PiRaMidas 1972-1984

Ich überlege: Die Verbindungen der Pyramidenflächen sind deren Kanten. Der Scheitelpunkt der Pyramide ergibt sich aus der Summe der Kanten. Ungeachtet ihrer Anzahl treffen sich alle Flächen in einem Punkt, dessen 'Format' immer gleich bleibt. Ist dieser Punkt der Anfang oder das Ende der Pyramide? "Die Idee für den Film "PiRâMidas 1972-1984", welche ich später in den Film einzubauen versuchte, wurde zum ersten Mal in einem Text ausgedrückt, den ich 1972 schrieb". Galeta. Ivan Ladislav Galeta, Direktor des Zentrums für MultiMedia Forschung an der Universität Zagreb, ist einer der ersten Post-Konstruktivisten Europas. Die grundsätzlichen Lehrsätze des Konstruktivismus (z. B. Funktionalismus in Bezug sowohl auf die Kunst wie auch auf den Künstler) wußte Galeta immer mit einer sehr individuellen metaphysischen Schicht zu überziehen. Und das Schöne daran ist, daß seine Metaphysik, im Gegensatz zu den ungezielten ästhetischen oder kosmischen Windungen so vieler Anderer, genauso fest in einem kontrollierten Konstruktivismus verwurzelt ist, wie seine restliche Arbeit (und überhaupt sein Leben). In seiner Einführung zu dieser Arbeit (siehe anschließend). widmet er "PiRâMidas" den "Alten ZivilIsationen. Hermes Trismegistos, Lao Tse, Albert Einstein, Waclaw Szpakowski, und vielen anderen. Das sind eine ganze Menge, sicherlich. Und wie oft haben wir schon diese Art von Intros zu Arbeiten gelesen, die uns bald stranden ließen, allein und verloren irgendwo zwischen der fünften und sechsten Dimension? Aber nicht so bei Galeta. Er hat stattdessen ein mathematisches System der Analyse in seine Gestaltung einbezogen, welches sich wesentlich auf das Herzstück der Logik dieser in der Widmung genannten Personen bezieht. Wenn wir von der Arbeit Galetas sprechen, können wir diese nicht von dem Konzept von Zeit/Raum trennen. Immer wieder hat er Variationen über diese, seine Obsession ergründet. Tatsächlich, wenn man sich mit Zeit und Raum gegenüber von Film beschäftigt, kann man zu einer Reihe von gleichzeitig metaphysischen wie auch rationalen Zwischenstufen gelangen. Zunächst haben wir ein Bild vor uns, welches, natürlicherweise, seinen eigenen Parameter in Bezug auf Zeit/Raum anbietet. Aber da ist noch der Film selbst, im Gegensatz zu dem Bild, das der Film für unser Sehen projiziert. Der Raum des Filmes (z. B. seine Länge) wird in Zeit gemessen (die Anzahl der Einzelbilder - z. B. 24 in einem 16 mm Film - die in jeder Sekunde an der Linse vorbeilaufen). Somit sind 24 Einzelbilder identisch mit einer Sekunde Projektionszeit (obwohl der Inhalt dieser Zeit, unter außergewöhnlichen Bedingungen der Zeitlupe oder des Zeitraffers, nicht mit dieser Sekunde identisch zu sein braucht). Ebenso gleichen 40 Einzelbilder einem englischen Fuß, ein Meter gleicht einer Minute etc. etc. Damit haben wir nun zwei Variationen von Zeit/Raum in einem Erlebnis. Eine dritte kann hinzugefügt werden, wenn wir den physikalischen Raum selbst einbeziehen, Z. B. den Raum in dem wir der Aufführung beiwohnen. In diesem Fall können wir die Zeit in Bezug setzen zu dem aus dem Projektor hervorkommenden Lichtstrahl, der den Raum des Vorführraumes durchkreuzt. Bei der Behandlung dieses letzten Elementes kehren wir nun zurück zu Dr. Einstein, denn die Relativitätstheorie, welche Zeit/Raum zu erklären versucht, beginnt natürlich mit der Analyse der Lichtgeschwindigkeit als fundamentale Funktion der Zeit Und damit schließt sich der Kreis. Das Ende ist der fundamentale Anfang. Und wir beginnen noch eine andere Zeit. Dieses zyklische Phänomen ist ebenfalls grundlegend für Galetas Arbeiten. In "PiRâMidas" fügt Galeta noch eine weitere Dimension zu seinen Zeit/Raum Erforschungen hinzu: Symmetrie. Bis zu einem gewissen Grad können wir die Symmetrie als eine Kraft voraussetzen, die es uns ermöglicht, Zeit/Raum leichter zu definieren. Asymmetrische Untersuchungen von Zeit/Raum neigen dazu, uns zur Vergessenheit zu führen. Symmetrie, auf der anderen Seite, eröffnet unserem kosmischen Verstand eine letzte Möglichkeit, sich noch einmal neu zu strukturieren. Und hier erkennen wir, wie Galeta anhand seiner Symmetrie seine Arbeit immer wieder neu für uns festmacht. Dadurch geht er rückwärts, wann Immer er sich vorwärts bewegt. Wenn er nach links geht, kommt er rechts zurück. Seine Beschreibung am Ende, sich beziehend auf die Abbildung D1 ist klassisch für Galeta: "Die erste wesentliche Idee für diesen Film entstand aus dieser Zeichnung von Szpakowski. Als Beispiel wurde, basierend auf diesem Detail, ein wesensgleicher Film auf 8 mm gedreht. Die (räumliche) Länge der Einzelbilder des Films entsprach dem Doppelten der Länge der Linien in der Zeichnung. Das bedeutet, das zwei Einzelbilder Im Film einem Millimeter in der Linienführung entsprechen. Vier verschiedene Kamerapositionen ergeben vier Grundrichtungen der Linienführung: LINKS-RECHTS, HOCH-RUNTER, RECHTS-LINKS." Das Tragische im Leben von Waclaw Szpakowski war, daß er zu seinen Lebzeiten niemals eine öffentlich Ausstellung seiner Werke erlebte. Galeta sah diese Kreationen das erste Mal Im Jahre 1978 anläßlich der ersten retrospektiven Ausstellung über den Gestalter. Es ist schade, daß sie sich nie trafen, denn sie waren sicherlich Seelenverwandte. Szpakowskl beachtenswerte graphische Arbeit beruht auf einer grundlegenden Prämisse: eine Linie und nur eine Linie, die in das Bild eintritt, einem festgelegten Kurs zu einem Zentrum folgt, und dann einem absolut symmetrischen Gegenkurs folgt, bis sie aus dem Bild austritt. Im Vergleich dazu Punkt 8 der Einleitung Galetas, die beginnt mit "Der Film wurde aus EINER, einmal unterbrochenen kontinuierlichen Aufführung, bestehend aus 14.521 Einzelbildern gemacht" ... und die Tatsache, daß die ersten 7.260 Einzelbilder des Filmes identisch (aber natürlich in einer gegenläufigen Richtung) zu den letzten 7.260 Einzelbildern sind. Es gibt übrigens noch ein weiteres Einzelbild in der Arbeit: Nummer 7.261. Das ist der tote Punkt des Filmes. Und es ist das einzige geräuschlose Einzelbild in dem Werk (der erste Teil ist mit einer männlichen Stimme unterlegt; der Zweite mit einer weiblichen Stimme). Es gibt Spekulationen in Hülle und Fülle über das Wie und Warum der Pyramiden. Ein unzweifelhafter Aspekt ist, daß die kontinuierliche und symmetrische Konstruktion der Pyramide ohne Zweifel eine der am funktionalsten, jemals in der Architektur erreichten Entdeckungen darstellt (einschließlich in Bezug auf die Analogie zum Begriff Zeit/Raum). Man findet keine andere Konstruktion, die besser dieses Maximum an architektonischer Effizienz beispielhaft verdeutlicht. Innerhalb jedes bekannten Raumes wird die standhafteste Konstruktion pyramidial sein, da sämtliche, in alle Richtungen ausgeübte Kräfte die Konstruktion nur weiter verstärken. Mit anderen Worten, man hält keine Pyramide zusammen. Sie hält sich selbst zusammen. Ihr dynamisches Zentrum ist eine kontinuierliche Linie, die niemals endet (somit ist sie in Wahrheit eine Vielfalt linearer Kräfte), ständig gleichmäßige Kräfte in alle Richtungen ausübend und ewiglich präsent in Zeit und Raum. Zwei Schlußbemerkungen: Galeta setzt alle vorhergehende miteinander verwobene theoretische Konstruktion in Bezug zur doppelspiraligen Anordnung der Desoxyribonucleinsäure (DNA). Die Verflechtung der Zusammenhänge zwischen der spiralförmigen Strukturierung der Pyramide und deren Assoziationen (gleichwohl praktisch als auch metaphysisch) zwischen der Erde und den himmlischen Mächten zu dem strukturellen Faktor der DNA, die zum genetischen Code der menschlichen Spezies beiträgt, sind in der Tat eng und dabei in großem Maße symmetrisch, metaphysisch und funktional. Und schließlich führt Galeta ein Zitat von Kasimir Malevich (1923) an: Wenn Kunst Harmonie, Rhythmus und Schönheit beinhaltet, dann beinhaltet sie 'Zero'." Peter Rubin, 1985. EINFÜHRUNG ZU "PiRâMidas 1972-1984" von lvan Ladislav Galeta 1. Es wurde gefilmt in Ungarn am 20. März - nicht April, wie im Film gesagt - 1984 zwischen 11:34:00 und 11:39:00 Uhr und wurde produziert vom Balàzs Bèla Studio, in Budapest. 2. Der Film ist den ALTEN ZIVILISATIONEN. Hermes Trismegistos, Lao Tse. Albert Einstein, Waclaw Szpakowski, und vielen anderen gewidmet. 3. Die Vorbereitungen für diesen Film dauerten 12 Jahre. 4. Eine Bibliographie von mehr als 120 Gegenständen, Kunstwerken und wissenschaftlichen Texten wurde zur Vorbereitung benutzt. 5. Die Idee des Filmes, im Voraus detailliert ausgearbeitet, wurde direkt auf das Zelluloid übertragen - ohne die Notwendigkeit von zusätzlichen Eingriffen, wie z. B. Filmschnitt. 6. Der Film ist völlig symmetrisch, mit zwei unterschiedlichen Zentren. Eines davon ist eine illusionäre Achse des im Raum vorgestellten perspektivischen Punktes, um den die Kamera eine spiralförmige Rotation beschreibt - dieses ist das ZENTRUM in Bezug auf ZEIT. 7. Die Tonspur wurde zusammengesetzt aus einer männlichen und einer weiblichen Stimme, während die "absolute" Mitte, die durch die sieben Farben des Prismas hervorgehoben wird, aus dem 1/24-tel einer Sekunde der Stille gebildet wurde. 8. Der Film wurde aus EINER einmalig unterbrochenen Aufnahme mit 14.521 Einzelbildern erstellt, mit vier zugrundegelegten Kamerapositionen in 60 Zyklen. 9. Das ENDE des Filmes ist zugleich sein ANFANG