Die Archäologie der Katastrophe

Der Autor Wolfgang Koeppen gilt als ein Kritiker der Nachkriegs- und Wirtschaftswundergesellschaft. Die Raumkonstituierung bzw. die Raumwahrnehmung, die einen großen Teil des kritischen Potentials seiner Werke ausmachen, wurden bisher von der Forschung vernachlässigt. Insbesondere das ausgefeilte, komplexe Zusammenspiel von Zeit und Raum blieb bislang weitgehend unbeachtet. In der vorliegenden Arbeit werden die Raumkonstituierung sowie die Raumwahrnehmung in den Romanen „Tauben im Gras“ und „Der Tod in Rom“ sowie anhand ausgewählter Erzählungen des deutschen Nachkriegsautors untersucht. Zu diesem Zweck werden verschiedenen Theorien zur Raumbildung in der Narration herangezogen. Um den Konnex zwischen Erinnerung und Raumkonstituierung zu beleuchten, wird auf Aleida Assmanns Konzept der Erinnerungsräume zurückgegriffen. Dem kulturellen Verfall, der in den Romanen Koeppens auszumachen ist, wird anhand Jan Assmanns Theorie eines kulturellen Gedächtnisses auf den Grund gegangen. Räume, die eine spezielle Funktion aufweisen und in einer Opposition zu den übrigen Räumlichkeiten stehen, werden mithilfe von Michel Foucaults heterotopen Räumen untersucht. Des Weiteren wird die Bewegung im Raum, die die Stadträume in den beiden genannten Romanen konstituiert, anhand von Michel de Certeaus Werk „Kunst des Handelns“ analysiert. Zudem wird die Raumwahrnehmung der einzelnen Protagonisten in „Tauben im Gras“ und „Der Tod in Rom“ mittels eines neuplatonischen Wahrnehmungsmodells ergründet. Die Zeitkritik Koeppens soll mit der Untersuchung dieser raumtheoretischen Aspekte um eine Dimension erweitert werden