Das neue Erwachsenenschutzgesetz und die Autonomie von Patienten

Das neue Erwachsenenschutzgesetz markiert das vorläufige Ende einer jahrzehntelangen Entwicklung der Rechtslage im Umgang mit Menschen, die nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihre Rechtsgeschäfte selbst zu regeln. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der ersten Kodifizierung bürgerlichen Rechts im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) wurde auf solche Personen geachtet, die des besonderen Schutzes der Gesetze bedurften. Im Laufe der Jahrzehnte und unter dem Einfluss der Gräueltaten des letzten Weltkrieges wurde auch sprachlich darauf geachtet, Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten trotzdem als Menschen zu achten und zu respektieren.Bedingt durch die demographischen Bedingungen und den Fortschritt in der Medizin werden die Menschen immer älter und damit tritt ein alt bekanntes Phänomen aber in neuer zahlenmäßiger Dimension in den Mittelpunkt des Interesses. Menschen mit fortschreitender Demenz, die nicht mehr in allen Lebenssituationen entscheidungsfähig sind, werden schrittweise Begleitung auch in rechtlichen Belangen brauchen. Das neue Erwachsenenschutzgesetz nimmt wie kein anderes darauf Bezug und ermöglicht es den Menschen Vorsorge zu treffen, um in Zeiten reduzierter oder fehlender Entscheidungsfähigkeit von Menschen betreut zu werden, denen sie vertrauen. Aber der Gesetzgeber geht noch einen Schritt weiter und ermöglicht die Wahl eines vertrauten Vertreters auch noch in einer Phase der Krankheitsentwicklung, in der die volle Entscheidungsfähigkeit eigentlich schon fehlt. Das trägt auch den neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung, die zeigen, dass Menschen mit eingeschränkter geistiger Leistungsfähigkeit sehr wohl noch in der Lage sind wenn auch mehr auf emotionaler Ebene Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. Der Schutz des Gesetzes greift dort ein, wo es um komplexe und dann für den Betroffenen vielleicht negative Rechtsgeschäfte handelt, wofür das Gesetz einen entsprechenden Erwachsenenvertreter zwingend vorsieht. Der vierstufige Prozess, den das neue Erwachsenenschutzgesetz vorsieht, ist als innovativ zu bezeichnen und die Praxis der nächsten Jahre wird zeigen, in welchem Umfang die Möglichkeiten der Vorsorge von den betroffenen Menschen in Anspruch genommen werden. Es ist jedenfalls ein Schritt in die Richtung zu mehr Autonomie auf Seiten der betroffenen Menschen und insbesondere in der medizinischen Betreuung ein wichtiger Schritt zu mehr Selbstständigkeit der Patienten und die Verpflichtung der Ärzte mit diesen Patienten zu kommunizieren und deren Entscheidungen zu akzeptieren. Darüber hinaus führt es zu mehr Rechtsicherheit bei den Ärzten, weil nun der gewählte Erwachsenenvertreter in alle medizinischen Maßnahmen einwilligen kann und damit die Einschränkung auf nicht-schwere Eingriffe wegfällt.Das Verständnis was Autonomie eigentlich bedeutet, hat sich in den vergangenen Jahrhunderten entscheidend verändert. Philosophen zu Beginn der Aufklärung und noch orientiert an den Gedanken des ausgehenden Mittelalters haben die Idee der Autonomie als Freiheit von natürlichen Zwängen beschrieben. Im Laufe der Zeit wurde dann die Autonomie viel stärker mit der Individualität der einzelnen Person assoziiert und heute denkt man bei Autonomie an die Freiheit des Einzelnen, die erst mit der Freiheit des anderen begrenzt ist.In der Medizin ist es geradezu zu einem Paradigmenwechsel von der Pflicht des Arztes, das Wohl des Patienten zu achten, hin zum alleinigen Willen des Patienten, was medizinisch therapeutisch getan werden darf, gekommen. Dass das in der gelebten Praxis im Alltag der Medizin so nicht funktioniert, liegt an den Patienten selbst, die je nach Schwere der Erkrankung sich in einer Ausnahmesituation befinden und gerade jetzt mehr denn je die (paternalistische?) Führung und Begleitung durch den Arzt benötigen.The new law for the protection of adults marks the temporary ending of a decades-long development of the legal situation of dealing with people, who are not or not anymore capable of regulating their legal transactions themselves. Already with the first codifitcation of the civil law in the „Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB)“ at the beginning of the 19th century such people were considered, who demanded special protection of laws.In the course of the decades and under the influence of the atrocities of the latest world war it was also linguistically considered to still esteem and respect people with resricted abilities. Due to demographic conditions and progress in medicine people are getting older and therefore a well known phenomenon but in newer numerical dimensions got into the centre of interest. People with progressive dementia, who are not capable of making decisions in all life situations, will gradually need assistance in legal concerns. The new law for the protection of adults refers to this like no other and enables people to take precaution, to be supervised by people, whom they trust, in times of reduced or lack of/missing decision-making ability. But the legislator goes (even) one step further and allows the selection of a trusted representative even in a stage of development of disease, in which the full decision-making ability is (actually) already missing. This also contributes to the newer scientific findings, which show that people with restricted mental capacity are indeed able to even if on a more emotional level make decisions for their life (life decisions). The protection of the law intervenes when it involves a complexe and therefore possibly negative legal transaction for the person concerned, for which the law might mandatorily provide an appropriate (adult) representative.The four-stage process, which the new law for the protection of adults provides, is to be described as innovative and the practice in the coming years will show to what extent the people concerned will make use of the opportunities of the provison. It is certainly a step into the direction of more autonomy on the sides of the people concerned and specifically an important step in the medical care to more patients autonomy and the doctors obligation to communicate with those patients and to accept their decisions. Furthermore it leads to more legal cartainty for the doctors because the chosen (adult) representative can now agree to all medical procedures and thus the restriction to nonfatal procedures is omitted.The understanding of what autonomy actually means has significantly changed in recent centuries. Philosophers at the beginning of the Enlightenment and still oriented by the ideas of the outgoing Middle Ages described the idea of autonomy as the freedom of natural constraints. Over time autonomy was more strongly associated with the individuality of a single person and today one thinks of autonomy as the freedom of an individual, which is only limited with the freedom of another (individual).In medicine it has actually come to a paradigm shift from the doctors obligation, to ensure the well-being of the patient, up to the patients sole will, what is medically (and?) therapeutically allowed to be done. That this is not working in the common practice in everyday life medicine, is up to the patients themselves, who depending on the severity of the disease are situated in exceptional circumstances and especially now more than ever need the (paternalistic) guidance and supervision by a doctor.eingereicht von Mag. iur. Dr. med. univ. Thomas Wagner, MMSc MBAZusammenfassungen in Deutsch und EnglischAbweichender Titel laut Übersetzung des Verfassers/der VerfasserinKarl-Franzens-Universität Graz, Masterarbeit, 2018(VLID)288763