Der Tod und das Mädchen II

Seit vielen Jahren komponiert Olga Neuwirth unter anderem Musiktheaterstücke, Radiospiele und Opern zu Texten von Elfriede Jelinek, wobei die Komponistin und die Autorin eng zusammenarbeiten. Der »Tod und das Mädchen II« greift den Dornröschen-Stoff auf und basiert auf einem Text, der einen zynisch-kalten Monolog sowie einen Dialog zwischen der „Prinzessin“ und dem „Prinzen“ widerspiegelt, der das unbestimmbare Verhältnis von Tod und Leben, von Schlaf, Warten, Erweckung, Identität und die von männlicher Macht geprägte Beziehung der Geschlechter reflektiert. Die Musik von Olga Neuwirth ist jedoch keine bloße Vertonung des Textes, sondern schafft den Text umrahmende Räume, die sich zwischen Irrealität und Realität bewegen. Diese entstehen durch changierende Flächen elektronisch verfremdeter Klänge und wiedererkennbarer akustischer Fundstücke. Wie der Text von Jelinek verweigert die Musik die Festlegung von Positionen. Sie ist ein Labyrinth der assoziativen Verknüpfungen, der Demontage des Vertrauten, der Irritationen. Auch Bienerts kraftvolle und zugleich poetische Choreografie ist keine Bebilderung der Musik oder des Textes. Vielmehr gelingt es, im Spiel mit Eindeutigkeit und Offenheit die heikle Balance zum vielschichtigen Text zu halten. Die Musik sagt, über die Wörter hinaus, vielleicht das Unsagbare, das Klischee und Ironisierung nicht ausspart, und wie die Erinnerung zurückkehrt. Sie fügt sich in die Sprache ein und man spürt ihre ständige Anwesenheit in langsamen oder schnellen Wellenbewegungen. Anfangs sind die Textabschnitte noch zu großen Blöcken zusammengefasst, doch im Laufe der erzählten Geschichte verkürzen sich die Sätze, überlagern sich gegenseitig, knüpfen aneinander an. Die Musik dient der Verdeutlichung des Raums beziehungsweise der Räume. Vom Nicht-Ort des Beginns (der Zeichnung einer anderen Realität) zum Real-Ort des Regens bis wieder zum Nicht-Ort. Unter der scheinbaren Ruhe der Klänge lauern Schrecken, Zersplitterung und Zerstreuung. Sich überlagernde Klänge rekurrieren auf das Vergängliche und das Bleibende, die Melancholie und die Möglichkeit. Die Musik überfrachtet die Wörter meist nicht mit Bedeutung, sondern höhlt sie aus und macht sie an einigen Stellen unverständlich