Die österreichisch-sowjetischen Beziehungen in der Ära Chruschtschow (1955-1964)

Die im Rahmen des Fachbereichs Geschichte angesiedelte Dissertation beschäftigt sich mit der Entwicklung der Beziehungen zwischen Österreich und der Sowjetunion auf der politisch-diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ebene nach dem Abschluss des österreichischen Staatsvertrags im Mai 1955 bis einschließlich 1964. In der Nachkriegsgeschichte der österreichisch-sowjetischen Beziehungen stellte die Unterzeichnung des Staatsvertrags ein Schlüsselmoment dar. Die Annahme des Status' der immerwährenden Neutralität durch Österreich und die Liquidierung der Hypothek Besatzung befreiten das Verhältnis zwischen den beiden Staaten von der Konfrontation, die diese jahrelang beherrschte. Dadurch war für Österreich und die UdSSR die Chance gegeben, ihre Beziehungen "auf grüner Wiese" aufzubauen, losgelöst von Spannungen und Altlasten der Besatzungszeit. Und die Bereitschaft, diese Chance zu nutzen, bestand österreichischer- wie sowjetischerseits wohl im gleichen Maße, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Österreich, das sich eingeklemmt zwischen zwei rivalisierenden Militärblöcken sah, wollte in erster Linie seine Unversehrtheit an der sensiblen strategischen Stelle am Eiserenen Vorhang sicherstellen und seinen außenpolitischen Spielraum vergrößern. Wirtschaftlich erhoffte sich Wien vor allem ein vielversprechendes Absatzgebiet für heimische Industrieerzeugnisse und ein großes Verkaufsland von Rohstoffen. Die UdSSR wollte ihre Sicherheits- und über den österreichischen Raum hinausgreifenden geopolitischen Interessen durch die Festigung der Neutralität Österreichs absichern und sich gute österreichisch-sowjetische Beziehungen als Paradebeispiel der friedlichen Koexistenz politisch-propagandistisch zunutze machen. Trotz des freundlicheren politischen Klimas nach dem Belvedere und des auf den beiden Seiten gleichermaßen vorhandenen Interesses an einer positiven Entwicklung der bilateralen Beziehungen mangelte es jedoch nicht an ihrem latenten Konfliktpotential. Angesichts der Diskrepanz zwischen der eigenen österreichischen und der sowjetischen Leseart der Neutralität, der offensichtlichen Gegensätzlichkeit staatspolitischer Interessen sowie der völlig unterschiedlichen politisch-ideologischen Stellung der beiden Staatswesen in der globalen Ost-West-Konfrontation konnte das österreichisch-sowjetische Verhältnis jederzeit wieder Belastungen ausgesetzt werden. Das stellte die höchsten Entscheidungsträger Österreichs und der Sowjetunion vor der Aufgabe, beim Verfolgen eigener staatspolitischer Anliegen die im April-Mai 1955 geschaffenen Grundlagen der bilateralen Beziehungen nicht in Frage zu stellen. Wie man dieser Herausforderung in den Kanzleien in Wien und Moskau in der allgemeinen Lage des Kalten Krieges begegnete, ist die zentrale Forschungsfrage der Arbeit.Natalya PachoinigDr. phil.Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Dissertation, 2017OeBB(VLID)438215