De Profundis

>Der einzige Weg, sich einer Versuchung zu entledigen, besteht darin, ihr nachzugeben.< - Oscar Wilde Wenn es Film nicht mehr geben würde, dann vermittelte De Profundis den Eindruck, dass Lawrence Brose sicherlich in der Lage ist, ihn neu zu erfinden. Seltsamerweise machte Brose dies, indem er Film auf visuelle Komponenten reduziert, die neu zusammengestellt und an ihren Bruchstellen miteinander verknpüft werden. Redigiert. Man muss jedoch dem Impuls widerstehen, nur darüber zu sprechen, wie Brose - mit kontrollierte Bildmanipulation und extrem experimentellen Handentwicklungstechniken - mit De Profundis einen Film produziert hat, der in sich Bedeutung und Transparenz vereinigt. De Profundis ist mehr als ein unkonventioneller Ansatz im Filmemachen, wenngleich er eine visuelle Tour-de-force wäre, wenn es nur darum ginge. Ausgehend von Oscar Wilde, hält De Profundis der schwulen Sexualität einen Spiegel vor und sondiert die dort reflektierten Spannungen. Mit ineinandergreifenden Bildern aus Home-Videos, Perfomances, Radical-Faerie-Versammlungen und erlesener Schwulen-Erotica, mit einer Klaviermusik - Wildes Briefen aus dem Gefängnis entlehnt und einer nach den Aphorismen des Dichters gestalteten Sprachkomposition, lässt Brose den Film selbst zum Protagonisten seiner Forschung werden. Mit Bildern und Tönen, die ständig abnehmen, sich verschieben und einander ,kontaminieren" wird Film zur Metapher des transformierenden Ichs, das Wilde hochschätzte, da es das Gefühl sexueller Normalität verdarb. De Profundis macht sich Wildes Haltung zu eigen und deutet warnend darauf hin, dass die Sehnsucht nach Normalität, die unter den Schwulen zur Zeit weit verbreitet ist, dies einzuschließen droht. Klarheit in der Differenzierung ist ein Triumph - wie der unkonventionelle De Profundis, dessen Stärke darin liegt, in einer Zeit der Furcht, Normen zu brechen, eine selbstbewusste Aufrichtigkeit und er schreckende Schönheit zu haben. (John Palattella