Fiato continuo

Der 1949 in Sofia geborene Komponist Bojidar Spassov experimentiert in seinem Zyklus »Fiato continuo I–V« für Bläser und Elektronik mit kurzen, von traditionellen folkloristischen Blasinstrumenten eingespielten Samples. Diese dienen ihm gewissermaßen als Klangbibliothek, aus deren Bestand heraus, gemeinsam mit elektroakustischen Zuspielungen, gänzlich neue Klangqualitäten und Metamorphosen des Klangbilds generiert werden. Im Verlauf der Stücke gewinnt das Sample-Instrument immer stärker an Bedeutung, nimmt sich zeitweise jedoch wieder hinter dem quasiimprovisatorischen Spiel des Soloinstruments zurück. So erzeugt der Komponist ein faszinierendes Wechselspiel zwischen akustischem Instrument, bei dem der volksmusikalische Ursprung spürbar ist, und Elektronik, die die materialinnovative Neue Musik präsentiert. Spassov rückt in den fünf Stücken das handelnde Subjekt, den spielenden Musiker und den mit den elektroakustischen Mitteln spieltheoretisch verfahrenden Komponisten in den Fokus. So spricht aus seiner oft in extremen Lagen intonierten und von den elektronischen Klängen dabei jeder Schwere und vielleicht auch jedem geschichtsphilosophisch Kontext enthobenen Musik genau jene Archaik, jener vorkulturelle Zustand von Musik, um dessen Unmittelbarkeit im zeitgenössischen elektronischen und instrumentalen Komponieren immer wieder aufs Neue gerungen wird