Experimentelle Untersuchungen an stoßbestimmten Stoßwellen im magnetfreien Deuteriumplasma

Die vorliegende Arbeit beschreibt experimentelle Untersuchungen in stoßbestimmten Stoßwellen der Machzahl 3,8 (bzw. 3) im magnetfeldfreien Deuteriumplasma mit der Teilchenzahldichte $4 \cdot 10^{14} cm^{-3} (bzw. 7 \cdot 10^{14} cm^{-3})$ und der Temperatur 1,1 eV (bzw. 1,3 eV). Diese Stoßwellen wurden in einer Thetapinchapparatur (Spulenlänge 40 cm, Spulendurchmesser 20 cm) erzeugt. An verschiedenen Stoßwellentypen wird schon seit einigen Jahren experimentiert. Das Ziel der hier beschriebenen Versuche bestand darin, nun auch den Typ der stoßbestimmten Stoßwelle im magnetfeldfreien Plasma zu untersuchen. Es gibt dafür zwei Gründe: 1. Dieser Stoßwellentyp eignet sich besonders gut zur Aufheizung eines Plasmas (siehe Einleitung). 2. Aus der Frontstruktur der Stoßwelle kann man Aufschlüsse über die hier dominierenden Transport- und Relaxationsprozesse gewinnen (siehe Kapitel I). Die Kenntnis dieser Prozesse ist wesentlich, um das allgemeine Verhalten eines Plasmas vorherzusagen. Bisher gab es an stoßbestimmten Stoßwellen im magnetfeldfreien Deuteriumplasma keine Experimente. Um sie zu ermöglichen, mußten zwei Schwierigkeiten überwunden werden: 1. Aufbau einer geeigneten Meßapparatur. a) Es mußten lokale Werte der Elektronentemperatur und der Dichte gemessen werden. Dies wurde mit Hilfe der Thomsonstreuung von eingestrahltem Laserlicht erreicht. Die Auflösung war so gut, daß es gelang, die Struktur der Elektronentemperaturfront der Stoßwelle zu untersuchen. b) Auch die Ionentemperatur mußte lokal gemessen werden. Dies wurde durch kollektive Streuungen in Vorwärtsrichtung von eingestrahltem Laserlicht erreicht. 2. Herstellung eines geeigneten Plasmas. Es ist bis jetzt unmöglich, ein magnetfeldfreies und vollionisiertes Plasma der hier gewünschten Dichte im Labor herzustellen. Denn ohne Magnetfeld ist das Plasma von den Gefäßwänden nicht isoliert, so daß Energietransport zu den Wänden die Elektronentemperatur und damit den Ionisationsgrad des Plasmas verringert. Es gelang aber durch geeignete Wahl der Zeiten der Vorheizentladung, ein Plasma herzustellen, bei dem der Ionisationsgrad sich erst hinter der Front der Stoßwelle stark ändert (siehe Kapitel I.5). Dadurch war es möglich, die Meßergebnisse mit der Theorie über diese Stoßwelle /1/, /11/ und /12/ zu vergleichen. Denn diese Theorie wurde bisher nur für konstanten Ionisationsgrad entwickelt. Es wäreinteressant, wenn die Theorie durch Berücksichtigung der Änderung des Ionisationsgrades in der Front der Stoßwelle erweitert würde. Folgende Detailergebnisse wurden erhalten: 1. Der Temperatursprung der Elektronen und Ionen an der Stoßfront entspricht dem erwarteten Wert. 2. Die Dichte an der Stelle des Temperaturmaximums ist gleich dem ohne Berücksichtigung der Ionisation berechneten Endwert. Aus dem Dichtemaximum der Stoßwelle läßt sich der Ionisationsgrad vor der Stoßfront berechnet. 3. Dichte und Geschwindigkeit der reflektierten Welle haben den erwarteten Wert. 4. Der Zuwachs der Plateaulänge der Stoßwelle stimmt mit dem in Zylindergeometrie berechneten Wert überein. 5. Es ist nachgewiesen worden, daß in Vorwärtsrichtung das Laserlicht an thermischen Fluktuationen gestreut wird. Dies bedeutet, daß das Plasma stoßbestimmt ist. 6. Mit der Kenntnis des Magnetfeldes des Kolbens, der Plasmadichte, der Elektronen undIonentemperatur konnte die Druckbilanz geprüft und bestätigt werden. 7. Die geringe Differenz zwischen Ionen- und Elektronentemperatur zeigt, daß die Temperatur-Relaxation nicht kleiner ist, als die Theorie es vorhersagt. Eine genauere Bestimmung der Temperatur-Relaxation war wegen der Fehlergrenzen der Ionen undElektronentemperatur nicht möglich. 8. Da in dem von uns benutzten Wertebereich die gemessene Anstiegslänge der Elektronentemperatur mit der berechneten übereinstimmt, ist die Gültigkeit des Modells für Wärmeleitfähigkeit der Elektronen bestätigt. In dem von uns untersuchten Bereich ist dieser Transportkoeffizient stoßbestimmt. Für die untersuchten GröBen der Stoßwelle ergab sich eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen Meßergebnissen und Rechnungen. Eine zusätzliche Überprüfung der Ionenviskosität war nicht möglich. Insgesamt aber scheint die vorhandene Theorie /1/, /11/ und /12/ adaequat für die Beschreibung des untersuchten Stoßwellentyps zu sein, insbesondere gilt dies für die Vernachlässigung der kollektiven Phänomene gegenüber den Stößen. Damit ist die Basis für ein grundsätzliches und detailliertes Verständnis von Stoßwellen wesentlich erweitert worden