DatenbankenArne Drews,Landesamt für Natur undUmwelt des LandesSchleswig-HolsteinDaten als Grundlage fürMaßnahmenEDV-UnterstützungAbkommenEinheitliche Software94 95Arbeitsgruppe 4 – Monitoring und DatenbankenArbeitsgruppenergebnisseWesentliches Ergebnis der Diskussion der Arbeitsgruppe ist, dass nureine Verknüpfung zwischen den eigentlichen Monitoring-Arbeiten inder Landschaft und der Verwaltung der aus diesem Monitoring hervor-gehenden Daten in geeigneten Datenbanken zu sinnvollen und vorallem effizienten Modellen führen kann. Nur auf diese Art und Weisekann gewährleistet werden, dass die so gewonnenen Erkenntnisse in diepolitischen Planungen und den daraus resultierenden Umsetzungenverwertet werden können.Zur Realisierung eines solchen Projektes sind zunächst einige grundsätz-liche Punkte zu diskutieren und zu klären sowie im weiteren geeignetetechnischen Voraussetzungen zu schaffen:• Welche Arten beziehungsweise Biotoptypen sollen im Rahmeneines Monitoring-Programms dauerhaft beobachtet werden?• In welchen Gebieten sollen Monitoring-Arbeiten durchgeführtwerden? Ist die Auswahl aufgrund bestimmter Sachzwänge (FFH-,Vogelschutzrichtlinie) oder aufgrund wissenschaftlich fundierter,statistischer Methoden zu treffen?• Welche Methoden sind im Rahmen des Monitorings zu verwenden,welche Untersuchungsintervalle werden gewählt?Bei der Standardisierung der Methodenansätze muss einerseits beob-achtet werden, dass interessierte Laien nur dann mitarbeiten können,wenn die methodischen Ansprüche ein bestimmtes Niveau nicht über-schreiten. Andererseits müssen die methodischen Ansätze so anspruchs-voll sein, dass bestimmte Mindestaussagen noch zu treffen sind, damitein unter Umständen mit hohem Aufwand betriebenes Monitoringnicht sinnlos wird.Um eine reibungslose Zusammenarbeit von ehrenamtlichen und haupt-amtlichen Kräften zu gewährleisten, wird es notwendig sein, ein verbind-liches Methodenhandbuch herauszugeben.Die im Rahmen der Arbeiten aus verschiedensten Datenquellen stam-menden Informationen müssen durch eine zentrale Stelle gesammeltund einer Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. Hierbei ist zuprüfen, dass die gelieferten Datensätze vor der Eingabe in einenzentralen Datenpool einen bestimmten qualitativen Mindeststandarderfüllen.Um die gewonnenen umfangreichen Daten aufzunehmen, zu pflegenund kurzfristig für verschiedenste Fragestellungen verfügbar halten zukönnen, ist es notwendig, ein geeignetes Datenbanksystem zu etablie-ren. Hierbei ist nicht nur darauf zu achten, dass die im Untersuchungs-gebiet gewonnenen Datenmengen aufgenommen werden können, esist gleichfalls zu gewährleisten, dass das gewählte System kompatibel zuanderen Monitoring-Programmen ist. Ideal wäre in diesem Zusammen-hang eine bundesweit kompatible Lösung wie das von Sachsen-Anhaltentwickelte Datenprogramm »WINART«.Um reibungslose Abläufe sowohl bei der Organisation der eigentlichenMonitoring-Arbeiten als auch bei der Verwaltung der zu erwartendenDatenmengen zu gewährleisten, ist eine zentrale hauptamtliche Verwal-tung eines solchen Programms unumgänglich. Diese zentrale Verwal-tung muss sowohl organisatorisch-technische wie auch wissenschaftli-che Hilfestellung und Begleitung bieten.Der Erfolg einer solchen Konstruktion, die einerseits den oben genann-ten Anforderungen entspricht, andererseits ehrenamtliche und haupt-amtliche Arbeit koordiniert, ist direkt abhängig von dem Vertrauen, daseiner solchen Zentralstelle von Seiten der Bearbeiter, insbesondere derehrenamtlich tätigen, entgegengebracht wird.Thomas Gall Kapitel 5 – AG 4/ ArbeitsgruppenergebnisseThomas Gall,Ministerium für Umwelt,Natur und Forsten desLandes Schleswig-HolsteinVerknüpfung in geeigne-ten DatenbankenDiskussionspunkteMitarbeit von LaienMindeststandardsPlausibilitätsprüfungDatenbanksystemOrganisatorisch-technische und wissen-schaftliche HilfestellungVertrauen in dieZentralstelle96 97Kegelrobben im NationalparkLothar Koch, Silvia Gaus,Schutzstation WattenmeerFledermäuse im Kreis PlönHildegard und Johannes DietrichProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse98 99Heimische OrchideenDr. Detlef Geyer,Arbeitsgemeinschaft Einheimische OrchideenAnsiedelung der MückenhändelwurzAsmus LenschProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse100 101Sumpf-Herzblatt und Orchideenkalkreicher NiedermoorwiesenDr. Marion SchumannKleiner Baldrian, Klappertopf und Kleinseggeneines ungestörten DurchströmungsmooresDr. Marion SchumannProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse102 103Arbeitsgruppe 5 – Neozoen und NeophytenNeophyten, Neozoen undNeomyceten - eine Gefahr für dieheimische Flora und Fauna?Die tiefgreifendsten Veränderungen im Artenbestand und in derSiedlungsdichte von Pflanzen- und Tierarten hat der Mensch nicht nurmit seinem »Sesshaftwerden« bewirkt, sondern auch durch gezielteEingriffe in den Floren- und Faunenbestand, u.a. mit der Zucht undAuswahl von Nutzpflanzen und -tieren. Damit hat er erheblich und ofttiefgreifend in die mitteleuropäische Pflanzen- und Tierwelt eingegrif-fen, dieses aber nicht immer bewusst und direkt getan.Die Schwierigkeit besteht seit der ersten Nutzung der Begriffe immernoch darin, deren Geltungsbereich klar und deutlich abzugrenzen.Was ist mit den ehemals bei uns heimischen, dann aber seit Jahrzehntenoder Jahrhunderten ausgestorbenen Arten Bär, Wolf, Luchs, wenn siewieder bei uns eingebürgert oder eingebürgert werden sollen? Odertrifft der Begriff auf diese Arten nicht zu? Wie steht es mit dem Elch, deraus Osteuropa manchmal über die Oder in den Westen gelangt?Ähnliches gilt bei Pflanzen, so für den Tulpenbaum und den Gingko,die voreiszeitlich in Mitteleuropa heimisch waren und heute zumindestin unseren Gärten wieder heimisch werden. Oder für die Kornrade, diemit der Ackerbaukultur einwanderte, zwischenzeitlich ausgestorbenwar, aber jetzt neuerdings wieder einwandert.Das Streifenhörnchen (Eutamias sibiricus) in England, der Chileflamin-go (Phoenicopteris chilensis ) oder der Trauerschwan (Cygnus atratus)in Deutschland - sind das bereits Neozoen? Oder müssen bis zurVerwendung dieses Begriffes vielleicht gewisse ökologische und popu-lationsbiologische Voraussetzungen vorliegen? Auch der Goldschakalwandert vom Balkan langsam nach Mitteleuropa – in Österreich wurdeer bereits mehrfach gesichtet – ist das dann auch bereits eine Neozoe?Nach der heute in Deutschland gängigen Definition bezeichnet maneinen Organismus als Neophyten oder Neozoen, wenn dieser nachLars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenDr. Lars NeugebornInstitut für AngewandteBotanik der UniversitätHamburg1492, also nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus, unterdirekter oder indirekter Mitwirkung des Menschen in ein bestimmtesGebiet gelangt ist und dort wild leben, sich also behaupten kann. Wildbedeutet dabei, dass die betreffende Art wenigstens seit 25 Jahren odermindestens seit drei Generationen frei lebend existiert. Solche Artennennt man etablierte Neophyta bzw. Neozoa.Arten, die sich bereits sicher vor der Entdeckung Amerikas, also in»prähistorischer Zeit« in Mitteleuropa, angesiedelt hatten, nennt manabgrenzend dann Archaeophyten bzw. Archaeozoen. Beide Organis-men-Gruppen sind aber ebenfalls Neubürger in unserem Gebiet. Siewerden als adventive Arten begrifflich zusammengefasst. Im Zuge derlandwirtschaftlichen Entwicklung wanderten die Archaeophytenmeistens parallel zu den Verkehrswegen zwischen den Siedlungen undden Feldern ein oder siedelten an solchen Standorten, die vom Men-schen stark gestört worden waren. Viele Arten der so genanntenSegetalflora [Getreidefelder mit ihren Begleitarten; u.a. Roggen (Sec-ale cereale), Kornrade (Agrostemma githago), Klatschmohn (Papaverrhoeas), Kornblume (Centaurea cyanus), Persischer Ehrenpreis (Vero-nica persica)] gehören zu diesen Archaeophyten, sie werden aber inihrer heutigen Verbreitung durch die moderne, intensive Landwirt-schaft in ihren Arealen stark eingeschränkt. Viele stehen deshalb bereitsin den »Roten Listen«, d.h. sie stehen vor dem Verschwinden.Die Neophyten/Neozoen sind dann Arten, die erst nach dem symbo-lischen Datum 1492 nach Mitteleuropa gelangten. Entweder weil sie alsKuriositäten und Zierpflanzen, als wissenschaftliche Forschungsobjek-te oder in unzureichend gereinigtem Handels- und Saatgut nachEuropa gelangten. Sie besiedeln vorwiegend ruderale Standorte, sindalso Wegbegleiter im weitesten Sinne [u.a.: Nachtkerze (Oenotherabiennis), Goldrute (Solidago canadensis, gigantea,]. Das Franzosen-kraut (Galinsoga parviflora) erhielt damals seinen deutschen Namen,weil es vor dem »Herbizidzeitalter« im letzten Jahrhundert kaum ausden heimischen Gärten zu entfernen war, ähnlich den schwer zuentfernenden Franzosen während der napoleonischen Besatzungszeitdes letzten Jahrhunderts. Auch über Aquarien – damals ein Novum inden Haushalten – gelangten Organismen in die Freiheit, so um 1850 dienur weiblichen Individuen der Wasserpest (Helodea canadensis), diesich vegetativ in den Seen und Teichen ab 1859 explosionsartig ausbrei-tete (Alster in Hamburg), die Gewässer soweit zuwucherte, dass selbstdie Schifffahrt kaum noch betrieben werden konnte. Aus botanischenGezielte Eingriffe in denFloren- und Faunenbe-standWas bedeutet »heimisch«?Begriffe und DefintionenNeophyten/Neozendefinieren sich über einsymbolisches DatumWas sind ,Neozoen‘?104 105Gärten entwich das aus Osteuropa stammende Kleinblütige Spring-kraut (Impatiens parviflora) und von Südeuropa her wanderte der ausChina stammende Sommerflieder (Buddleya davidii) parallel zu denVerkehrswegen in Süddeutschland ein.Alle Nutzpflanzen, Zierpflanzen und Nutztiere des Menschen, ein-schließlich der Pflanzen und Tiere der botanischen und zoologischenGärten werden nicht als Neozoen beziehungsweise Neophyten im Sinnedes Wortes bezeichnet und auch nicht Arten, die in unserem Gebietausgestorben oder ausgerottet worden waren und jetzt wieder angesie-delt werden (Luchs, Wolf, Bär), um auf die eingangs gestellte Fragewieder zurückzukommen. Nutzpflanzen werden unter dem Begriff»genutzte Arten« und wieder eingeführte Arten als »Unbeständige«begrifflich eigenständig geführt (s.u.). Hierzu gehören auch Mais (Zeamays), Tomate (Lycopersicon esculentum), Kartoffel (Solanum tube-rosum) oder der Paprika (Capsicum annuum) etc.).Zur Festlegung und zur Klärung der Begriffe Neophyt, Neozoe oderNeomycet benötigt man zusätzlich zur zeitlichen Abgrenzung (1492),die bereits vorgenommen wurde, also auch eine räumliche Zuordnungder Herkunft des entsprechenden Organismus. Einig ist man sich darin,dass es sich um Organismen handelt, die aus anderen »Floren- oderFaunengebieten« stammen und ab 1492 in unser Floren- Faunengebietauf irgendeine Weise mit menschlicher Hilfe eingewandert sind undsich hier nun selbständig halten und vermehren können. Nun bestehtaber immer noch die Schwierigkeit festzulegen, was man unter »Floren-/Faunengebiet« zu verstehen hat. Einfach ist es bei Arten, die aus»Übersee« stammen und hier bei uns in irgendeiner Weise heimischgeworden sind. Wir haben also keine Schwierigkeiten Arten aus Nord-und Südamerika oder auch aus Ostasien oder Australien als Neophy-ten/Neozoen zu bezeichnen, wenn sie sich bei uns etabliert haben,denn sie sind meistens erst in »jüngster Vergangenheit« mit der Auswei-tung und Erleichterung der Verkehrsverbindungen zu uns gelangt.Sind aber nicht Arten aus unserer eigenen mitteleuropäischen Floraauch als Neophyten zu bezeichnen, wenn es sich z.B. um alpine Artenhandelt, die plötzlich im Flachland auftauchen, weil irgendein Trans-portmittel (Fluss, Wind, Tiere, Mensch) sie hierher transportiert hat?Grundsätzlich sind diese Arten hier im Flachland nämlich nicht hei-misch, sie können sich aber vielleicht dennoch hier wegen lokal güns-tigerer Standortbedingungen auch längere Zeit halten. Muss man alsonicht auch von einem Neophyten sprechen, wenn z.B. eine eigentlichkalkliebende Art plötzlich in einem bodensauren Gebiet auftaucht, nurweil der Mensch beim Straßenbau Kalkschotter verwendet und damitder entsprechenden Art eine Siedlungs- und Überlebensmöglichkeit im»sauren Umfeld« eröffnet hat?Ähnliche Überlegungen gelten natürlich auch für die Tierwelt einesGebietes. Dass der Waschbär eine Neozoe ist, geht uns leicht ein, denner stammt aus Nordamerika und hat erst seit Mitte des letzten Jahrhun-derts durch menschliche Starthilfe Mitteleuropa erobert.Aber wie steht es mit der Silbermöwe, ursprünglich eine nordamerika-nische Art, die erst in den letzten 120–150 Jahren über Grönland undNordeuropa bei uns eingewandert ist? Oder wie halten wir es mitSchmetterlingen bzw. anderen Insekten, die aus den SteppengebietenOsteuropas, des Mittelmeergebietes oder auch Asiens stammen? Beiuns sind sie in der offenen Landschaft zwar bereits seit Jahrhundertenheimisch, aber sie konnten in dieses Gebiet erst einwandern, als es vomMenschen »geöffnet« wurde. Kann man also auch bei solchen Organis-men von Neophyten oder Neozoen sprechen, wenn sie von alleine inunser Gebiet eingewandert sind und welche Wirkung auf die boden-ständige Flora und Fauna haben solche Organismen oder können siehaben? Nach der geltenden Definition spricht man also auch von einemNeophyten, wenn diese Sippe aus einem näheren Herkunftsgebietstammt, aber mit Hilfe des Menschen zugewandert ist und sich inner-halb dieses Gebietes nun aus eigener Kraft vermehrt und längere Zeitbehauptet und somit zu einem festen Bestandteil der Lokalflora gewor-den ist. Legt man die oben bereits angeführte Definition zu Grundemuss man auch diese Arten unter den Neoorganismen führen.Nachfolgend soll zunächst auf das Verhalten vieler Arten gegenüberder menschlichen Tätigkeit in der Landschaft eingegangen werden,d.h. auf die Auswirkungen dieser Tätigkeit auf unsere Flora und Fauna.Nach ihrem Verhalten in der Kulturlandschaft trennen wir die floristi-schen Begleiter unserer Nutzpflanzen in kulturfeindliche, kulturindif-ferente und kulturbegünstigte (anthrophile) Arten. Nur einige vonihnen zählen dabei zu den altansässigen Sippen, die meisten sind erst ausanderen Gebieten mit – oder parallel – zu den Kulturarten in unserGebiet eingewandert. Sie sind sogenannte adventive Arten. Innerhalbdieser Gruppe der Neueinwanderer (Neophyten im weitesten Sinne desWorten) gliedern wir alle vor 1492 eingewanderten Arten als Archae-ophyten ab. Es handelt sich also um Sippen, die sich bereits vor 1492einen festen Platz in unserer Flora erobert haben. Diese trennen wir vonAlle Nutzpflanzen,Zierpflanzen, Nutztiereund wieder angesiedelteArten werden nicht alsNeozoen beziehungsweiseNeophyten im Sinne desWortes bezeichnet.Räumliche Zuordnung derHerkunftEinfluss des MenschenAuswirkungen auf Floraund FaunaLars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenAdventive Arten106 107den Synanthropen Sippen (= Neophyten, im engeren Sinne) ab, alsoSippen, die unser Florengebiet nachweislich oder höchstwahrscheinlicherst in neuerer Zeit (1492) erreicht haben.Können sich Zuwanderer offensichtlich aus eigener Kraft nicht fürlängere Zeit halten, werden sie als »Unbeständige« bezeichnet. Es sindzwar ebenfalls Neophyten im weitesten Sinne des Wortes, aber sie sindentweder nicht winterhart, gelangen bei uns nicht zur Samenreife, oderihr Auftreten ist nur vorübergehenden anthropogenen Störungen derBodenoberfläche zu verdanken (u.a. Böschungen).Unsere Nutzpflanzen werden in diesem Sinne der Definition als »Kul-tivierte Arten« bezeichnet, d.h. es sind zwar Neophyten, aber dieseSippen kommen nur im angepflanzten Zustand vor. Sie vermehren sichnicht selbständig über drei Generationen durch Samen und habenauch keine stärkere vegetative Ausbreitung über die Pflanzstelle hinaus(Getreide, viele Gemüse, Obstgehölze, Alleebäume, Zierpflanzen).Schließlich soll noch der Begriff »Angesalbte Arten« genannt werden,worunter wir Arten verstehen, die durch den Menschen direkt undabsichtlich in der freien Landschaft ausgebracht werden. Das könnensowohl ehemalige, heimische Arten des Gebietes (Bär, Wolf, Luchs)oder auch Archaeophyten sein, die bereits wieder ausgestorben sind,heute aber vielleicht neu angesiedelt werden.Neben der eigentlichen Herkunft einer Art oder Sippe spielt alsogrundsätzlich innerhalb des Begriffes die menschliche Mithilfe und dieZeitspanne seiner Einbürgerung eine entscheidende Rolle. Dabei scheinteine Einbürgerungszeitspanne von 25 Jahren (Vorschlag Flora Europa-ea) für eine einjährige Art mit 25 Generationen durchaus ein sehr langerZeitraum zu sein, ein Baum ist innerhalb dieser Zeit aber noch nichteinmal zur Blühreife gelangt! Wegen dieser Differenzen wurden vonverschiedenen Autoren (SCHROEDER in HAEUPLER, 1976b) flexible, nachLebensspannen unterschiedliche Bewertungen des Einbürgerungsgra-des vorgeschlagen. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Art bzw.Sippe mindestens in der 3. Generation auftritt. Erst danach könnte mandann von einer Einbürgerung sprechen, und das nur dann, wenn sichdie Nachkommen dieser Arten selbst am Standort etabliert und ausge-breitet haben.Auf jeden Fall haben alle unsere Neubürger einen ungleich schwererenStart, denn ihnen steht in der Regel eine ausgewogene Lebensgemein-schaft heimischer Arten gegenüber, in der alle Plätze oder Standortebereits besetzt sind. Wenn die »Neubürger« also mit den heimischenArten erfolgreich konkurrieren wollen, müssen sie folgende Bedingun-gen erfüllen:1. Sie müssen ein breites ökologisches Spektrum aufweisen, d.h. siemüssen ein sehr breites genetisches Potenzial besitzen, um inner-halb bestehender Pflanzen- oder Tiergesellschaften bestehen zukönnen, d.h. ihre Anpassungsfähigkeit muss sehr groß sein.2. Ihre Nachkommenschaft muss sehr zahlreich sein, weil nur über diegroße Zahl der Nachkommen die Chance einer erfolgreichenMutation, also die Bildung eines angepassten Ökotypen besteht.3. Darüber hinaus müssen sich die Nachkommen besonders leichtverbreiten lassen – sie müssen flugfähig oder schwimmfähig sein,Dauerstadien oder Haftorgane bilden, etc. – damit die entspre-chenden, besten Lebensräume auch problemlos erreicht werdenkönnen.Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Art zumNeubürger werden, aber das geschieht längst nicht immer. Man schätzt,dass von den potentiell möglichen Neubürgern höchstens 10 Prozent,vielleicht auch weniger, wirkliche Neubürger werden. So sind z.B. nurca. 12 Prozent der Pflanzenarten Deutschlands Neophyten (256 Artenbei 2.147 Arten).Von den schätzungsweise 12.000 bei uns eingeführten Pflanzenartenkonnten sich letztlich nur zwischen ein bis zwei Prozent dauerhaft inunseren Ökosystemen etablieren. Dennoch wird sich die Zahl derNeophyten auch künftig weiter erhöhen, selbst, wenn keine weiterenArten mehr eingeführt würden, da generell zwischen der Einführungeiner Art und ihrer eventuellen Massenausbreitung eine Zeitverzöge-rung liegt. Bei Gehölzen beträgt sie in etwa 147 Jahre, bei ausdauerndenStauden 68 Jahre und bei ein- und zweijährigen Arten immerhin noch32 Jahre.Für Neozoen fehlen genauere Einwanderungszahlen, aber man schätzt,dass ca. 1,6 Prozent (=740 Arten) unserer Tierarten zu den Gebietsfrem-den zu zählen sind. Davon sind etwa 0,4 Prozent oder 190 in unserenheimischen Ökosystemen definitionsgemäß etabliert.Auf außereuropäische Verhältnisse soll an dieser Stelle nicht eingegan-gen, weil sie zu erwähnen den begrenzten Rahmen des Textes sprengenwürde (in Australien Kaninchen, Fuchs, Iltis, Katze, Ratte; Rotwild inNeuseeland, Ziegen auf den pazifischen Inseln; Wegerich in Nordame-rika etc.).»Unbeständige«Kultivierte ArtenAngesalbte ArtenMenschliche Hilfe undEinbürgerungszeitspanneKonkurrenzbedingungenfür »Neubürger«Ca. 12 Prozent derPflanzenarten Deutsch-lands Neophyten Zahl wird sich weitererhöhenFür Neozoen fehlengenauere Einwanderungs-zahlenLars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und Neomyceten108 109Die möglichen Veränderungen, die durch Neophyten und Neozoen inunseren heimischen Ökosystemen hervorgerufen werden, ihr Einflussauf diese Ökosysteme, auf verschiedene Arten, auf den Menschen selbstund auf seine Nutzpflanzen und Nutztiere wird unter den beteiligtenGruppen - Wissenschaftlern, Naturschützern, Jägern, Landwirten undFischern - kontrovers diskutiert. Dabei reicht das Spektrum von völligerAblehnung neuer Arten in unserem Gebiet bis hin zur völligen Akzeptanz.Mit dem Beitritt der Bundesrepublik zur Konvention über die biologi-sche Vielfalt ist unser Land u.a. aber die Verpflichtung eingegangen»...soweit möglich und sofern angebracht, die Einbringung gebiets-fremder Arten, welche Ökosysteme, Lebensräume oder Arten gefähr-den, zu verhindern, und diese Arten zu kontrollieren oder zu beseitigen(Art. 8h)...«, d.h. der Staat müsste eigentlich handeln. Leider fehlen unszu einer solchen Kontrolle sowohl die entsprechenden Instrumentari-en als auch das erforderliche Personal.In der Regel gelten Neophyten und Neozoen als problematisch oderunwillkommen, wenn sie• die heimischen Arten gefährden oder verdrängen (Konkurrenz:Grauhörnchen; Schlickgras; Fressfeinde: Mink; Krankheit: Laby-rinthula, ein Pilz, tödlich für das Seegras)• die heimischen Ökosysteme verändern oder für sie verändert wer-den (Schlickgras, Fasan, Glaskrebs)• wirtschaftlichen Schaden anrichten (Kartoffelkäfer, Wollhand-krabbe, San-José-Schildlaus)• die Gesundheit des Menschen gefährden (Riesen-Bärenklau, Mala-ria)• Krankheiten und Parasiten eingeschleppen (Ratte und Pest; Fluss-krebs und Krebs-Pest) und• zu Beeinträchtigungen bei der Jagd und Fischereiausübung führen(Wasserpest)• oder den Verkehr behindern (Wasserpest).Nachfolgend sollen einige Organismen beispielhaft angesprochenwerden, die als problematisch gelten oder gelten könnten.Gefährdung und Verdrängung einheimischer Arten durch Neo-phyten/Neozoen1. KonkurrenzIn England ist es durch die Ansiedlung des amerikanischen Grauhörn-chens (Sciurus carolinensis; zwischen 1870 und 1930) zur Verdrängungdes einheimischen Eichhörnchens (Sciurus vulgaris) gekommen, dabeide den selben Lebensraum besetzen, das amerikanische Grauhörn-chen aber durchsetzungsfähiger ist als das einheimische Eichhörnchen.In Italien, wo ebenfalls 1930 und 1990 an mehreren Orten Grauhörn-chen ausgesetzt worden waren, wird nach den britischen Erfahrungeneine Kontrolle, teils sogar eine Ausrottung geplant.Die Ansiedlung der amerikanischen Regenbogenforelle (Oncorhyn-chus mykiss) - sie ist unempfindlicher gegen Wasserverschmutzungen -hat in Europa zur Verdrängung vieler Fischarten geführt, besondersaber zur Verdrängung der Bachforelle.Die Ansiedlung des japanischen Staudenknöterichs (Raynoutria spp.)hat dazu geführt, dass dieser andere Gräser und Kräuter verdrängteinfach dadurch, dass er seine Konkurrenten zunächst mit seinenunterirdischen Rhizomen unterwächst und schließlich durch sein dich-tes und relativ hohes oberirdisches Blattwerk an der Photosynthesehindert und dadurch verdrängt.Ähnliches Verhalten, wenn auch nicht ganz so stark in der Auswirkung,ist für die beiden Goldrutenarten festzustellen.2. FressfeindeRäuberische Neozoen können in ihrer neuen Heimat die Beständeihrer Beutetierarten z.T. deutlich dezimieren. Allerdings erwiesen sichdiese Dezimierungen bei längerfristiger Beobachtung als nur vorüber-gehend, da sich die betreffenden Beutetiere auf den neuen Fressfeindeinstellten und neue Strategien zur Feindvermeidung entwickelten.Der Mink (Mustela vison) war als Pelztier nach Europa gekommen undist aus den Farmen oftmals entkommen oder gelangte bei Verfall desPelzmarktes und Aufgabe der Zuchten auch absichtlich ins Freiland.Heute ist der Mink in vielen Ländern verbreitet. In Deutschland bereiteter kaum Schwierigkeiten, während er sich in Nordeuropa zu einerProblemart entwickelt hat. So wurde 1989 in Schottland festgestellt, dassEinfluss auf heimischeÖkosystemeKonvention über diebiologische VielfaltProblematische Neophytenund NeozoenVerdrängung einheimi-scher LebensartenAmerikanischesGrauhörnchenAmerikanischeRegenbogenforelleJapanischerStaudenknöterichMinkLars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenGoldrute110 111der Mink fast den gesamten Nachwuchs von Seeschwalben, Lach- undSilbermöwen auf einem 1000 km langen Küstenstreifen vernichtethatte. Sein Einfluss auf die Seevögel war damit nach Berechnungenschottischer Vogelkundler größer als sämtliche Ölunfälle der letztenJahrzehnte.In Island, wo der Mink bereits seit 70 Jahren vorkommt, hat er alsFressfeind die See- und Wasservogelbestände auch zunächst drastischreduziert. Innerhalb der letzten 40 Jahre haben die Vögel jedoch aufden Mink reagiert und ihr Brutverhalten geändert. Haben sie frühermeist direkt an den Ufern gebrütet, so werden heute die Gelege dortgesetzt, wo der Mink sie nicht mehr problemlos erreichen kann.3. Veränderung der ÖkosystemeDie Umgestaltung von ganzen Landschaften zu Gunsten erwünschterneuer Arten kann erhebliche Auswirkungen für heimische Arten ha-ben. Damit der Fasan (Colchicus sp.) in Europa erfolgreich etabliertwerden konnte, wurden die Greifvögel in Europa systematisch dezi-miert und ganze Landschaften in seinem Sinne umgebaut. Das genaueDatum seiner Einführung ist nicht mehr so genau festzustellen, dennbereits die Römer sollen den Fasan in ihren Besatzungsgebieten ausge-setzt haben. Aber erst Mitte des 18. Jahrhundert wurde er in Deutsch-land planmäßig ausgesetzt. In Europa, wo er bereits früher als könig-liches Jagdwild galt, und es bei Todesstrafe verboten war, die Jagd aufihn auszuüben, wurde er sogar im 17. Jahrhundert für Jagdzweckegezüchtet (Fasanerien der Fürsten und Klöster).Zwar gelangte der im Schwarzmeergebiet heimische, ringlose Jagdfasan(Colchicus colchicus) 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung bereits nachGriechenland und von dort dann durch die Römer auch in das übrigeEuropa, aber in Deutschland begann seine Siedlungsgeschichte erst um1500, wo er in großen Fasanerien gezüchtet und ausgesetzt wurde. Im 18.Jahrhundert kam dann der aus chinesischen Reisanbaugebieten stam-mende Chinesische Ringfasan (Colchicus torquatus) hinzu, dem der inden Bergzonen Japans heimische Buntfasan (C. versicolor) und um 1900der große Monglische Fasan (C. mongolicus) aus den Steppen östlich desBaikalsees folgten. Zwar hatten sich aus den verschiedenen Arten Bastar-dierungen ergeben, aber nach dem äußeren Erscheinungsbild habensich nur der ringlose und der Chinesische Ringfasan halten können.Ansiedlungen erfolgten auch in anderen Gebieten der Erde.Wie sehr allein die Einfuhr eines kleinen Krebses ein Ökosystem verän-dern kann, zeigte sich in Nordamerika. Hier wurde 1981 im LakeMontana der Glaskrebs (Mysis relicta) angesiedelt, der in Kanada voneiner bestimmten Lachsart als Nahrungsquelle bevorzugt wird. Manwollte damals die heimischen Lachsbestände im Lake Montana durchdie Einführung des Krebses fördern, aber der hier beheimatete Lachsverschmähte den neuen Krebs. Dieser gefräßige Krebs war aber einstarker Nahrungskonkurrent des heimischen Wasserflohs. Die Folgewar, dass der Wasserfloh verschwand, mit ihm auch die an ihn angepass-ten Lachse, und im weiteren suchten sich auch Fischadler, Grizzly undOtter neue Jagdgründe. Letztere waren aber die touristische Attrakti-on, d.h. heute bleiben die Touristen in der Region Lake Montana mehroder weniger aus.4. Wirtschaftliche Schäden in landwirtschaftlichen-/ GartenbaukulturenDie unbeabsichtigte »Einfuhr« des Kartoffelkäfers (Leptotarsus decem-lineata) führte in den 30er und 40er Jahren dieses Jahrhunderts zuschweren Verlusten in der Kartoffelproduktion – wer entsinnt nicht dieso genannten Kartoffelkäfertage in der Schule, wo wir in die Feldermussten, um die Käfer von den Pflanzen abzusammeln. Damals tratenTotalverluste der Kartoffelernten in bestimmten Gebieten auf. Manschätzt, dass ca. 20 Prozent der angebauten damaligen Flächenkeine Ernte mehr erbrachte und von den restlichen Feldernnur noch 50 Prozent der üblichen Ertragsmenge erzielt werdenkonnten. Heute ist das Tier bereits bis nach Osteuropa vorge-drungen.Ursprünglich in Colorado beheimatet, ernährte er sich vonwilden Nachtschattengewächsen. Mit der Besiedlung des mitt-leren Westens der USA im letzten Jahrhundert und dem damitverbundenen verstärkten Kartoffelanbau ging der Kartoffelkä-fer auf diese Kulturart als Futterpflanze über. Wegen des hohenAngebotes an Futterpflanzen boten sich ihm hervorragende Vermeh-rungsmöglichkeiten, die zu einer erhöhten Populationsdichte desKartoffelkäfers führte. Dieses löste dann einen Wandertrieb aus mitverheerenden Folgen: Bereits 1874 – 15 Jahre nach Auslösung desWandertriebes – erreichte das Tier die Atlantikküste mit ihren großenAusfuhrhäfen auch die alte Welt. 1876 wurde der Kartoffelkäfer erstmalsVeränderungen desBeutetierbestandsVerhaltensänderung alsReaktion auf FressfeindeUmgestaltung vonLandschaftenFasaneWie der Glaskrebs einÖkosystem verändert hatunbeabsichtigte »Einfuhr«Lars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenFoto: Kartoffelkäfer, Pforr112 113in einem Bremer Güterschuppen entdeckt. 1877 wurde er aus Liver-pool, Rotterdam und im Binnenland bei Mühlheim und in Torgaugemeldet. Er wurde zwar nach den Meldungen immer wieder ausgerot-tet, aber nach dem Ersten Weltkrieg erreichte er Europa in Bordeauxerneut mit aus Amerika eingeführten Kartoffeln. 1935 war bereits ganzFrankreich befallen, 1936 erreichte er das Saarland. Den entscheiden-den Durchbruch erlebte der Käfer mit Ausbruch des Zweiten Weltkrie-ges. Zunächst befiel er rasend schnell Süddeutschland und war bis 1943in Italien und Jugoslawien festzustellen. Seit 1948 ist Gesamtdeutschlandbefallen, und heute befindet sich das Tier auf dem Vormarsch bis tiefnach Russland hinein. Zur Zeit des Kalten Krieges beschuldigte diedamalige Sowjetunion den Westen, er würde Osteuropa mit Kartoffel-käfern bombardieren, um so den Sieg des Sozialismus zu verhindern. Inden russischen Medien wurde der Käfer deshalb auch als »sechsbeinigerBotschafter der Wallstreet« bezeichnet. Da die Generationszeit desKartoffelkäfers sehr kurz ist, kann ein einziges Pärchen in einemSommer Millionen Nachkommen erzeugen. Bekämpft wird das Tierheute mit hochwirksamen Insektiziden, so dass der Kartoffelanbaunicht mehr gefährdet ist. Sogar die heimische Fauna hat sich auf denKäfer eingestellt und akzeptiert ihn als Beutetier.Zu großen Schäden im Erwerbsobstbau führte z.B. die Einführung derSan-José-Schildlaus (Quadraspidiotus perniciosus) - man sprach voneiner ökologischen Katastrophe -, des Traubenwicklers (Lobesia botra-na) im Weinbau oder der ostasiatischen Wanderratte (Rattus norvegi-cus), die ganze Getreideernten nicht nur in der 3. Welt vernichten kann,sondern darüber hinaus auch tödliche Krankheiten auf den Menschenüberträgt. Arten ohne diesbezügliche Einflüsse werden zwar zur Kennt-nis genommen, aber man zollt ihnen keine so große Beachtung. AlsEinwanderungswege stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:A. Natürliche AusbreitungDen passiven Transport durch die Meeresströmungen, durch Windoder im Gefieder von Zugvögeln, aber auch im Fell und an den Klauenwandernder Säuger hat es immer gegeben. Unterstützt und gefördertwerden aber solche Ausbreitungen, wenn natürliche Barrieren aufge-hoben werden, oder sich die klimatischen/biotischen Verhältnisseverändern. So eröffnen z.B. die Verbindungskanäle zwischen denmitteleuropäischen Flüssen den Organismen Wanderwege, die auchschnell genutzt werden. So hat über den Rhein-Main-Donau-Kanal seitetwa 1990 ein Artenaustausch zwischen den Flusssystemen stattgefun-den. Die Zährte (Vimba vimba), der Weißflossengründling (Gobioalbipinnatus) und die Marmorgrundel (Protherorhinus marmoratus)sind aus der Donau in den Rhein eingewandert und umgekehrt gelangteder Aal (Anguilla anguilla) und das Meerneunauge (Petromyzon ma-rinus) aus dem Rhein in die Donau. Sehr viel dramatischer kann aberein Austausch von Organismen zwischen dem pazifischen und atlanti-schen (Panamakanal) oder dem indischen Ozean und dem Mittelmeer(Suezkanal) werden. Bereits 70 Jahre nach der Öffnung des Suezkanals(1870) waren mindestens 24 Fisch- und 7 Krebsarten vom Roten Meerins Mittelmeer eingewandert und haben hier durch Massenvermeh-rung sogar wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Leider gibt es keineDaten darüber, welche Mittelmeerarten durch die Neubürger in ihremBestand betroffen worden sind.Einige Tiere Südeuropas und Südasiens sind wohl bereits wegen derKlimaveränderungen nach Deutschland eingewandert [Türkentaube(Streptopelis dacaocto); Feuerlibelle (Crocothemis erythrea); Be-kreuzter Traubenwickler (Lobesia botrana), Wespenspinne (Argiopebruennichi)]. Bei der Türkentaube besteht allerdings der Verdacht,dass sich diese Art aus Populationen von ursprünglich in Gefangen-schaft gehaltenen Türkentauben nach Mitteleuropa aufgemacht hat(KINZELBACH, 1993).B. Unbeabsichtigte EinschleppungÜber Ballastwasser gelangte die Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) indie deutschen Häfen, von wo aus sie dann die Flusssysteme erfolgreichbesiedelte und in Kürze bereits am Oberlauf von Elbe und Saaleerwartet wird. Über Handelsgüter gelangten der Kartoffelkäfer, dieSan-José-Schildlaus und holzzerstörende Ter-miten nach Deutschland. Die Termiten sindbereits seit den 20er Jahren in Hamburg. Siewurden mit Holzimporten eingeschleppt undzerstören heute die Gründungspfähle der Ge-bäude des Oberlandesgerichtes und der Straf-justiz. Die von ihnen geforderten Wintertempe-raturen werden durch die dort verlegten Fern-heizungsrohre gewährleistet.ErnteverlusteWasser, Wind und Gefiederals ÜbertragungsmedienEinwanderung durchKlimaveränderungenWarenimporteLars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenFoto: Wollhandkrabbe,Synatzschke114 115Gerade über die Häfen, aber auch aus privaten und botanischenGärten gelangten und gelangen auch weiterhin viele Pflanzen in unserLand. Oftmals verbreiten sich dann diese Arten anschließend parallelzum Flusslauf oder zu den Verkehrsanlagen (Gleise, Straßen etc.).Der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) wurde zwar pri-mär als Flüchtling des botanischen Gartens Basel identifiziert, wobeiImker noch kräftig unterstützten, allerdings ist er wohl auch über dieeuropäischen Häfen eingewandert, ebenso wie die Goldruten (Solida-go spp.) und der Japanische Knöterich. Besonders letzterer wurde vonJägern als hervorragende Deckungspflanze für Niederwild dann schnellweiter verbreitet, wird aber von heimischen Arten fast nicht als Nah-rungspflanze genutzt.C. Beabsichtigte EinbürgerungSehr viele Einbürgerungen in Europa und anderen Teilen der Weltwurden aber vom Menschen direkt eingeleitet, unterstützt und geför-dert und zwar besonders dann, wenn man sich irgendeinen Nutzendavon versprach. Zur Verbesserung der heimischen Holzproduktionwurden so z.B. viele Arten Nordamerikas bei uns verbreitet, u.a.Weymutskiefer (Pinus strobus), Douglasie (Pseudotsuga menziesii),Amerikanische Roteiche (Quercus rubra, mit verschiedenen Unterar-ten). Zwecks Verbesserung der Böschungssicherungen wurde die Ro-binie (Robinia pseudoacacia), zur Verminderung der Waldbrandge-fahr in unseren Kiefern- und Fichtenforsten die Späte Traubenkirsche(Prunus serotina) eingebürgert. Beide Arten haben ein sehr starkesvegetatives Wachstum und sind allein deshalb schwer aus unserenBiotopen wieder zu entfernen. Da aber die Späte Traubenkirsche auchnoch sehr leicht mit unserer heimischen Traubenkirsche Bastardebildet, kommt es zusätzlich noch zu einem ungewollten Gen-Austausch.Weitere Arten sollten beispielhaft folgen, wie der Topinambur (Helian-thus tuberosus) und der Japanische Knöterich, die als Nahrungs- bzw.Deckungspflanzen durch Jäger verbreitet wurden. Durch Imker wur-den wegen des Rückganges heimischer Blütenpflanzen infolge derintensiven Landnutzung der Riesen-Bärenklau, die Goldruten (Solida-go canadensis, virgaurea), und das Indisches Springkraut (Impatiensglandulifera) angepflanzt; zur Verbesserung des Küstenschutzes wurdedie Kartoffel-Rose (Rosa rugosa) in den Dünen und das Schlickgras(Spartina -Sippen) in den Schlickwatten ausgebracht. Durch das Schlick-gras kam es zu einer grundlegenden Änderung des untersten durchPflanzen besiedelten Küstenbiotopes. Die heimischen einjährigen Quel-lerbestände (Salicornia sp.) konnten sich gegen das ausdauerndeSchlickgras nicht durchsetzen, d.h. der Queller verlor weitgehendseinen angestammten Lebensraum. Darüber hinaus wird das organi-sche Material des Schlickgrases auch sehr viel schwerer wieder minera-lisiert und das ursprünglich sterile Schlickgras (Spartina townsendii) istdurch Polyploidisierung fertil (Spartina anglica) geworden und lässtsich in seiner Siedlungsgeschwindigkeit nicht mehr kontrollieren.Zur Erweiterung der Wildbestände wurden Mufflon (Ovis ammonmusimon), Dam- (Cervus dama) und Sikawild (Sika nippon), zurVerbesserung der Fischereinutzung die Regenbogenforelle, der Zan-der (Stizostedion lucioperca) und der Amerikanischer Flußkrebs (Or-conectes limosus) bei uns heimisch gemacht. Besonders die Einbürge-rung des Amerikanischen Flusskrebses brachte zusätzliche Probleme,denn mit ihm wurde die durch Aphanomycetes hervorgerufene Krebs-Pest in Europa erst richtig verbreitet. Der amerikanische Flusskrebs istnämlich gegen diesen Parasiten immun, aber der Pilz befällt denEuropäischen Flusskrebs (Astacus astacus) mit fatalen Folgen für dessenBestände.Über Zierfische aus privaten Teichen gelangten der Schwarzbarsch(Micropterus dolomieu), Forellenbarsch (Micropterus salmonides),Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus) in die Freiheit. Der Graskarpfen(Ctenopharyngodon idella) wurde aus Ostasien geholt, um das Pflan-zenwachstum in den Gewässern einzudämmen. Aus Aquarien stammenzudem noch Zwergwels (Ictalurus nebulosus) und Goldfisch (Carassiusauratus).Zur Bekämpfung von Stechmückenlarven wurden der Moskitofisch(Gambusia holbrooki) und der Koboldkärpfling (Gambusia affinis)eingeführt. Viele fremde Arten sind darüber hinaus in den letztenJahren im Zuge der Intensivierung der biologischen Schädlingsbekämp-fung in Europa eingeführt worden, um den Einsatz der chemischenSchädlingskontrolle bei unseren Nutzpflanzen zu begrenzen. Aus ihrenHeimatgebieten hat man deshalb Arten importiert, die sich auf dieSchädlinge der Kulturarten bereits spezialisiert hatten.D. Aus privater oder öffentlicher Haltung entflohene Organismen;TransportflüchtlingeViele Arten sind in den letzten Jahrhunderten auch aus privatenHaltungen entkommen, wo sie sich in Parks oder privaten zoologischenNutzungsinteresseGen-AustauschVerdrängungParasitenresistenzBiologische Schädlingsbe-kämpfungLars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und Neomyceten116 117Weiterer Ausblick – womit werden wir in der Zukunft rechnenmüssen?Mit den Ausweitungen der globalen Handelsbeziehungen, dem steigen-den Tourismus und der steigenden Zahl genetisch veränderter Pflanzenund Tierarten werden wir in Zukunft mit einer wohl steigenden Zahl von»Fremdlingen« (Exoten) rechen müssen. Drohen uns nun aber durchsolche neue Arten eventuell Gefahren in ökologischer, ökonomischerund vielleicht auch gesundheitlicher Hinsicht?Durch klimatische Veränderungen hat sich bekanntermaßen immerbereits ein natürlicher Zustrom von Tier- und Pflanzenarten seit derletzten Eiszeit ergeben. Durch solche Zuströme ist es aber nie zu einer»ökologischen Katastrophe« gekommen, nur, dass kälteverträglicheArten langsam zurückwichen zu Gunsten wärmeverträglicherer Arten.Selbst die Zuwanderung der Archaeophyten hat keinen schwerwiegen-den negativen Einfluss auf unsere einheimischen Arten gehabt – diedirekten Wirkungen der menschlichen Tätigkeit auf die Organismeneinmal ausgenommen.Nur hat sich in den letzten Jahrhunderten eine neue Qualität undQuantität der Einwanderung in unser Gebiet ergeben. Seit der Entde-ckung Amerikas hat sich zunächst eine langsame, in den letzten Deka-den aber eine fast exponentiell gesteigerte Einwanderung ergeben. Injedem der nachfolgend aufgeführten vier Einwanderungsperioden1. das Zeitalter der Entdeckungen (16. Jahrhundert),2. das Zeitalter des Kolonialismus (17. und 18. Jahrhundert),3. das Zeitalter der industriellen Revolution (1830-1950),4. das Zeitalter der menschlichen Mobilität (ab 1950),gab es - soweit man das heute weiß – ein Auftreten neuer Arten aus ganzunterschiedlichen, für die Periode aber charakteristischen Gründen.Die ersten beiden Zeitalter sind gekennzeichnet durch Importe vonKultur- und Zierpflanzen (Gärten) aus den Kolonien, während die Zahlder neuen Tierarten relativ gering blieb (Haustiere, Jagdtiere, Tiere derMenagerien, aber auch Tier- und Pflanzenparasiten).Zwischen 1830 und 1950 ergab sich mit der steigenden Mobilität desMenschen auch eine Steigerung des Tier- und Pflanzenaustauscheszwischen den Kontinenten. Es wurden neue Nutztiere (Pelz- undGlobalisierungNeue Qualität undQuantität der Einwande-rungZunehmende Steigerungder EinwanderungKultur- und ZierpflanzenSteigende MobilitätKapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenGärten als »Zierarten« befanden: Kanadagans (Branta canadensis),Nilgans (Alopochen aegyptiacus), Mandarinente(Aix galericulata).Manche Arten sind während des Transportes entkommen [Halsband-sittich (Psittacula krameri)] oder wurden vielleicht auch von ihrenBesitzern absichtlich in die Freiheit entlassen [Mink, Waschbär (Procy-on lotor), Rotwangenschildkröte (Chrysemis scripta elegans), Ochsen-frosch (Rana catesbeiana)]. Meistens erfolgtediese Freilassung wohl, weil das Interesse er-lahmte und man sich mit der Freilassung leichtseines »Problems« entledigen konnte. Bei Minkund Waschbär war wohl der wertvolle Pelz aus-schlaggebend für deren »Einbürgerung«.Unglücklicherweise bastardieren einige »Flücht-linge« mit heimischen Arten [Nilgans mit Grau-gans (Anser anser); Nilgans mit Stockente (Anasplatyrhynchos); Wanderfalke (Falco peregri-nus) mit Gerfalke (Falco rusticolus), Rot- mitSikawild etc.] so dass es zu einem Genfluss zwischen den Arten kommt.Bei einer Fertilität solcher Bastarde wäre eine Verarmung der Diversitätwohl die Folge.Viele Pflanzenarten sind im übrigen bereits aus den privaten Gärtenbzw. den botanischen Gärten oder auch aus Anbaufeldern in dieFreiheit gelangt. Hierzu zählen beispielhaft Vertreter der nordameri-kanischen Heidelbeer-Sippe (Vaccinium sp.), die in Holland großflä-chig angebaut werden, leider aber in die Freiheit entka-men. Zwischen diesen Sippen und der EuropäischenHeidelbeere kann es jedoch zu Bastardierungen kom-men, also wieder zu einem unerwünschten Gen-Aus-tausch. Da diese Bastarde zudem meistens wüchsigersind, kann es möglicherweise auch zu einer Änderungheimischer Biotope kommen. Dafür braucht z. B. nurder Remineralisierungsprozess des organischen Mate-rials dieser Bastarde aufgehoben zu sein, weil heimischeArten das Material nicht nutzen können.Lars NeugebornZierartenFoto: Madarinente,WotheFoto: Waschbär, Reinhard118 119Fleischgewinnung, Jagd und Fischerei) und Nutzpflanzen (Mais, Reis,tropische und subtropisches Obst und Gemüse) mit der Änderung derLandnutzungsformen nach Europa gebracht. Die Haltung der Orga-nismen in Aquarien und Terrarien, Zier- und Parkteichen, aber auchin botanischen und zoologischen Gärten und Wildgehegen förderte dieNeuansiedlung. Vielleicht könnten sogar ausgerissene Beuteltiere beiuns wieder einmal heimisch werden, denn das Benett-Känguruh ist inDeutschland bereits einmal eingebürgert gewesen (zwischen 1887 und1920 bei Bonn bzw. in Schlesien) und in Südengland immer nochheimisch.Man darf auch die Neigung nicht unterschlagen, die heimische Floraund Fauna durch Einbringen gebietsfremder Arten zu bereichern undev. zu verschönern, wie gesagt wird. Hierzu wurden so genannteAkklimationsgesellschaften gegründet, die nach deren Gutdünkengebietsfremde Organismen in die freie Natur bringen. Dass es durchsolche Maßnahmen erhebliche Probleme geben kann, hat sich u.a. inAustralien, Neuseeland und Nordamerika bereits gezeigt.Mit den Folgen des sich wandelnden Klimas wird es wahrscheinlichzukünftig verstärkt zur Einwanderung, vornehmlich von Mittelmeerar-ten, in unser Gebiet kommen. Funde und Nachweise aus dem süddeut-schen Raum von gebietsfremden Insekten, Amphibien, Reptilien undVögeln in den letzten Jahrzehnten scheinen dieses zu belegen.Durch die fast grenzenlose Mobilität des Menschen seit 1950 werdengeographische Barrieren kaum noch Hindernisse darstellen. Besondersgefährlich können für uns dabei Krankheiten und Parasiten (Malaria,Gelbfieber, Moskitos, Fadenwürmer) werden, die sich möglicherweiseim »verbesserten Klima« Mitteleuropas auch langfristig ansiedeln könn-ten, denn heute gelangen Organismen an fast jeden Platz der Erde inkürzester Zeit. Darum sollten wir in Mitteleuropa, sogar weltweit, mitneuen Tier- und Pflanzenarten rechnen, wobei auch heimische Artenvon den Einwanderern verdrängt werden können.In fast allen Biotoptypen in Deutschland kommen heute gebietsfremdeArten vor. Besonders häufig sind diese Neophyten in Gebieten mithohen anthropogenen Störungen anzutreffen (Städte, Dörfer, Ver-kehrswege, Industrieanlagen etc.). Von den in Deutschland aufgeführ-ten 2.150 Pflanzenarten sind 26 Prozent bereits den Kategorien »ausge-storben« zumindest aber »gefährdet« zuzuordnen. Bei 42 Pflanzenar-ten wird die Einführung von Exoten für diesen Rückgang verantwort-lich gemacht. Da Neophyten, historisch gesehen, nur eine sehr kurzeZeit in unserem Gebiet vertreten sind, fallen diese Arten für starkspezialisierte Insekten – wie verschiedene Wildbienen und Schmetter-linge – als Nahrungspflanzen meistens aus. Damit hat die Ausbreitungvon Neophyten auch einen direkten Einfluss auf die heimische Tierwelt.Gab es bisher nur einen relativ geringen Verdrängungswettbewerbzwischen den Neubürgern und den heimischen Arten, wird sich dieserin Zukunft mit dem fast täglichen Zustrom weiterer Arten deutlicherhöhen. Es ist zu erwarten, dass sich die Floren und Faunen in sichähnelnden Klimazonen angleichen werden, denn die bisher wirkendenräumlichen Barrieren werden immer weniger wirksam bleiben. BereitsWALTER war der Ansicht, dass unsere heimischen Pflanzengesellschaftennur ein Zufallsprodukt wegen der geographischen und räumlichenBarrieren seien.Ein bisher wenig beachtetes Feld könnte die Freisetzung transgenerArten werden, also die Freisetzung von genetisch manipulierten Pflan-zen, Tieren aber auch Mikroorganismen. Arten also, die bestimmte,vom Menschen gewünschte Merkmale aufweisen, die aber unter natür-lichen Bedingungen nicht entstanden oder miteinander kombinierbargewesen wären. Als Beispiel soll eine gentechnisch manipulierte Erd-beersorte (Fragaria sp.)genannt werden, die ohne Qualitätsverlust(Geschmack, Festigkeit) heute tief gefroren werden kann. Hierbei hatman in eine wohlschmeckende Erdbeersorte ausgewählte Gene einerkälteresistenten, arktischen Fischart übertragen. Beim Mais »implan-tierte« man ein Resistenzgen gegen bestimmte Pflanzenschutzmittel, sodass nur die »Unkräuter« den Bekämpfungsmaßnahmen erliegen.Außerdem pflanzt man solchen veränderten Organismen Marker-Gene ein, die für die direkte Nutzung keinerlei Bedeutung haben.Meistens handelt es sich bei solchen Markern um Resistenzgene gegenAntibiotika. Viele Wissenschaftler befürchten nun, dass diese Genespringen könnten und es über die Aufnahme dieser gentechnischveränderten Produkte als Nahrung oder Viehfutter auch beim Ver-braucher zu Resistenzerscheinungen gegenüber Antibiotika kommenkönnte, d.h. solche lebenserhaltende Medikamente würden dannwirkungslos sein oder werden. Über springende Gene wären auchÜbertragungen in wilde Arten denkbar, d.h. es könnten »Superorganis-men« in der freien Natur entstehen oder in sie entweichen. Hierkönnten sie auf weniger optimal ausgestattete Arten treffen und dieseverändern oder auch verdrängen. Solche Organismen wären nichtoder kaum kontrollierbar. In diesem Jahr wurde z.B. versehentlichGeographische Barrierenkaum noch HindernisseFast überall gebietsfremdeArtenErwartung: Angleichung inähnelnden KlimazonenTransgene Arten bisherwenig beachtetLars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenVerschönerung120 121bereits gentechnisch veränderter Raps in Süddeutschland ausgebracht,und man hat nach kurzer Zeit die entsprechenden Gene in denbestäubenden und Pollen holenden Bienen nachweisen können. Zwarist dieser Nachweis nicht bestätigt worden, aber beschwört man durchsolche Maßnahmen nicht doch vielleicht eine »ökologische Katastro-phe« herauf? Auf jeden Fall besteht ein sehr hoher Forschungsbedarfzum Thema der Ausbreitung gebietsfremder und transgener Organis-men und deren Wirkung auf die heimischen Ökosysteme, einschließlichdie des Menschen. Alle Anwender – Landwirte, Förster, Hobbygärtner,Fischer, Tierhändler – sollten mit der Wissenschaft und den Natur-schutzverbänden das künftige »Problem« stärker als bisher thematisie-ren und diskutieren, wobei allerdings sachlich vorgegangen werdenmuss.LiteraturAnonymus Newsletter 1/97 Arbeitsgruppe Neozoen, Allgemeine undSpezielle Zoologie, Fachbereich Biologie, Universität Rostock,Universitätsplatz 5, 18055 Rostock; Neue Tierarten in Deutsch-land, Internetversion, www.uni-rostock.de:• GEITER, O.: Neozoen: Neue Tiere im Land – was tun mit denFremden?- Was sind Neozoen- Genetische Untersuchungen an Neozoen- Aquatische Neozoen in DeutschlandNewsletter 2/98; Arbeitsgruppe Neozoen, Arbeitsgruppe Neozoen,Allgemeine und Spezielle Zoologie, Fachbereich Biologie, Uni-versität Rostock, Universitätsplatz 5, 18055 Rostock: Internetver-sion, www.uni-rostock.de:• DOYLE, U. : Gebietsfremde Organismen in Deutschland• GEITER, O. : Wieviele »Mannis« gibt es?- Trennung von natürlicher und künstlicher Ausbreitung- Untersuchungen an Kanadagans-Brutpopulationen- Neozoen in Deutschland II.Teil (Crustaceae; Krebstiere)• HOMMA, S.: Hybridisierung, genetische Unterwanderung undVermischung von Arten• GOLLASCH, S.: Artverschleppung durch Schiffe• KINZELBACH, R.: Die Türkentaube• KRENKEL, K. : Neozoen aus der Welt der Insekten• PREUß, D. : Die Falknerei als Quelle entkommener Greifvögel?DI CASTRI, F.; HANSEN, A.J.; DEBUSSCHE, M. (1990): Biological invasions inEurope and the Mediterranian Basin. Kluwer Academic Publis-hers, Dordrecht, 463 S.KASPAREK, M. (1996): Dismigration und Brutarealexpansion der Türken-taube (Streptopelia decaocto). J. Orn. 137:1-33.KINZELBACH, R. (1993): Ein antiker Nachweis der Türkentaube, Strepto-pelia decaocto, aus Pakistan. Zoologie in The Middle East 9, 39-44, Heidelberg.LUDWIG, M. u.a. (2000): Neue Tiere und Pflanzen in der heimischenNatur. BLV Verlagsgesellschaft mbH, München.NIETHAMMER, G. (1963): Die Einbürgerung von Säugetieren und Vögelnin Europa, Hamburg, Berlin, 320 S.SCHERER, S.; HILSBERG, T. (1982): Hybridisierung und Verwandtschafts-grade innerhalb der Anatidae. J. Orn. 123, 357-380.STREIT, B. et. al. (1994): Natural Hybridisation in Freshwater Animals.Naturwiss. 81,65-73.WALTER, H. (1960): Einführung in die Phytologie. III. Grundlagen derPflanzenverbreitung. Teil I. Standortlehre. 2. Aufl., Ulmer Verl.,Stuttgart.Lars Neugeborn Kapitel 5 – AG 5/ Neophyten, Neozoen und NeomycetenForschungsbedarf122 123Arbeitsgruppe 5 – Neozoen und NeophytenArbeitsgruppenergebnisseFolgende Interessensschwerpunkte wurden von den Teilnehmerinnenund Teilnehmern formuliert:• Auseinandersetzung mit »Neos« in der Landschaft• Ansprüche des Menschen (Agenda 21)• Datenerfassung• Ab wann müssen wir schützen?• Gesellschaft (Hysterie, Panik)• Mangelhaftes Wissen• Berufliches Engagement• Strategien• Bewertung/Wertung und Bekämpfung• Zeiträume der Bewertung• Ängste• Ökosystemgefahren• Tiergeographie• Rote Listen• EvolutionParallel wurden durch das Impulsreferat von Dr. Neugebohrn thema-tische Akzente gesetzt:• Nutzpflanzen/-tiere• Verbreitung/Massen• Time-Lag-Effekt• Einschleppung• Gefahren• Transgene Organismen• Kontrolle/Vermeidung• Fremdlinge• Systeme• GesellschaftKapitel 5 – AG 5/ ArbeitsgruppenergebnisseHeinz-Dieter Gröning,LandesjagdverbandSchleswig-HolsteinInteressenschwerpunkteAkzente durch dasImpulsreferatDarauf basierend wurden von der Arbeitsgruppe die nachstehendenThesen, Aussagen und Forderungen formuliert:1. Heimische Arten fördern/ keine »Neos«2. Keine aktive Einbürgerung von fremden Arten (in der Regel)(Beginn 14.10.2000)3. Kulturpflanzen und Haustiere sind keine »Neos«4. »Neos« können Probleme bereiten• Ökosystemare Probleme• Wirtschaftliche Probleme• Bekenntnis zum Eingriff nach Erforderlichkeit5. Instrument Umweltmonitoring• Organismen beobachten• Zeiträume im System betrachten• Keine Bewertung einer Art ohne Wissen um Zusammenhänge• Besteht ein Umweltrisiko?• Besteht ein lokales Risiko?6. Eingriff, sofern nach Bewertung erforderlichThesen, Aussagen,ForderungenHeinz-Dieter Gröning124 125Wiederbesiedlung Schleswig-Holsteinsdurch den Fischotter (Lutra lutra)Dr. Ulrich Fehlberg, Steffen Behl,Institut für Biogeographie der Universität des Saarlandes, Außenstelle KielProjekte der Info-BörseProjekte der Info-BörseDie Bienenfauna der scheswigschen Geest1960-2000Uwe Sörensen126 127Artenhilfsprogramm SteinkauzHans-Georg Kaatz,Landesverband EulenschutzSchleiereulen-Schutz im Kreis OstholsteinHartmut SchulzProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse128 129Hornissen »Mörderische Gesellen«?Peter KolmorgenZinnoberrote HeidespinneGunnar Brehm, Dr. Kuno Brehm,Projekt Orchideenwiesen, Unabhängiges Kuratorium Landschaft S-HProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse130 131Coptoformica forsslundi – eine seltene AmeisenartUwe SörensenStadt der Vögel – Höhlenbrüter in NorderstedtDr. Walter Hemmerling, Nicola Brockmüller,Lili-Harder-Fonds der Stiftung Naturschutz in Kooperation mit derStadt NorderstedtProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse132 133Klaus Wöhler Kapitel 5 –AG 6/Gespräch mit dem DrontevogelKlaus Wöhler,Lehrbeauftragter amÖkologiezentrum derUniversität KielFiktive Begegnung mitDodoDie Dronte ist seit über 300Jahren ausgestorbenalbern aussehende Vogel so schlecht schmeckte - einen Sport daraus,so viele Dodos wie möglich zu jagen und zu erschlagen - so eine ArtVorläufer der allerorten via Internet herunterladbaren Moorhuhnjagd.Auch für die mitgebrachten Hunde war die Dronte eine leichte Beute.Die Eier schmeckten auch recht gut; nicht nur die Matrosen, auch dieeingeführten Ratten und Schweine taten sich daran gütlich. Die Exem-plare, die sich einige Seeleute als Souvenirs mit nach Hause nahmen,starben dort sehr schnell; alle Züchtungsversuche misslangen. Nach 100Jahren waren von der Dronte nur ein paar Skelette, ein paar Bilder undeinige Beschreibungen von Seeleuten übrig - und eine bezeichnendeenglische Redeweise: »dead as a dodo«, sozusagen »töter als tot«;inzwischen sind einige Bücher, Aufsätze und vor allem Internet-Seiten1einer wachsenden posthumen Fan-Gemeinde hinzugekommen.Übrigens starb die Dronte nicht allein. Der Kalvarienbaum folgte ihr.Die Dronte hatte eine raffinierte Technik entwickelt, mit Hilfe kleinerSteine, die sie vorher gefressen hatte, in ihrem Magen ihre Lieblingsnah-rung, die harten Nüsse des Kalvarienbaumes, zu zerkleinern. Ohneseinen Nussknacker konnte auch der Kalvarienbaum nicht überleben.(Im Gegensatz zur Dronte hatte der Kalvarienbaum nach 300 Jahrenallerdings eine Wiedergeburt auf Mauritius.)Nehmen wir an, die Dronte hätte Ihnen dies alles erzählt, Sie hättenteilnahmsvoll zugehört, einige Fragen gestellt, sie Ihres Mitgefühlsversichert und ihr beteuert, dass SIE persönlich alles daran gesetzthätten, das Leben ihrer mitteilsamen Gesprächspartnerin und natür-lich auch ihrer zahlreichen Familie zu erhalten. Das ehrt Sie, aber wieSie sehen werden, befinden Sie sich damit noch ganz auf dem Bodender traditionellen Ethik, den die Dronte eben damit betreten hat, wennauch bedauerlicher- und bezeichnenderweise nur im Traum, dass sieanfing, sich mit Ihnen zu unterhalten. Zum Universum der Moralgehören, wie z.B. Ernst Tugendhat in seinen Vorlesungen über Ethik (1994)ausführt, »alle kooperationsfähigen Wesen.« Diese Kooperation spieltsich vorzüglich - und damit hätte die Dronte schon gute Karten - imGespräch ab. Nicht von ungefähr heißen die von HABERMAS und APELentwickelten modernen Ansätze zur Ethik »Diskursethik« bzw. »Kom-munikationsethik«. Sie sollen eine gewaltfreie, rationale und allgemeinzustimmungsfähige Lösung von Konflikten ermöglichen. Die auf die-sem Wege ermittelten Prinzipien sollen dann kultur- und zeitunabhän-gig gelten, und zwar für alle vernünftigen Wesen in gleicher Weise.»Dead as a dodo«Arbeitsgruppe 6 – Ethische Verantwortung für ArtenGespräch mit dem Drontevogel- Probleme der Philosophie imUmgang mit dem ArtenschutzStellen Sie sich vor, Sie sind im Traum auf einer südlichen Insel, die Sonnescheint, die Brandung rauscht, und plötzlich kommt hinter einem Buschein großer grauer Vogel auf sie zugewatschelt: Ein plumper, tollpatschi-ger, fetter, man muss schon sagen hässlicher Vogel von der Größe einesTruthahns, so circa 20 kg schwer, mit kurzem Hals, dicken gelben Beinen,unterentwickelten Flügeln, und während Sie sich noch wundern, weil Sieso einen Vogel noch nie gesehen haben und kurz davor sind, in lautesLachen auszubrechen, spricht er sie mit schnarrender Stimme an:»Guten Tag«, sagt er mit seinem großen höckrigen Schnabel, »ich bin derDodo.« Wahrscheinlich sind Sie jetzt so verblüfft, dass sie erst mal garnichts sagen oder nur »Ich bin der Bernd« oder etwas ähnlich Intelligen-tes, was aber auch nichts weiter macht, denn der Dodo schaut sietreuherzig an und fängt an zu erzählen: dass ‚Dodo’ portugiesisch ist und‚Tollpatsch’ heißt, dass die Holländer, die ihn 1581 entdeckten - beiläufigerfahren Sie dabei, dass Sie gerade auf Mauritius sind - ihn den ‚Ekelvogel’nannten, die Deutschen den Drontevogel oder die Dronte und dieOrnithologen Raphus cucullatus. Ach ja, und dann erfahren Sienoch, dass es die Dronte seit über 300 Jahren nicht mehr gibt.100 Jahre nach ihrer Entdeckung war sie ausgestorben.Würden Sie diesen Vogel totschlagen? - Ihren ratlosenbis leicht pikierten Blicken entnehme ich, dass Sie daseigentlich nicht in Erwägung gezogen hatten. - Dass dieDronte bereits 100 Jahre nach ihrer Entdeckung ausge-storben war, lag vor allem daran, dass die Holländer, diePortugiesen, die Franzosen, die Engländer undschließlich die Inder darüber offenbar anders dachten.Sie machten sich - zu Tode gelangweilt durch die langeSeefahrt, vielleicht auch verärgert darüber, dass dieserAbb. 1: HolländischeDarstellung, 1626Historische Jagd auf denDrontevogel1 zum Beispiel: http://www.davidreilly.com/dodo/ oder http://www.doctima.de/pub/dodo/Mit der Dronte verschwandauch der Kalvarienbaum»Diskursethik« bzw.»Kommunikationsethik«134 135Die Dronte, die wir im Traum getroffen haben, machte soweit einenganz vernünftigen Eindruck und zeigte deutlich moralische Ansprüche,aber eben leider nur im Traum. Wie weit es sich hier um eine Fiktionhandelt, lässt sich gut an einem Comic von Bernd Pfarr verdeutlichen:Was uns hier zum Lächeln bringt (und vielleicht zum Weinen bringensollte), ist u.a. die völlige Unangemessenheit der Unterstellung abstrak-ter moralphilosophischer Überlegungen bei einem Hund.Es ist wirklich sehr schade, dass die Dronte zu uns nur im Traum sprichtund ihre Fähigkeit, mit uns in eine »ideale Kommunikationsgemein-schaft« à la HABERMAS zu treten, so deutlich eingeschränkt ist. Nichteingeschränkt ist bzw. war ihre Fähigkeit zu leiden. Dass sie damitzumindest der Möglichkeit nach zwar kein Subjekt, aber immerhin nochein Objekt moralischen Handelns sein kann, verdankt sie dem Begründerder utilitaristischen Ethik, Jeremy Bentham. Dieser formulierte schon1789 einen der Basissätze des neuzeitlichen Tierschutzes: »Die Frage istweder: Können sie denken?, noch: Können sie sprechen?, sondern:Können sie leiden?« - Damit gehören alle leidensfähigen Wesen zummoralischen Universum - eine Einsicht, die zwar offenbar nicht neu istund sich theoretisch auch unter Philosophen (Peter Singer, AngelikaKrebs etc) einer gewissen Akzeptanz erfreut, auch wenn die Anwen-dung des Kriteriums der Leidensfähigkeit nicht ganz so unproblema-tisch ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Mit der praktischenDurchsetzung scheint es allerdings deutlich schwieriger zu sein, was mannicht nur am raschen Ableben der Dronte sehen kann.In der Ökologischen Ethik wird die Ansicht, die nur den Menschen alsvernunftbegabtes und moralfähiges Wesen ansieht und Umwelt- undNaturschutz nur im Hinblick auf den Menschen betreibt, als Anthro-pozentrik bezeichnet. Dass auch unter anthropozentrischen Vorzei-chen engagiert Naturschutz betrieben wird, sieht man u.a. am Titeleines Standardwerks zum Vogelschutz aus den siebziger Jahren: »Rettetdie Vögel, wir brauchen sie.« (GORKE 99, S.140, 155) [vgl. evtl. auch dieanthropozentrische Begründung des Artenschutzes in Gorke 99,S. 178+ Anm. 88)]. Das Problem ist, dass eine anthropozentrische Umwelt-ethik durch die Rückbindung an den Menschen immer nur eineneingeschränkten, nie einen umfassenden Artenschutz begründen kann.Dazu vielleicht Ausführlicheres in der anschließenden Diskussionsrun-de.Die erste Erweiterung, der zufolge wir auch leidensfähigen Tierenmoralisch Rechenschaft schuldig sind, heißt Pathozentrik oder patho-zentrische Umweltethik. Dass es Tierschutz geben muss, ist zumindestim Prinzip seit langem unumstritten, auch wenn man dann am Welttier-schutztag, den es bereits seit über 100 Jahren gibt, am 4. Oktober, vomWWF erfährt, dass mittlerweile jede vierte Säugerart vom Aussterbenbedroht ist, eine Nachricht, die nicht nur den Schutzheiligen der Tiere,den Heiligen Franz von Assisi, erschrecken wird. Selbst eine strikteAnwendung der Pathozentrik könnte zwar hieran Erhebliches ändern,das Problem des weltweiten Artensterbens wäre davon allerdings kaumberührt. Die bewusst leidensfähigen Wirbeltiere machen nicht einmal3 Prozent aller Tierarten aus. Für die allermeisten Arten bringt diePathozentrik keinerlei Überlebensargumente, zumal selbst bei denempfindungsfähigen Tieren die Seltenheit der Spezies einer Art ihrerLeidensfähigkeit nichts hinzufügt.Gut, wie geht es jetzt weiter? - Denn dass es weiter gehen muss, scheintangesichts von Meldungen (Umweltbeirat der Bundesregierung vom 13.September 2000), dass gegenwärtig täglich bis zu 130 Arten aussterben,unabdingbar. Zum Vergleich: Vor dem Erscheinen des Menschen starbpro Jahr in etwa eine Art aus. (MARKL 1989). Heute sind es knapp 50.000.An der Stelle, wo wir uns jetzt befinden, scheiden sich die Geister: Dieeine Gruppe - in der neueren Literatur zum Thema vertretenbeispielsweise durch Angelika Krebs mit ihrem Buch »Ethics of nature«(1997) - ist der Überzeugung, dass jeder Schritt über die Pathozentrikhinaus reine Spekulation ist und einer Kritik nicht standhält. Die andereGruppe - repräsentiert z.B. durch Martin Gorke mit seinem Buch»Artensterben - Von der ökologischen Theorie zum Eigenwert derNatur« (1999) - meint, dass man notwendig einige Schritte weiter gehenmuss, um der elementaren »naturschützerischen Intuition« gerechtwerden zu können, d.h. dem unabweisbaren Gefühl, dass es moralischgeboten ist, alle Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben zubewahren.Der nächste Schritt über die Pathozentrik hinaus führt zum so genann-ten Biozentrismus, der Überzeugung, dass jedes individuelle Lebewesenum seiner selbst willen schutzwürdig ist. Jedes Lebewesen, auch Pflanzenund niedere Organismen, zeigen einen deutlichen „Willen zum Leben“und sind schon dadurch um ihrer selbst willen da und nicht ohneweiteres anderen Zwecken unterzuordnen. Dass der Biozentrismustrotz dieser deutlichen Erweiterung des menschlichen Verantwor-tungsbereichs immer noch der »naturschützerischen Intuition« zuwiderläuft, zeigt Martin Gorke sehr einleuchtend an einem Gedankenexpe-LeidensfähigkeitUtilitaristische Ethik»Rettet die Vögel, wirbrauchen sie.«Ökologische EthikMoralische RechenschaftPathozentrischeUmweltethik Jedes individuelleLebewesen ist um seinerselbst willen schutzwürdigKlaus Wöhler Kapitel 5 –AG 6/Gespräch mit dem Drontevogel136 137riment: »Angenommen wir haben zwei Biotope, von denen eineszugunsten eines anscheinend unverzichtbaren Erschließungsprojekteszerstört werden muss. Auf Biotop A wachsen 1000 Fichten, auf BiotopB die letzten 10 Exemplare einer endemischen Orchideenart. Welchesder beiden Biotope soll geopfert werden?« (GORKE 1998, 94). DerBiozentrismus mit seiner Fixierung auf das Individuum müsste dasOrchideenbiotop opfern. Die Orchideen in diesem Beispiel sind nurzu retten mit der nächsten Erweiterung des moralischen Universumsüber die Interessen der Individuen hinaus: »Auch die unbelebte Mate-rie und Systemganzheiten wie Arten, Ökosysteme und die Biosphäre alsGanze haben einen Eigenwert und sind damit im Bereich direktermenschlicher Verantwortung.« (GORKE 1998, 95). Diese ethische Hal-tung wird, insofern sie das Ganze der belebten und unbelebten Naturmit einschließt, Holismus genannt. Arten gelten diesem Konzept gemäßals »individuelle Ausprägungen des Lebens«, als »historische Individu-en«. »So wenig wir das Recht haben, menschliche Individuen zubeeinträchtigen, so wenig haben wir das Recht, Arten als individuelleAusprägungen des Lebens, als historische Individuen, zu vernichten«(GORKE, 1998, 99).Diese Position scheint auf den ersten Blick alle Probleme zu lösen: DieNatur im einzelnen wie im ganzen besitzt einen Eigenwert, dem gegen-über wir zu Achtung und Schutz verpflichtet sind. »Schön wär’s«,möchte man sagen, ganz ohne Hintersinn, aber bei näherem Hinsehentreten zumindest drei Probleme deutlich zutage, für die ich vorderhandkeine Lösung sehe:1. »Werte« sind immer Resultate einer Wertschätzung, einerWertbeimessung durch den Menschen. Indem wir Dingen,Handlungen, Eigenschaften, Menschen einen Wert zuspre-chen, drücken wir aus, dass und wie sehr wir sie schätzen. Es gibtkeine absoluten Werte; kein Ding hat an sich einen Wert, der ihmnicht von irgendjemandem verliehen worden wäre. Der soge-nannte »Eigenwert der Natur« ist - wie andere Eigenwerte auch- eine Fiktion.2. »Moralisches Gegenüber« (Gorke 99, S.189) kann nur sein, wasprinzipiell zur Mutualität, zur Wechselseitigkeit imstande ist.Auch leidensfähige Tiere sind in dem Sinne kein »moralischesGegenüber«, auch wenn wir uns aus moralischen Erwägungenentschlossen haben, ihnen kein Leid zuzufügen.3. Eine Art ist kein Individuum, auch kein historisches Individuum. Siemit einem menschlichen Individuum gleichzusetzen, ist einKategorienfehler, da beide Begriffe sich auf verschiedenenAbstraktionsstufen befinden; eine Art ist ein durch Abstraktiongewonnenes Klassifikationsschema.Wenn man sich darüber hinaus klar macht, was es für unser praktischesHandeln bedeutet, wenn wir unausgesetzt in totaler moralischer Ver-antwortlichkeit leben gegenüber allem, was ist: belebt oder unbelebt,Einzelding, Individuum, Bio- und Ökosphäre, dann scheint mir derHolismus sowohl theoretisch wie auch praktisch inakzeptabel.Was bleibt zur Begründung des Natur- und Artenschutzes? MeinesErachtens nur die Rückkehr aus den spekulativen Weiten des Biozen-trismus und Holismus zu einem Anthropozentrismus, der mehr undanderes ist als eine offene oder kaschierte Form menschlichen Eigen-nutzes - ich möchte ihn »aufgeklärten« Anthropozentrismus nennen.»Aufgeklärt« ist dieser Anthropozentrismus vor allem in dreierlei Hin-sicht: er hat ein Bewusstsein seiner Unhintergehbarkeit, seiner Grenzenund seiner Möglichkeiten:• zur Unhintergehbarkeit: Der Mensch kann sich die Welt nur inseinen eigenen Begriffen erschließen; der menschliche Standpunktist ausschlaggebend dafür, wie uns die Welt erscheint und wie wir ihrbegegnen. Auch der Holismus ist ein menschliches Konstrukt.Unhintergehbar ist nicht der Eigenwert des Menschen - der ist eineSetzung, die, wie grundlegend sie auch sein mag, in der Welt ständigaußer Kraft gesetzt wird im Namen irgendwelcher »höheren« Zieleund Ideale - unhintergehbar ist der Akt der Wertsetzung selbst: nichtwelche Werte wir setzen, sondern dass wir für unser Leben undHandeln Werte setzen müssen, ist unhintergehbar.• zu den Grenzen: Es wird nicht möglich sein - und dies ist gerade fürArtenschützer die wohl schmerzhafteste Begrenzung - mit Hilfeeiner anthropozentrischen Argumentation den unbedingten Schutzaller Arten zu begründen. Das wohl wichtigste Kriterium ethischerSätze ist ihre Verallgemeinerbarkeit. Wie Martin Gorke in seinemBuch »Artensterben« (1999) überzeugend gezeigt hat, lässt sichweder aus ökonomischer, noch aus ökologischer, noch aus ästhe-tischer Sicht die Begründung für den Artenschutz so weit verallge-meinern, dass sich daraus allgemeingültige ethische Normen füreinen allgemeinen und umfassenden Artenschutz ableiten ließen.BiozentrismusBelebte und unbelebteNaturHolismusDrei ProblemeHolismus erscheint sowohltheoretisch wie auchpraktisch inakzeptabelUnhintergehbarkeitGrenzenKlaus Wöhler Kapitel 5 –AG 6/Gespräch mit dem Drontevogel»Aufgeklärter« Anthropo-zentrismus138 139»Allgemeingültig« heißt hier soviel, dass jeder von dieser NormBetroffene ihr zustimmt oder zustimmen könnte, weil sie in seinemeigenen wohlverstandenen Interesse liegt. Selbst Gorke kommtallerdings nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass »man es bei einem‚überzeugenden’ philosophischen Argument normalerweise nichtmit einer zwingenden ‚Beweisführung’ (...) zu tun hat, sondern oftnur mit mehr oder weniger starken Plausibilitäten« (GORKE 1999,S.173). Das was uns stichhaltig erscheint, ist immer - und darin istauch GORKE Anthropozentriker - abhängig von unserer Grundhal-tung sowie unserem Welt- und Menschenbild. Eine theologischeBegründung des Naturschutzes kann und wird anders aussehen alseine philosophische, da sie von vornherein mit anderen Prämissenarbeitet. Diese grundsätzliche Begrenzung öffnet zugleich die Au-gen für die• Möglichkeiten des Anthropozentrismus: Wenn es zum Anthropo-zentrismus letztlich keine Alternative gibt und wir - und damit meineich natürlich ein emphatisches »Wir«, das weit über den Kreis derhier Anwesenden hinausreicht - die bestehende Artenvielfalt imganzen sichern wollen, dann stellt sich uns die Aufgabe und dieMöglichkeit, unser Interesse in einer allgemein nachvollziehbarenund plausiblen Weise zu artikulieren und auf diese Weise eineallgemeine Zustimmung einzuwerben. Dazu wird es notwendig sein,dass wir uns zunächst selbst Rechenschaft ablegen über die tatsäch-lichen Gründe unseres Einsatzes für die Artenvielfalt. Eines derstärksten Motive wird für viele von uns sicherlich die Liebe zur Natursein. Einer solchen Liebe wird der Reichtum der Natur als ein Wertgelten, den es zu bewahren gilt; dieser Wert existiert aber nicht anund für sich, er entfaltet sich erst in der emotionalen Zuwendung.Diese Liebe mag vielerlei Gründe haben (auch ein guter Biologie-unterricht oder naturbegeisterte Eltern können dieser Liebe aufden Weg geholfen haben), aber sie bleibt ein menschliches Gefühl- und sie ersetzt und begründet keine Ethik. Wir haben in denseltensten Fällen von vornherein eine ethische Grundhaltung ge-genüber der Natur; viel häufiger ist es eine ganz persönlicheirrationale Zuneigung, eine Faszination, ein Angezogensein, dasunser primäres Verhältnis zur Natur bestimmt. Allerdings kanndieses Angezogensein eine starke und tragfähige Motivation abge-ben für die Erkenntnis und die Verwirklichung jener Werte derbiologischen Vielfalt, die schon im Artenschutzabkommen von Riode Janeiro (1992) genannt werden: »die ökologischen, genetischen,sozialen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, erzieherischen, kul-turellen, ästhetischen Werte sowie den Freizeitwert«, darüber hin-aus den Wert der Artenvielfalt »für die Evolution und die lebenser-haltenden Systeme der Biosphäre.« (GORKE 99, S.127). Entscheidendbleibt, dass alle diese Werte nicht an sich bestehen, sondern dass sieunseres persönlichen Einsatzes bedürfen, um wahrgenommen undentfaltet zu werden, und erst diese Wahrnehmung und Entfaltungkann den Boden bereiten für eine Lebenshaltung für die einallgemeiner Artenschutz zu einem allgemeinen Anliegen wird.Nein, wir können mit der Dronte nicht sprechen, wir können nichteinmal in ihrem Namen sprechen, aber wir können aus unserer Sichtfür sie sprechen - und erst recht für alle Arten, deren Gefährdung, derenAussterben wir nicht hinnehmen wollen. Und wenn wir dies entschlos-sen, engagiert und öffentlich tun, dann kann sich etwas ändern.Ich möchte schließen mit einem Wort des Philosophen FriedrichWaismann: »Philosophie ist dazu da, gelebt zu werden: Was in Wortegefasst wird, stirbt, was in Werke gefasst wird, lebt.«PlausibilitätMöglichkeitenRechenschaft überGründe und MotiveLiebe zur NaturKlaus Wöhler Kapitel 5 –AG 6/Gespräch mit dem Drontevogel140 141Kapitel 5 - AG 6/ ArbeitsgruppenergebnisseArbeitsgruppe 6 – Ethische Verantwortung für ArtenArbeitsgruppenergebnisseIm heutigen naturschutzfachlichen Handeln wird im Rahmen vonethischen Begründungen für den Natur- und besonders den Arten-schutz bzw. ethischen »In-Wert-Setzungen« häufig »die Natur um ihrerselbst willen« oder, konkreter auf die Arten bezogen, der »Eigenwertder Arten« herangezogen. Dem liegt u.a. die Vorstellung zugrunde, dassdie Arten und Ökosysteme uns gewissermaßen als Individuen miteigenen Werten und damit sogar mit eigenen Rechten gegenüberste-hen. Diese Auffassung wird im weitesten Sinne als biozentrisch oderphysiozentrisch beschrieben.Was demgegenüber als bisher übliche Bewertungsmaßstäbe und Be-gründung für den Artenschutz herangezogen wird, z.B. der Nutzwertfür den Menschen einschließlich seiner Erholung und seines Wohlbe-findens, wird eher als überholter »Anthropozentrismus« gesehen.Nicht zu übersehen ist allerdings, dass in der Fachwelt der Ethik diebiozentrische Auffassung zwar in Reinkultur besteht, sich aber dieMehrzahl der Ethiker eher wieder einer anthropozentrischen Sichtwei-se zuwendet, was aber nicht zu einem Loslassen, sondern sogar eher zueiner verstärkten Verantwortung des Menschen für die Natur und dieVielfalt der Arten führt.In diese logische Konsequenz fügt sich auch das sehr anschauliche undlebhafte Referat von Klaus Wöhler ein, das im Ergebnis einen »aufge-klärten Anthropozentismus« beschreibt.Das wesentliche Ergebnis der Diskussion in der Arbeitsgruppe war, dassder These des Referenten gefolgt wurde, dass nämlich der Naturentgegen der Wunschnorm im heutigen naturschutzfachlichen Han-deln doch kein Eigenwert zuzubilligen ist. Zum einen wäre dieseBehauptung nicht zu beweisen. Sie ist aber auch nicht logisch zuentwickeln. Vielmehr ergab die Diskussion, dass die Zubilligung einesEigenwertes ebenfalls eine In-Wert-Setzung durch den Menschen unddamit eine anthropozentrische Entscheidung ist.Das operative Ergebnis des Referenten wäre ein so genannter »aufge-klärter Anthropozentrismus«, der seine Verantwortung aktiv annimmt.Dr. Jürgen Eigner,Landesamt für Natur undUmwelt des LandesSchleswig-HolsteinDie anthropozentrischeSichtweise führt zu einerverstärkten Verantwortungdes Menschen für dieNatur und die Vielfalt derArtenNatur wird entgegen derWunschnorm im heutigennaturschutzfachlichenHandeln doch keinEigenwert zugebilligt»Aufgeklärter Anthropo-zentismus«WTK RebhuhnerfassungDaniel Hoffmann,Wildtierkataster Schleswig-Holstein, Institut für Biogeographie derUniversität des Saarlandes, Außenstelle KielProjekte der Info-BörseBiozentrische oderphysiozentrischeAuffassung142 143WTK FeldhasentaxationDaniel Hoffmann,Wildtierkataster Schleswig-Holstein, Institut für Biogeographie derUniversität des Saarlandes, Außenstelle KielSchweinswale vor SyltLothar Koch, Silke Anders,Schutzstation WattenmeerProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse144 145Telemetrie an SchweinswalenKlaus Lucke,Universität Kiel, Forschungs- und TechnologiezentrumBeringung wegziehender TeichrohrsängerStefan BrägerProjekte der Info-Börse Projekte der Info-Börse146 147Projekte der Info-BörseE+E-Vorhaben Schierling-WasserfenchelJacqueline Neubecker,Umweltbehörde Hamburg, Projektbüro E+E-Vorhaben Schierlings-wasserfenchel (Botanischer Verein zu Hamburg)Projekte der Info-BörseWohnungsnot lindern: Hohltaube - TurmfalkeMatthias Haupt148 149Kapitel 6 – Resümee und Ausblick ...Resümee und Ausblick ... 6Projekte der Info-Börse150 151In der jungen Geschichte der Naturschutztage Schleswig-Holstein seit1994 (s. Anmerkung) wurde der Naturschutztag Schleswig-Holstein2000 erstmals nur an einem Tag, an einem Sonnabend durchgeführt,auch deshalb, um den vielen ehrenamtlich Aktiven in ihrem Engage-ment für Arten und Artenschutz die Möglichkeit zu geben, neben ihrerberuflichen Tätigkeit an dieser Fachtagung teilzunehmen.Welches Ziel wurde für diesen Naturschutztag unter dem Thema»Naturschutz durch Engagement für Arten« definiert?Mit dem diesjährigen Naturschutztag soll die Bedeutung des Arten-schutzes für den Naturschutz herausgestellt werden. Dabei wird esjedoch nicht nur um die Rückbesinnung auf die Ursprünge gehen,sondern es werden Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven auf-gezeigt und gemeinsam diskutiert. Weiterhin wird mit der sog. Info-Börse die Möglichkeit geboten, sich über verschiedene Artenschutz-und Arten-Erfassungsprojekte in Schleswig-Holstein zu informierenund Erfahrungen in der praktischen Arbeit auszutauschen.Tatsächlich lag der wesentliche Schwerpunkt der Fachtagung in derDarlegung privaten Engagements im Artenschutz und in der Artener-fassung. Um es vorweg zu nehmen: Dieses Ziel wurde in überzeugenderWeise erreicht.Engagement für ArtenIm Rahmen der Vorbereitung dieses Naturschutztages hat die Pla-nungsgruppe unter der bewährten Federführung von Heike Roter-mund* von der Akademie für Natur und Umwelt Schleswig-Holsteinrund 100 aktuelle Artenerfassungs- und Artenschutzprojekte in Schles-wig-Holstein in Erfahrung gebracht und zusammengetragen, und dieListe ist sicherlich nicht vollständig. Hinter jedem Projekt steht privatesEngagement. Wenn aus den rd. 100 erfassten und angeschriebenenTrägern verschiedener Projekte fünfundfünfzig Personen sich bereiterklärt haben, auf der Info-Börse insgesamt 50 Artenerfassungs- bzw.Artenschutzprojekte vorzustellen, so ist das ein überragender Erfolgdieses Naturschutztages. Besonders an diese Experten sind folgendeWorte gerichtet:Durch Ihr Engagement für Arten wirken Sie in herausragender Weisemit an der wichtigsten Begründung für den Naturschutz. Sie sindSpezies-Spezialisten im besten Sinne des Wortes. Sie sind Experten in derNatur, wirken mit am wissenschaftlichen Monitoring der Tier- undPflanzenarten, Sie tun dies alles mit der unverzichtbaren Geduld bei derBeobachtung vor Ort, mit der beharrlichen Dokumentation und derkritischen Analyse der Ergebnisse. Ihnen gebührt an herausragenderStelle Dank für Ihr Engagement im Artenschutz und für Ihre aktiveMitwirkung auf dieser Tagung durch die Info-Börse und durch IhreMitwirkung in den Arbeitsgruppen. Sie behalten die einzelnen Arten- besser: die Individuen der Tier- und Pflanzenwelt - mit ihrer evo-lutionären Originalität als Ganzes im Auge, während sich die biologi-schen Wissenschaften immer stärker molekular-genetisch orientieren.Eine Hausmaus besitzt ca. 100.000 Gene. Jede der vier DNA-Stränge injeder Zelle enthält etwa eine Milliarde Nucleotidpaare, die ausgestrecktetwa einen Meter lang wären, aber nicht mit bloßem Augen sichtbarsind, da der Strang nur 2 Milliardstel Meter dick ist, auf Paketschnur-dicke vergrößert aber 960 km lang wäre.»Und«, so beschreibt der Biologie Edward O. Wilson - »wir kämen beieinem Spaziergang pro Zentimeter (!) an ungefähr 50 Nucleotidpaaren- den ,Buchstaben’ des genetischen Alphabets - vorbei.« (aus E. O.Wilson (1992): Der gegenwärtige Stand der biologischen Vielfalt. In:Ende der biologischen Vielfalt? Spektrum Verlag, Heidelberg, Berlin,New York).Auch solche Erkenntnisse helfen uns, den Eigenwert einer jeden Art zubegreifen.Einer der in der Artenerfassung und im Artenschutz engagiertenExperten, Uwe Sörensen aus Süderlügum, schreibt mir in einem Briefvom 26. Juli 2000:»Ich habe auch eine Einladung zum schleswig-holsteinischenNaturschutztag erhalten, wo ich das Bienen-Projekt und evtl.auch mein parallel laufendes Ameisen-Projekt aus den Süderlü-gumer Binnendünen als Poster vorstellen werde. Gerade habeich auf meinem Schreibtisch zwei junge Geschlechtstiere derFormica uralensis in einer kleinen Arena. Ich habe sie zum erstenMal auf einem Nest entdeckt. Sie schwärmen morgens kurznachdem die Sonne auf die Nester fällt. Die beiden Tierebetrillern sich intensiv, aber mit der Paarung scheint es nochWillfried Janßen Kapitel 6 – Resümee und Ausblick ...Prof. Dr. Willfried Janßen,Landesnaturschutzbeauf-tragterZiel(e) des Naturschutz-tagesEntwicklungsmöglichkei-ten, Perspektiven,InformationenZiel erreicht!Präsentation von 50Artenerfassungs- bzw.ArtenschutzprojektenExperten in der NaturDankEigenwert jeder ArtbegreifenBeobachtung heimischerArten* heute: Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein152 153nicht zu klappen. Ansonsten könnte ich dem Weibchen einkleines Volk der Hilfsameise Serviformica transcaucasica an-bieten, das bei mir in einem Kunstnest überwintert hat. Es wäreinteressant zu beobachten, ob sich dann vor meinen Augen einesozialparasitische Nestgründung abspielt.«Dieses Beispiel einer Beschreibung zeigt eindringlich, mit welcherOriginalität, Identität und Intensität das Verhalten heimischer Artenbeobachtet werden kann.Dem in diesem Jahr erschienenen Buch »Life counts - Eine globaleBilanz des Lebens« von GLEICH, MAXEINER, MIERSCH und NICOLAY (BerlinVerlag), habe ich entnommen, dass es ca. zehntausend BillionenAmeisen, 6 Milliarden Menschen und 500 Ameisenforscher auf der Weltgibt, dass eine Ameise im Schnitt 1-5 mg wiegt, das Durchschnittsgewichteines Menschen 55 kg und alle Ameisen zusammen etwa gleich vielwiegen wie alle Menschen. »Life counts« als globale Bilanz machtBiodiversität ebenso zu einem zentralen Thema wie das beispielhafteEngagement für Arten der Flora und Fauna im Sinne lokaler Bilanz.Edward O. Wilson beginnt seine Überlegungen zum Gegenwärtigen derbiologischen Vielfalt (s.o.) mit folgender Bemerkung:»Ernsthafter als bisher müssen wir die biologische Vielfalt alsnatürliches Gut unserer Erde behandeln, das registriert, sinnvollgenutzt und vor allem bewahrt werden muss. Drei Umständeverleihen dieser Angelegenheit heute eine nie dageweseneDringlichkeit. Ersten führte das explosive Bevölkerungswachs-tum zu einem immer schnelleren Raubbau an der Umwelt,besonders in tropischen Ländern. Zweitens spürt die Wissen-schaft derzeit neue Möglichkeiten zur Nutzung der biologi-schen Vielfalt auf, die sowohl die Leiden der Menschen als auchUmweltschäden mildern könnten. Drittens schließlich geht eingroßer Teil der Vielfalt unwiederbringlich verloren, weil durchdie Zerstörung natürlicher Lebensräume - wiederum vor allemin den Tropen - immer mehr Arten aussterben. Insgesamtbefinden wir uns in einem Wettlauf mit der Zeit. Wir müssen unsbeeilen, um jenes Wissen zu erwerben, das überhaupt erst eineweise Naturschutz- und Entwicklungspolitik für die kommen-den Jahrhunderte möglich macht.«Naturschutz durch Engagement für ArtenEngagement für Arten kann durch die intensive, nicht selten geradezuaufopfernde Beschäftigung mit Tier- oder Pflanzenarten in ihremLebensraum in hohem Maße befriedigen, aber auch zu tiefer Besorgnisoder gar zu Verzweiflung führen. In diesem Zusammenhang bedeutetes Glück, eine neue Art oder die biologische Vielfalt einer natürlichenSukzession zu entdecken. Dann bedeutet es Unglück, das Dahinsiecheneiner Art oder die Verarmung der Landschaft erleben zu müssen.Seit 1995 liegt erstmals eine umfassende globale Einschätzung derbiologischen Vielfalt vor: »Der im Auftrag von UNEP (United NationsEnvironmental Program) erarbeitete Bericht geht für 1995 von 1,75Millionen beschrieben und wissenschaftlich benannten Arten aus.Jährlich kommen 12.000 neue Arten dazu.« (Der Fischer-Welt-Alma-nach 2000).Nach Schätzungen von Edward O. Wilson wird die absolute Anzahlirgendwo zwischen 5 und 30 Millionen liegen.Aber: Schätzungen für den Artenverlust der nächsten 50 Jahre liegenzwischen 10 und 50 Prozent der Gesamtartenzahl. Der tägliche Arten-verlust wird auf 70 bis 300 Arten beziffert. Gegenüber der natürlichenAussterberate bedeutet dies eine anthropogene Beschleunigung umden Faktor 1.000-10.000 (aus Almanach 2000, S. 1.283).Nach dem Umweltgutachten 2000 des Sachverständigenrates für Um-weltfragen werden in der Liste der Biotoptypen für Deutschland mehrals zwei Drittel (69,4 Prozent) und nahezu alle besonders schutzwürdi-gen Biotoptypen (etwa 92 Prozent) als gefährdet eingestuft. Insbesondersder relativ hohe zahlenmäßige Anteil der von vollständiger Vernichtungbedrohten Biotope (15,4 Prozent) gibt Anlass zur Besorgnis.(Umweltgutachten 2000, S. 196).Viele der bei der Artenerfassung Tätigen haben bei der gezieltenErfassung von Arten zur Erstellung von Roten Listen der Tier- undPflanzenarten in Schleswig-Holstein mitgewirkt. So haben z.B. Wolf-gang Ziegler und Roland Suikat die im Jahre 1994 erschienene Rote Listeder in Schleswig-Holstein gefährdeten Käferarten verfasst. Sie konntenfür dieses Land 3.947 Käferarten nachweisen. Von 3.908 Arten sind52 Prozent in ihrem Fortbestand gefährdet und 5 Prozent verschollenoder ausgestorben. Die jüngste veröffentlichte Rote Liste von Dr.Rainer Brinkmann und Dr. Stephan Späth betrifft die Eintags-, Stein-Biologische Vielfalt alsnatürliches Gut unsererErdeBefriedigung, aber auchBesorgnis und Verzweif-lungArtenverlust beschleunigtUmweltgutachten desSachverständigenrats fürUmweltfragenWillfried Janßen Kapitel 6 – Resümee und Ausblick ...154 155und Köcherfliegen Schleswig-Holsteins und Hamburgs. Eine Bilanzüber Anmerkungen zur Gefährdungssituation zeigt, dass insgesamt vonden Eintagsfliegen 61 Prozent der Arten, von den Steinfliegen 63Prozent der Arten und von den Köcherfliegen 51 Prozent der Artengefährdet sind.Rote Listen sind nach wie vor wertvolle Argumentations- und Bewer-tungshilfen für den Naturschutz. Das wird auch im Umweltgutachten2000 hervorgehoben. Aber auch: »Vor allem die Ausweitung der Listenvon Pflanzen- und Tierarten auf Biotoptypen ist ein Schritt zur besserenfachgutacherlichen Bewertung der Gefährdungssituation von Lebens-räumen.« Der Sachverständigenrat für Umweltfragen stellt in demUmweltgutachten 2000 fest (S. 196):»Durch das Instrument der Roten Listen wird in der Öffentlich-keit immer noch der Eindruck erweckt, Naturschutz ließe sichauf die Erhaltung einzelner Arten oder besonders schutzwürdi-ger Lebensräume reduzieren. Vielfach werden in derPlanungspraxis Maßnahmen an einzelnen Arten der Roten Listeorientiert, die oftmals nicht einmal für die betroffenen Lebens-räume charakteristisch sind. Als Folge davon wird der Gesamt-zusammenhang des Naturhaushaltes nicht ausreichend berück-sichtigt. Künftig sollte deshalb darauf geachtet werden,insbesondere das Bewusstsein für einen ganzheitlichen Ansatzim Naturschutz zu vermitteln. Der Umweltrat hält es aus natur-schutzfachlicher Sicht für erforderlich, die Roten Listen dahin-gehend weiter zu entwickeln, dass sie sich stärker an biogeogra-fischen Regionen und weniger an starren Landesgrenzen orien-tieren.«Genau die letzte Forderung wird durch das europäische Projekt »Na-tura 2000« verstärkt angestrebt.An die in der Artenerfassung aktiven Experten gerichtet:Lassen Sie nicht nach in Ihrem Engagement, wenn auch Lust und Frustmanchmal nahe beisammen liegen. Sie leisten Basisarbeit im Natur-schutz. Bringen Sie Ihre Ergebnisse lautstark ein, nicht nur in den RotenListen selbst, sondern vor allem konsequent für die praktische Natur-schutzplanung.Artenschutz als Auftrag für Bildungs- und ÖffentlichkeitsarbeitGesetze und Verordnungen, Gebote und Verbote allein können nurden offiziellen Rahmen für den Artenschutz, für den Schutz vonBiotopen und Ökosystemen darstellen. Von entscheidender Bedeu-tung ist die innere Einstellung des Menschen zu den Mitgeschöpfen undseine Bereitschaft, sich aktiv für den Schutz ihrer Lebensräume einzu-setzen. Ein kritisch-konstruktives Umweltbewusstsein ist Grundlage fürdie Bereitschaft zum Handeln. Daher ist Artenschutz zugleich auch einAuftrag für Bildung und Öffentlichkeitsarbeit. Bildung zielt dabei nichtnur auf die Schule, auf den Biologieunterricht oder auf fächerübergrei-fende Projekte der Umweltbildung, sondern es geht dabei immer auchum eine breite Öffentlichkeitsarbeit im außerschulischen Bildungsbe-reich einschließlich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.An die Experten der Artenerfassung gerichtet: Tragen Sie die Ergeb-nisse Ihres Wirkens in die Öffentlichkeit, so wie Sie dieses heute getanhaben. Auch das verdient jede Unterstützung. So wird der Vorschlag mitNachdruck unterstützt, die eindrucksvolle Ausstellung über die Arten-erfassungsprogramme auch im Landtag zu zeigen.Mit Artenschutz ist immer zugleich auch eine solide Artenkenntnisverbunden. Die unmittelbare Begegnung mit dem Lebendigen »vorOrt«, die Teilnahme an Exkursionen z.B. im Rahmen eines Bildungsur-laubs und viele andere Möglichkeiten mehr, können zu einem bewuss-ten Naturerleben führen, die Sinne öffnen und Verständnis wecken fürdie Vielfalt der Lebensformen.An die bei der Artenerfassung aktiven Experten gerichtet: Lassen SieKinder und Jugendliche teilhaben an Ihren Beobachtungen und Erfah-rungen.Da wir in einer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft leben, darfsich Artenschutz nicht nur auf die wenigen naturnahen Landschaftsres-te wie Naturschutzgebiete oder Nationalparke beschränken. Arten-schutz gilt als Prinzip der Erhaltung von Mitgeschöpflichkeit für alleLebewesen um uns herum, für den Garten, die Hecke, den Wegrain, denTümpel oder für die feuchte Wiese, für große Räume genauso wie fürkleinste Biotope. Artenschutz ist auch nach den gesetzlichen Vorgabennicht nur Lebensraumschutz für gefährdete Arten. Wir müssen auchdie alltäglichen, noch nicht bedrohten Pflanzen- und Tierarten erhal-ten. Artenschutz ist nicht nur Sache von Spezialisten.GefährdungsbilanzOrientierung an RotenListenGanzheitlicher Ansatz imNaturschutzMotivierende WorteEin kritisch-konstruktivesUmweltbewusstsein istGrundlage für dieBereitschaft zum HandelnArtenschutz ist auch einAuftrag für Bildung undÖffentlichkeitsarbeitBegegnungen mit derNatur öffnen Sinne undwecken VerständnisKinder und JugendlicheWillfried Janßen Kapitel 6 – Resümee und Ausblick ...Erhalt auch von noch nichtbedrohten Arten156 157An die in der Artenerfassung aktiven Experten gerichtet: Zeigen Sie, dassArtenschutz Schutz der Biodiversität bedeutet. Wirken Sie mit im Sinneder Rio-Konvention zur Agenda 21. Bringen Sie Ihre Erkenntnisseweiterhin ein auch am »Geo-Tag der Artenvielfalt«, damit wir gemein-sam den Wert der Biodiversität auch in unserem Land zwischen denMeeren noch besser begreifen.Ein Ausblick mit Worten von Edward O. Wilson (s.o.):»Ich glaube, dass sich die Ethik mit wachsendem biologischenWissen grundlegend verschieben wird, so dass überall - ausGründen, die unmittelbar mit der Natur unseres Gehirns zu tunhaben - die Fauna und Flora eines Landes als Teil des nationalenErbes angesehen wird, der genauso wichtig ist wie seine Kunst,seine Sprache und jene erstaunliche Mischung aus Errungen-schaften und Absurditäten, die schon immer bezeichnend fürunsere Spezies war.«Artenschutz = Schutz derBiodiversitätFauna und Flora einesLandes sind Teil desnationalen ErbesWillfried Janßen Kapitel 7 – Auswertung der BeurteilungsbögenAuswertung der Beurteilungs-bögen des NaturschutztagesSchleswig-Holstein 20007158 159Am 14. Oktober 2000 fand im Kulturzentrum in Rendsburg der Natur-schutztag Schleswig-Holstein erstmals ganztägig an nur einem Tag stattund nicht wie bisher jeweils halbtägig an zwei aufeinander folgendenTagen. Mit dieser Veränderung sollte insbesondere den ehrenamtlichim Naturschutz Tätigen entgegen gekommen und ihnen die Teilnahmean der Tagung erleichtert werden.An der Tagung nahmen 176 Personen einschließlich der Referententeil. Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt damit etwashöher als die Teilnahmezahl vom letzten Jahr (160 Teilnehmende), aberdennoch unterhalb der Teilnahmezahlen der vorherigen Naturschutz-tage (jeweils ca. 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer).Als besondere Attraktion wurden bei dieser Fachtagung über 50 Arten-schutz-Poster im Tagungssaal präsentiert. Während der zweieinhalb-stündigen Infobörse konnten die Poster angeschaut und Informatio-nen ausgetauscht werden.Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten mit den Tagungsmap-pen einen eigens für die Fachtagung erstellten Beurteilungsbogen, deranonym ausgefüllt an die Umweltakademie zurückgegeben werdenkonnte. Im Vergleich zu den letzten Jahren nutzen sehr viele Teilneh-merinnen und Teilnehmer die Möglichkeit dieser Beurteilung (71Teilnehmende = 44,9 Prozent; Rücklaufquoten von 1994-1998: 18-27Prozent, 1999: 7,5 Prozent). Diese überdurchschnittlich hohe Rücklauf-quote ist überwiegend auf den einzelnen Veranstaltungstag zurückzufüh-ren, der eine abschließende Beurteilung der Fachtagung ermöglichte.Trotz der hohen Zahl ausgefüllter Beurteilungsbögen ist eine Übertra-gung der Ergebnisse auf die Gesamtzahl der Tagungsteilnehmerinnenund -teilnehmer nur bedingt möglich. Bei den nachfolgend genanntenTeilnehmerinnen und Teilnehmern handelt es sich daher stets um diePersonen, die einen Beurteilungsbogen abgegeben haben. Es lassensich folgende Ergebnisse zusammenfassen:• Über 91 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren mitder Tagung zufrieden (64,8 Prozent) oder sehr zufrieden (26,8Prozent). In der Gesamtsumme dieser beiden Bewertungsstufenergibt sich damit die zweitbeste Beurteilung nach den Naturschutz-tagen 1998 mit 98 Prozent. Bei den zusätzlich geäußerten Meinun-gen werden sowohl positive (»Artenschutz ist was konkretes«, »bes-ser als erwartet«) als auch negative (»„etwas zu lang«, »Moderationverbessern«) Kommentare abgegeben.Heike Rotermund Kapitel 7 - Auswertung der BeurteilungsbögenHeike RotermundMinisterium für Umwelt,Natur und Forsten desLandes Schleswig-Holstein• Im Hinblick auf die Verwendbarkeit der Ergebnisse ergibt sich einweiter gestreutes Meinungsbild: Bei einer Zusammenfassung derersten zwei von fünf Antwortmöglichkeiten (sehr gut, gut) sind für64 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Inhalte derReferate verwendbar, eine unentschiedene Bewertung (mittlereAntwortmöglichkeit) nehmen 27 Prozent vor. In den Kommenta-ren wird die Bedeutung der Referate als Gedankenanregung her-vorgehoben.• Die Poster-Präsentation kam bei über 90 Prozent der Teilnehmer-innen und Teilnehmer sehr gut oder gut an. Das Posterangebotwurde als sehr »vielfältig« beurteilt, allerdings wurde in den Kom-mentaren auch kritisiert, dass oft »zu viel Text« auf den Posternaufgeführt war. Die Zeitvorgabe für die Infobörse wurde differen-ziert gesehen: Etwa 40 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilneh-mer stuften die Zeitvorgabe zwar als sehr gut ein, aber auch über 14Prozent der Teilnehmenden empfanden den eingeräumten Zeit-raum als zu kurz. In mehreren Kommentaren wurde darüber hinausempfohlen, die Poster-Präsentation einer breiten Öffentlichkeitzugänglich zu machen.• Mit der Organisation der Tagung waren alle Teilnehmerinnen undTeilnehmer sehr zufrieden (69 Prozent) oder zufrieden (31 Pro-zent). Ebenso wurden die Räumlichkeiten im Kulturzentrum vonfast allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer als sehr geeignet bzw.geeignet beurteilt.• Da die Fachtagung erstmalig eintägig stattfand, wurde ebenfalls zumersten Mal eine Mittagsverpflegung für alle Teilnehmerinnen undTeilnehmer angeboten. Die Zufriedenheit der Teilnehmerinnenund Teilnehmer mit dieser Verpflegung fiel sehr unterschiedlichaus, es gab eine sehr breite Streuung mit dem Schwerpunkt auf derBeurteilung ,gut’. Auch bei den Kommentaren waren von einem»Lob für vegetarisches Essen« und »Zugabe von Mineralwasser undObst war sehr gut« bis zu den zu kleinen Portionen (»Nachschlagwurde verweigert«) und dem geschmacklosen Essen (»an denNudeln fehlte das Salz«) viele Meinungen vertreten. In weiterenKommentaren wurde auf die Getränke eingegangen: Es solltenganztägig Getränke angeboten werden, dabei sollte es auch koffe-infreie Getränke (Mineralwasser, Kräutertee) geben.TeilnehmerzahlAttraktion InfobörseRücklaufquote derBeurteilungsbögenZufriedenheitInfobörseOrganisationNaturschutztage erstmalseintägigErgebnisseVerwendbarkeit derErgebnisseVerpflegung160 161Teilnehmerinnen und TeilnehmerTeilnehmerinnen und TeilnehmerProf. Dr. Abraham, Rudolf Zoologisches Institut der UniversitätHamburgAndresen, Ute Straßenbauamt FlensburgAugst, Hans-Joachim Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinBöhling, Johann Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinBartsch, Angelika Amt für Natur und Umwelt desKreises OstholsteinBehl, Steffen Wasser Otter Mensch e.V., Vereinfür Ökosystemschutz und -nutzungBehrends, Thomas MdLBergemann, Siegfrid Schleswig-Holsteinische Landgesell-schaft mbHBerndt, Rolf Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinBlucha, Jürgen Akademie für Natur und Umwelt desLandes Schleswig-HolsteinDr. Bohn, Dieter Landessportfischerverband Schles-wig-Holstein e.V.Bomplitz, MarinBorcherding, Rainer Schutzstation WattenmeerBorkenhagen, Peter Säugetierarbeitsgemeinschaft in derFaunistisch-Ökologischen Arbeitsge-meinschaft (FÖAG)Bräger, StefanBrahms, Margret Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-Holstein• Weitere Bemerkungen zu der Organisation und der Fachtagunginsgesamt bezogen sich auf die Moderation in den Arbeitsgruppen.Hier wurden mit Kommentaren wie »unprofessionell«, »grauen-haft schlecht«, »nicht fachneutral« und »Katastrophe diesmal«heftige Kritik geübt und die Bitte ausgesprochen, »auf Profiszurück(zu)greifen«.• Die Dauer der Fachtagung von nur einem Tag wurde dagegenpositiv gesehen (»kann die ,Verkürzung’ auf einen Samstag gutnachvollziehen«). Allerdings sollte dies nicht auf Kosten der Diskus-sionen gehen und insbesondere die Vorstellung der AG-Ergebnisseim Plenum zugunsten längerer Diskussionszeiten verkürzt werden.• Generell sollte es auch auf Tagungen dieser Art »mehr Methoden-vielfalt« geben, drei Vorträge am Vormittag werden als zu vielangesehen. Es wurde zudem angeregt, den aus den früheren Fach-tagungen hervorgegangenen Umsetzungen Zeit und Ort auf dernächsten Tagung einzuräumen.Die Frage nach Themen für kommende Naturschutztage nutzten etwa30 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Vorschläge. DenSchwerpunkt bildete dabei der Bereich Umweltbildung. Weitere Vor-schläge wurden zu den Bereichen ehrenamtliche Arbeit, Naturschutzund Lebensqualität (Gesundheit, Sport) sowie zu wirtschaftlichenAspekten des Naturschutzes gemacht.Moderation in denArbeitsgruppenDauer der FachtagungMethodenvielfaltThemen für die Natur-schutztage 2001Heike Rotermund162 163Teilnehmerinnen und Teilnehmer Teilnehmerinnen und TeilnehmerBrandstädter, Kristina WWF-Projektbüro WattenmeerDr. Brehm, Kuno Unabhängiges Kuratorium Land-schaft Schleswig-HolsteinBrodersen, Johannes Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinDr. Brunckhorst, Hendrik Landesamt für den NationalparkSchleswig-Holsteinisches Watten-meerBrunk, RunaBubert, Antje Ökologische PlanungsgemeinschaftBuck, MareikeDr. Buhl, Klaus Kreisjägerschaft Eutin e.V.Burgarth, KaiCarstens, Oliver Untere Naturschutzbehörde desKreises PinnebergDücker, Anke AWO Service GmbHDenker, Walter Untere Naturschutzbehörde desKreises DithmarschenDieterich, HildegardDrews, Arne Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinDr. Eigner, Jürgen Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinEllenberg, UrsulaElscher, Thorsten Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinEwers, Hans Naturschutzbund Deutschland e.V.Kreisgruppe PinnebergFalck, Thomas Untere Naturschutzbehörde desKreises SegebergDr. Fischer, Christian Umweltschutzamt der Landeshaupt-stadt KielFitschen, Birgitt Jugendpfarramt der NordelbischenEv.-Luth. Kirche, FÖJ-Betreuungs-stelleFleeth, KlausDr. Frölich, Kai Institut für Zoo- und Waldtierfor-schung im ForschungsverbundBerlin e.V.Fresemann, Theda Projektleitung Natur & TechnikFriederichsen, Sabine Untere Naturschutzbehörde desKreises OstholsteinFuhrmann, Sonja Naturpark Holsteinische Schweize.V.von Gehren, Reinhard Bund für Umwelt und NaturschutzDeutschland, LandesverbandSchleswig-Holstein e.V.Görrissen , GerritGünther, Klaus WWF-Projektbüro WattenmeerGall, Thomas Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinGaus, Silvia Schutzstation WattenmeerGemperlein, Jürgen Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinGenzmer, Hermann Staatliches Umweltamt SchleswigGettner, Sabine Heinzel & Gettner BiologischeGutachten und PlanungDr. Geyer, Detlef Arbeitsgemeinschaft HeimischeOrchideenGloza, Florian Arbeitsgemeinschaft Fledermauspro-jekt NeumünsterGoos, Hinrich Jugendpfarramt der NordelbischenEv.-Luth. Kirche, FÖJ-Betreuungs-stelle164 165Teilnehmerinnen und Teilnehmer Teilnehmerinnen und TeilnehmerGröning, Heinz-Dieter Landesjagdverband Schleswig-Holstein e.V.Grünkorn, ThomasHünemörder, Kai SPD-Fraktion im Schleswig-Holstei-nischen LandtagHackländer, Hans Naturschutzbeauftragter des KreisesPinnebergHahn, HartwigDr. Happach-Kasan, Christel MdL, F.D.P.-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen LandtagHartje, Jörn Institut für ÖkologieHaupt, MatthiasHausenberg, Volker Staatliches Umweltamt ItzehoeHaywood, Luke WWF-Projektbüro WattenmeerHeim, Edelgard Staatliches Umweltamt ItzehoeHeinzel, Kirsten Heinzel & Gettner BiologischeGutachten und PlanungDr. Hemmerling, Walter Stiftung Naturschutz Schleswig-HolsteinHentschel, Karl-Martin MdL, Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN im Schleswig-Holstein-ischen LandtagHoffmann, Daniel Wildtierkataster Schleswig-Holstein,Institut für Biogeographie derUniversität des SaarlandesIrmler, Ulrich Faunistisch-Ökologische Arbeitsge-meinschaft e.V. (FÖAG), Zoologi-sches Institut der Universität KielJacksteit, MarioJahn, AxelProf. Dr. Janßen, Willfried LandesnaturschutzbeauftragterJanssen, GerdJansson, Beate Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinJensen, Rita Stiftung Naturschutz Schleswig-HolsteinJungjohann, Heinz Erwin Naturschutzbeauftragter des KreisesNordfrieslandKöster, Heike Naturschutzbund Deutschland e.V.,Institut für Wiesen- und FeuchtgebieteKagelmacher, Susan Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinKaiser, Hans-Joachim Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinKieckbusch, Jan J.Klinge, Andreas Faunistisch-Ökologische Arbeitsge-meinschaft e.V. (FÖAG), Zoologi-sches Institut der Universität KielDr. Knief, Wilfried Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinKobarg, NilsKoch, Lothar Schutzstation WattenmeerKoch, Karsten Natur- und UmweltschutzzentrumHohner SeeKolligs, Detlef Faunistisch-Ökologische Arbeitsge-meinschaft e.V. (FÖAG), Zoologi-sches Institut der Universität KielKolmorgen, PeterKolmorgen, GiselaKoschinski, SvenKoste, Sabine Bund für Umwelt und NaturschutzDeutschland, LandesverbandSchleswig-Holstein e.V.166 167Teilnehmerinnen und Teilnehmer Teilnehmerinnen und TeilnehmerKröger, Ute Wildpark EekholdtKreidelmeyer, Edda Umweltbeauftragte der Stadt EutinKrieger, Dietmar Amt für Natur und Umwelt desKreises OstholsteinKruse, Michael Staatliches Umweltamt ItzehoeKuhlwein, Eckart SPD Landesverband Schleswig-HolsteinLange-Haffmans, Sebastian Schleswig-Holsteinische Landgesell-schaft mbHLensch, AsmusLindner-Effland, Martin Institut für Biologie und ihreDidaktik der Universität FlensburgLink, Edmund Naturschutzbeauftragter des KreisesSchleswig-FlensburgLucke, Klaus Forschungs- und Technologiezen-trum WestküsteLuggert, JosefMüller, Klaus Minister für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinProf. Dr. Müller-Motzfeld, Gerd Zoologisches Institut der UniversitätGreifswaldMacht-Baumgarten, Sybille Bund für Umwelt und NaturschutzDeutschland, LandesverbandSchleswig-Holstein e.V.Malende, Hans-Jürgen Försterei IdtstedtwegeMarx, ArminMeckel, Peter Landesverband EulenschutzMehl, Ulrike MdB, SPD-Fraktion im DeutschenBundestagDr. Mierwald, Ulrich Kieler Institut für Landschaftsökolo-gieDr. Minssen, MinsNabel, Konrad MdL, SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen LandtagNeubauer, Ina Naturschutzbund Deutschland e.V.,SchutzgebietsbetreuungNeubauer, Adolfio Naturschutzbund Deutschland e.V.,SchutzgebietsbetreuungNeubecker, Jacqueline Umweltbehörde Hamburg, Projekt-büro E+E-Vorhaben Schierlings-WasserfenchelNeuenfeldt, Manfred Forstamt BarloheDr. Neugebohrn, Lars Ökologischer Jagdverein HamburgNeumann, Thomas WWF-Projektbüro WattenmeerNickel, Helmut Verein zur Förderung des Natur-und Umweltschutzes in Neumünstere.V. (NUN)Ove, Ernst-August Landesjagdverband Schleswig-Holstein, Birkwildhegegemeinschaft»Mitteleider«Peschken, Achim LandesnaturschutzverbandSchleswig-Holstein e.V.Petersen, PaulPeterson, UwePohl, BarbaraPohlmann, EmilPotel, Petra Bezirksregierung Weser-Ems,Nationalparkverwaltung Niedersäch-sisches Wattenmeervon Prondzinski, JörgPusch, Carsten Natur-, Umwelt- und Abfallbera-tungsstelle im Kreis PlönDr. Rösner, Hans-Ulrich WWF-Projektbüro Wattenmeer168 169Teilnehmerinnen und Teilnehmer Teilnehmerinnen und TeilnehmerRöthinger, LisaDr. Rüger, Arnd Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinRabe, Inke Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinRabeler, Christoph Försterei LangenhöftRissmann, Klaus Rotwildring HasselbuschRomahn, Katrin S.Rosenberger, Tanja Seehundstation FriedrichskoogRudolph, Volker O. Untere Naturschutzbehörde desKreises Herzogtum LauenburgSörensen, UweSchadt, Walter VKNDr. Schetler, Elvira Wildpark EekholdtSchladerbusch, Hermann Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinSchleef, P.Schmüser, Heiko Wildtierkataster Schleswig-Holstein,Institut für Biogeographie derUniversität des SaarlandesDr. Schmidt, Alexandra Büro für Landschaft & ServiceSchmidt-Moser, Reinhard Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinSchneider, Jochen-Peter Försterei SatrupSchröder, Hans-Martin Abwasser-Zweckverband PinnebergSchröder, ChristaSchultes, PeterSchultz, Hermann Naturschutzbund Deutschland,Landesverband Schleswig-Holstein e.V.Schulz, Hartmut Kreisjägerschaften Oldenburg und EutinDr. Schumann, Marion BIOPLAN Biologie & PlanungSchwabe, Michael Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinSeiter, Gerd Landesrechnungshof Schleswig-HolsteinSiemers, Holger Arbeitsgruppe Fledermausschutzund Fledermausforschung Schleswig-HolsteinSpengler, Wolfgang Untere Naturschutzbehörde desKreises PlönDr. Starck, Hans-Georg Stiftung für naturnahes WirtschaftenStellet, Michael Ministerium für Umwelt, Natur undForsten des Landes Schleswig-HolsteinStoddard, Penny WWF-Projektbüro WattenmeerStruwe-Juhl, Bernd Projektgruppe SeeadlerschutzSchleswig-Holstein e.V.Suikat, RolandSzekeres, Peter PresseClub Nord Ö-PunkteDr. Thiessen, Henning Landesamt für Natur und Umweltdes Landes Schleswig-HolsteinThomsen, Kai-Michael Naturschutzbund Deutschland e.V.,Institut für Wiesen- und FeuchtgebieteDr. Tischler, Thomas Forschungs- und Technologie-zentrum WestküsteTodsen-Reese, Herlich Marie MdL, CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen LandtagVoigt, NorbertVollmer, Elke Untere Naturschutzbehörde desKreises Rendsburg-EckernfördeWöhler, Klaus Lehrbeauftragter am Ökologie-zentrum der Universität Kiel170 171Teilnehmerinnen und TeilnehmerWeidel, Holger Untere Naturschutzbehörde desKreises DithmarschenWesterworth, Friedrich CDU Landesverband Schleswig-HolsteinWinkler, Christian Faunistisch-Ökologische Arbeitsge-meinschaft e.V. (FÖAG), Zoologi-sches Institut der Universität KielWittenberg, Birgit WLW LandschaftsarchitektenWittneven, Ulrich LandessportfischerverbandSchleswig-Holstein e.V.Ziegler, Wolfgang

Naturparke stärken ländliche Räume

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