Quantendynamik mit Wellenpaketen und Trajektorien: Computersimulationen zum Tunnelprozeß

In einem Vorwort darf es erlaubt sein, mit Worten und Bildern zu spielen; darum dieses: „Was haben ein Elektron und ein Basketball gemeinsam?" ließe sich halb im Ernst halb im Scherz fragen. Eine mögliche Antwort wäre: „Beide können Gegenstand einer theoretischen Physik sein." Der Unterschied liegt darin, daß nicht beide mitderselben Theorie beschrieben werden: das Elektron als mikroskopisches Objekt kann adäquat nur durch die Quantenmechanik erfaßt werden, wohingegen derBasketball als makroskopisches Objekt zum Beschreibungsfeld der klassischen Mechanik gehört. Ist das Beschreibungsfeld der klassischen Mechanik auf den makroskopischen Bereich beschränkt, so gilt analoges nicht für die Quantenmechanik. Im formalen Aufbau der Quantenmechanik ist die klassische Mechanik als Grenzfall ($\hslash \rightarrow$ 0) enthalten. Aber auch wenn dies so ist, wird niemand die Idee realisieren wollen oder können, die Bewegung eines Basketballs mittels einer komplexen Wahrscheinlichkeitsamplitude, dem Werkzeug der Quantenmechanik, zu charakterisieren. Das Objekt oder besser: das Modell des Objekts der Beschreibung legt einen (pragmatisch) sinnvollen theoretischen Ansatz nahe (siehe : Ockham 's razor). Der Unterschied zwischen einem Elektron und einem Basketball läßt sich jedoch nicht einzig durch das Begriffspaar makroskopisch/mikroskopisch andeuten. In einem gewissen Sinne äquivalent dazu ist die Angabe einer charakteristischen Zeitgröße, die der jeweiligen Dynamik zugrunde liegt. Die typische Zeitdauer der Flugbahn eines Basketballs wird sich in Sekunden messen; ein Elektron im Wasserstoffatom besitzt (bei halbklassischer Beschreibung durch das Bohr-Modell) eine Umlaufzeit um das Proton von $\approx$ 1.5 $\cdot$ 10$^{-16}$ Sekunden$^{1}$. Die Zuordnung einer beschreibungsrelevanten Theorie zu einem Objekt wird jedoch sofort problematisch, sobald das zur Frage erhobene System in seinen qualitativen Eigenschaften nicht mehr homogen ist, wenn also beispielsweise innerhalb des Gesamtsystems zwei deutlich verschiedene Zeitskalen der inneren Bewegung auftreten, oder wenn das Gesamtsystem aus Teilsystemen um Größenordnungen verschiedener, charakteristischer Massen besteht. Welche Theorie ist also etwa beschreibungsrelevant für die Dynamik eines Elektrons in einem Helium-Gas [Kali90]? Quantenmechanisch ist das Problem unlösbar, da die Dimension des Hamiltonoperators proportional zur involvierten (dynamischen) Teilchenzahl ist, und sich somit im hochdimensionalen Fall eine Wellenfunktion fast nicht einmal mehr abstrakt denken läßt. Denkt man sich nun die Helium-Atome als `mikroskopische Basketbälle', so sind wir im obigen Bild (aber nicht auf der gleichen Zeitskala!), wobei die Schwierigkeit jetzt ist, daß die `Basketbälle' die Gegenwart des Elektrons spuren und umgekehrt: es liegt ein wechselwirkendes, dynamisches Gesamtsystem vor. Faßt man nun die 'Basketbälle' als Objekt einer klassischen Theorie und das Elektron als Objekt einer quantenmechanischen Theorie auf, so stellt sich die Frage: „Lassen sich klassische und Quantenmechanik verbinden? " Zu dieser allgemeinen Frage versucht diese Arbeit einen kleinen, speziellen Beitrag zu liefern. Die Verknüpfung einer klassischen Flugbahn (Trajektorie) mit einer quantenmechanischen Wellenfunktion wird in einem Zweiteilchenrnodell untersucht(sozusagen ein `Elektron ' und ein `Basketball '), da in diesem niederdimensionalem Fall auch eine quantenmechanische Beschreibung, d. h. eine exakte Lösung,des Gesamtsystems möglich ist. Das zweite liefert den Bewertungsmaßstab für das erste. Die speziellen Fragen an das Testmodell werden vorwiegend durch dieInterpretation von Computersimulationen beantwortet, so daß die erzielten Ergebnisse empirisch sind. Für die allgemeine Frage nach der Verknüpfbarkeit vonTrajektorien mit Wellenfunktionen ergeben sich somit hypothetische Antworten. Ich danke Prof. G. Eilenberger für die Schirmherrschaft über diese Arbeit und für seine oft kritischen Fragen, die in mehrfacher Hinsicht Wirkung zeigten. Betreut wurde meine Arbeit von Dr. John Harris, dem in Worten kaum zu danken ist. Die thematische Konzeption und eine Vielzahl von Ideen und Anregungen sind eng mit Ihm verknüpft. Ohne seine ständige Bereitschaft zu fachlicher Auseinandersetzung und ohne die nicht nachlassenden Richtungshinweise auf 'the bottom line ', wäre diese Arbeit nicht geschrieben worden. Vor allem aber danke ich John Harris für seine freundschaftliche Art, die mir auch in 'blue moods' immer wieder Mut gemacht hat. Karin und Niels haben gemeinsam mit mir, bzw. ich habe gemeinsam mit Ihnen, die Jülicher Zeit überstanden. Nun sind wir alle reif für den Morgensternschen Raben Ralf: „Der Rabe Ralf ruft schaurig: `Krah! / Das End ist da! Das End ist da!' ".Mein Dank geht auch an das Forschungszentrum Jülich, das mich über die dreijährige Dauer dieser Arbeit finanziell als Doktorand gefördert hat