Religionskonferenzen am Persischen Hof in der Spätantike

Die beiden Grossreiche Persien und Rom bilden in der Antike zwei einander anziehende und zugleich abstossende Antipoden. Besonders in der Spätzeit des Neupersischen Reichs zeigten sich die Sassanidischen Herrscher interessiert an anderen Religionen und veranstalteten Dispute zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften. Der „Vergleich der Religionen“ soll am Hof Chosraus I. (531-579) als bewährtes Instrument der Religionspolitik gedient haben. Dies machte Persien für manche Byzantiner zu einem attraktiven Zufluchts- und Sehnsuchtsort. Im Mittelpunkt des Vortrags steht ein bislang wenig beachteter Text eines anonymen byzantinischen Autors aus dem 6. Jahrhundert, der von einer mehrtätigen Konferenz von Hellenen, Christen, Zoroastriern und Juden am Hof der Sassaniden berichtet (De gestis in Perside). Anhand eines Vergleichs mit anderen Quellen über Religionskonferenzen und unter Berücksichtigung neuerer Diskussionen zum Realitätsbezug literarischer Religionsdialoge wird der Quellenwert dieser fiktiven Erzählung ausgelotet. Der unbekannte Autor präsentiert seiner Leserschaft eine ideale Auseinandersetzung zwischen den Religionen. Indem er diese in die Kulisse des persischen Königshofs stellt, übt er zugleich eine subtile Kritik an der rigiden Religionspolitik Kaiser Justinians im Byzantinischen Reich. Die Erzählung spiegelt in subtiler Weise die historischen Situationen in Byzanz und in Persien – sowie die Vision eines Byzantiners von einem wahrhaftigen Christentum, das religiöse Toleranz propagiert, ohne seinen Wahrheitsanspruch aufzugeben