Aus dem Zeitalter des Übermuts. Dichtung und Wahrheit

Anfang der siebziger Jahre überredete mich eine Zufallsbekanntschaft in der Bierstube Ganz, mit ihr nach Ägypten zu fahren. Sie bot mir an, die Reise zu bezahlen, wenn ich mit ihr auf den Spitzen von ein paar Pyramiden ficken würde. Ich sehnte mich damals nach Freundschaft, und so etwas kann ja der Beginn einer wirklichen Freundschaft sein. Nun, die Bierstube Ganz gibt es nicht mehr. Wo sich früher in einem barackenähnlichen flachen Gebilde die Halbverrückten versammelten, erhebt sich heute ein postmoderner Rundbau, in dem Blumen und orientalische Kleinodien verkauft werden. So etwas geschieht eben mit den Orten, wenn unsere Gefühle sie verlassen haben. Luise dagegen hatte noch Gefühle und weinte, als sie die große Pyramide des Cheops sah; doch angesichts der vielen Touristen, die uns zuschauen würden, mußten wir unseren kühnen Plan erst einmal aufgeben. Deprimiert schliefen wir in voneinander getrennten Betten. Glücklicherweise gab es in Ägypten noch sehr viel mehr Pyramiden... Die Komödie einer Biographie - die Biographie einer Komödie! Komisch, lehrreich - und zum ersten Mal in der Filmgeschichte: wahr! Lyrischer Film, der, in Anlehnung an Goethes autobiographische Darstellung seiner Jugendjahre, einer Geisteshaltung zum Ausdruck verhelfen möchte, in der das zum autonomen Beobachter erhöhte Individuum die Welt als eine Art Jahrmarkt betrachtet, die vor allem dazu dient. die eigene Wahrnehmungsfähigkeit zu versorgen. Diese Weltansicht begann mit Baudelaire und Rimbaud, verfeinerte sich bei den Snobs der Jahrhundertwende zu Lebensart und wurde durch die Beatniks zu voller Blüte gebracht - um sich freiwillig gleich danach in der Hippiebewegung zu Tode zu vulgarisieren. - Vierter Teil einer fünfteiligen Serie über erlebte europäische Geistesgeschichte. (K.W.